21. März 2017, Kuala Lumpur
Der Weg ist das Ziel – so heißt unser Blog, so lautet das Motto unserer Reise, wenn es denn überhaupt so etwas wie ein Motto gibt. Auf dem Weg liegen Wunschziele, die wir schon immer einmal sehen wollten sowie Orte, die uns von anderen unterwegs empfohlen wurden. Und dann gibt es noch die Orte, durch die wir eigentlich nur durchfahren, weil sie eben auf dem Weg zwischen zwei Zielen liegen. Malaysia, dachten wir, würde in die dritte Kategorie fallen. Wir wussten nicht so recht, was wir erwarten sollten oder was das Land ausmacht. Eigentlich war es für uns nichts weiter als ein Stück Strecke zwischen Thailand und Singapur bzw. Indonesien. Doch schon in Georgetown entdeckten wir die unglaubliche Faszination dieses Landes, und jetzt ist es für uns definitiv das Highlight all der Länder Südostasiens, die wir bislang bereist haben.
Was hat Malaysia also, was die bisherigen Länder nicht hatten?
An erster Stelle steht für uns die Vielfalt der Kulturen und Religionen. Malaien, Chinesen, Inder und Angehörige indigener Völker leben hier anscheinend recht friedlich (zumindest auf den ersten Blick) miteinander. Der Islam ist Staatsreligion, doch Buddhisten, Hindus, Christen und andere genießen Religionsfreiheit. Indische und chinesische Tempel stehen sich auf manchen Straßen direkt gegenüber und eine Ecke weiter ruft der Muezzin vom Minarett der Moschee zum Gebet. Man sieht verschleierte Frauen, Frauen in Saris, Frauen in Trägertops und kurzen Hosen und niemand wird schief angeschaut.
Vier Gotteshäuser in Georgetown, alle in Laufentfernung voneinander
Viele Menschen sprechen mehrere Sprachen – Bahasa Melayu (Malaysisch), meist mehrere chinesische Sprachen (Hokkien, Hakka, Mandarin, Kantonesisch), Tamil, und natürlich Englisch, sodass die Kommunikation fast nie ein Problem darstellt. Auch ist das Essen entsprechend vielfältig: indische und chinesische Restaurants an so ziemlich jeder Ecke; Straßenstände mit malaysischen Nudelgerichten und unglaublich leckeren einheimischen Süßigkeiten, eine große Auswahl an vegetarischen Optionen, und das Ganze zu Preisen wie wir sie zuletzt in China hatten (manchmal zahlen wir weniger als einen Euro für eine Mahlzeit) – mit so viel Appetit wie hier haben wir schon lange nicht mehr gegessen.
Hinzu kommt die interessante Umgebung, egal ob Stadt oder Land. In den Städten findet man futuristische Wolkenkratzer neben unglaublich charmanten Kolonialbauten und Straßenkunst; in den Parks und auf dem Land üppige Flora und Fauna, saftige Regenwälder (zumindest dort, wo sie noch keiner der gigantischen Palmölplantagen weichen mussten), Teeplantagen und exotische Vögel.
Außerdem ist der Lebensstandard vergleichsweise hoch; man kann wieder mit Leitungswasser Zähne putzen; es gibt ÖPNV in den Städten und das Einkaufen ist ein Traum (oder wäre es, wenn wir uns diesen Luxus leisten würden) – es gibt so viele hübsche Dinge in den kleinen Läden genau wie in den riesigen Malls, in dieser Hinsicht kann Malaysia locker mit Thailand mithalten. Wenn wir nicht alles schleppen müssten und unser Geld ja für die Reiserei ausgeben wollten, hätten wir wahrscheinlich schon einen Koffer voller Nippes.
Ihr seht, obwohl wir zuerst nicht wussten, was wir hier sollten, sind wir mittlerweile von Malaysia total begeistert.
In Georgetown verbrachten wir fast eine ganze Woche. Unser Hostel lag mitten in der Altstadt direkt hinter einem chinesischen Tempel, inmitten pittoresker Kolonialhäuser an der Grenze zwischen Chinatown und Little India. Zwei Tage verbrachten wir schon allein damit, durch die Gassen zu schlendern, mmer neue Street Art zu entdecken und zu bewundern, einfach das Flair aufzusaugen und uns an Malaysia zu gewöhnen.
Typischer Fußweg in der Altstadt
Armenian Street
Ein typischer Hauseingang in der Altstadt
Eines der berühmtesten Street Art-Werke in Georgetown
Eine besondere Sehenswürdigkeit am Rande der Altstadt waren die chinesischen Jetties – auf Holzpiere in den Hafen gebaute Wohnviertel verschiedener chinesischer Klans, die im 19. Jahrhundert als Armenviertel entstanden und noch heute bewohnt werden.
Hean Boo Thean Tempel in den Klan-Jetties vor der modernen Silhouette Georgetowns
Auf einem der Piers – heute sind das vermutlich keine Armenviertel mehr
Zwei Tage nahmen wir uns Zeit, um den Penang Hill, quasi den Hausberg Georgetowns, sowie den buddhistischen Kek Lok Si Tempel an seinem Fuße zu erkunden.
Penang Hill, mit Lampions des Kek Lok Si Tempels im Vordergrund
Zum Penang Hill fuhren wir nachmittags mit dem Stadtbus und genossen es, endlich mal wieder mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zu fahren, dessen Preis wir zudem nicht vorher aushandeln mussten. Die 45-minütige Fahrt kostete auch nur 40 Cent pro Nase. Die mehr als 700 Höhenmeter hinauf auf den Berg legten wir mit einer Art Zahnradbahn zurück. Oben angekommen schauten wir uns das sehr hübsche Eulenmuseum an, ein Sammelsurium von Kunst und Kitsch rund um die gefiederten Jäger der Nacht. Wir aßen ein Ice Kacang, eine malaysische Eisspezialität aus geraspeltem Eis, Vanilleeis, Mais (in dieser Mischung etwas gewöhnungsbedürftig), roten Bohnen und diversen Gelees, das besser schmeckte als es klang. Wir genossen die Aussicht über Georgetown von diversen Aussichtspunkten in der späten Nachmittagssonne und nach Sonnenuntergang, als die Lichter der Stadt angingen – ein sehr schöner Ausflug.
Vorn Georgetown auf Penang Island, im Hintergrund Butterworth auf dem Festland
Den Tempel Kek Lok Si wollten wir eigentlich gar nicht sehen – irgendwann wird man ja all der Tempel auch mal überdrüssig, aber der Blick, den wir aus dem Bus auf dem Weg zum Penang Hill erhascht hatten, weckte unser Interesse. Und was soll man sagen: wir haben schon so viele Tempel besichtigt, auf dieser Reise und auch auf anderen in Japan, aber dieser ist ohne Zweifel einer der beeindruckendsten, die wir je gesehen haben. Am Berghang gelegen, erstreckt er sich über ein riesiges Areal mit großen, farbenfrohen Prachtbauten, gepflegten Gärten und einer gewaltigen Statue der Göttin Kannon, von deren Füßen aus man zudem einen weiten Blick über die Stadt hat. Wir verbrachten über drei Stunden dort.
Der Weg zum Kek Lok Si ist „gepflastert“ mit Souvenirläden…
In einem der wunderschönen Gärten
Brunnen und Pagode auf dem Tempelgelände
Statue der Göttin Kannon
Am Fuße des Tempels aßen wir in einem chinesischen buddhistischen Restaurant Mittag, wo es alle Gerichte in drei verschiedenen Größen gab. Wir bestellten gebratenen Reis und eine Portion Auberginen mit Szechuanpfeffer und dachten, die mittlere Größe wäre sicher ausreichend. Die Kellnerin empfahl uns jedoch, lieber nur die kleinste Portion zu nehmen, und als das Essen dann kam, waren wir sehr dankbar für ihren Hinweis, denn wir wurden davon schon mehr als satt und können uns nur vorstellen, dass die großen Größen für Gruppen gedacht sind, die ein paar Gerichte teilen wollen.
In Georgetown hätten wir es durchaus noch länger ausgehalten, doch ich musste ja nach Kuala Lumpur zum Flughafen und Kathrin hatte ein paar schöne Tage in Ipoh und den Cameron Highlands vor sich, von denen sie euch mal selbst berichten wird.
Ich erreichte Kuala Lumpur an einem Provinzbahnhof, da der Hauptbahnhof, wo der Bus eigentlich hatte halten sollen, angeblich nicht angefahren werden konnte. Nun ja, es gibt ja öffentliche Verkehrsmittel und die Züge fuhren zum Glück ins Zentrum. Kurz nach meiner Ankunft im Hostel direkt hinter dem Bahnhof fing es an zu gewittern und in Strömen zu regnen, sodass ich an diesem Abend nichts mehr unternahm.
Am nächsten Tag bummelte ich etwas durch die riesige Mall am Bahnhof, kaufte noch ein paar Mitbringsel (frische Mangos) und dann war es auch schon Zeit, zum 60 km außerhalb gelegenen Flughafen zu fahren.
Der Flug mit Emirates war sehr angenehm. Das Unterhaltungsangebot war klasse; ich konnte mich gar nicht entscheiden, was ich zuerst gucken sollte, und das Essen war auch ganz gut. In Dubai hatte ich fast fünf Stunden Umstiegszeit, in denen ich duschen ging und dann auf einer der Couches döste, bis es weiterging. Und dann die große Überraschung: Ankunft in Deutschland…
Manche Dinge ändern sich nie, und dazu gehört auf jeden Fall die Unberechenbarkeit der Deutschen Bahn. Mein Zug stand nicht auf dem Gleis, wo er abfahren sollte; dort stand dafür ein anderer und es sah alles danach aus, dass ich meinen Anschluss am Frankfurter Hauptbahnhof verpassen würde. Eine Traube „Gleichgesinnter“ hatte sich schon um einen armen Bahnangestellten versammelt, der keine Ahnung hatte, wo unser Zug geblieben war. Ich schloss mich einer Dame im Rollstuhl an, die von einer Flughafenmitarbeiterin begleitet wurde und ebenfalls nach Dresden wollte. Es folgte eine Odyssee im Schweinsgalopp mit Rollstuhl und viel zu viel Gepäck durch den halben Flughafenbahnhof im Schlepptau eines Bahnangestellten, der uns wie in einem Actionfilm durch die Mitarbeitergänge zu einem anderen Gleis schleuste, wo tatsächlich unser Zug noch stand, der schon längst hätte weg sein sollen (manchmal ist die Unpünktlichkeit der Bahn auch von Vorteil), und dann stellten wir auch noch fest, dass wir gar nicht am Frankfurter Hauptbahnhof umsteigen mussten, sondern damit noch bis Leipzig Zeit hatten, da unser Anschluss lediglich ein zweiter Wagenteil war, der in Frankfurt angehängt wurde und dann von Leipzig aus nach Dresden weiter fuhr. Als der Zug losrollte, musste ich erstmal noch ein paar Kleidungsschichten ausziehen, da ich bei der Rennerei ganz schön ins Schwitzen gekommen war.
Kalt war mir also schon mal nicht in Deutschland, und auch die Deutschen überraschten mich mit ihrer Gesprächigkeit und Offenheit. Meine neue Bekannte Gabriele war auf der Rückreise aus Namibia, wo sie mit ihrer dort lebenden Tochter eine kleine Reisegruppe geleitet hatte. Ein paar Teilnehmer aus ihrer Gruppe saßen mit uns im Zug, und ein Ehepaar, das uns gegenüber saß und eigentlich gar nicht dazu gehörte, nahm auch noch an der Unterhaltung teil. Wir redeten über Gott und die Welt, während Gabriele ihren auf der Reise verstauchten Knöchel auf meinem Schoß hochlegte, und so verging die Zeit ganz schnell.
In Dresden angekommen erwartete mich ein kleines Empfangskommittee bestehend aus Mama, Oma und meiner (Stief)Schwester Ines. Ich fühlte mich sofort wieder wie zuhause.
Omas Geburtstag war ein richtig großer Tag. Dreizehn Leute kamen schon am Vormittag gratulieren, bevor wir nachmittags mit den geladenen Gästen Kaffee tranken und nach einer Kutschfahrt bei frühlingshaftem Sonnenschein zu Abend aßen. Zehn Blumensträuße, fünf Blumentöpfchen, mehrere Präsentkörbe und ein ziegelsteindicker Stapel Geburtstagspost waren die Ausbeute des Tages. Sogar aus dem Bundespräsidialamt kam ein Glückwunschschreiben (und wir wissen nicht, ob das zum 100. so üblich ist), persönlich unterzeichnet von Joachim Gauck.
Zu den weiteren, zugegebenermaßen viel bescheideneren Highlights meines kurzen Heimaturlaubs zählten: Kartoffeln und Quark, Omas Avocadomus und Rote-Beete-Salat, richtige Bettwäsche und Steckdosen in denen die Stecker tatsächlich halten. Ja ja, es sind die kleinen Dinge… Ich schaffte ein paar Besorgungen (neue Kaugummis gegen Reiseübelkeit etc.) und ein paar Treffen und Telefonate mit Freunden bevor ich nach dreieinhalb Tagen in Dresden schon wieder zurück nach Frankfurt fuhr, und von dort über Dubai wieder zurück nach Kuala Lumpur flog.
Am Frankfurter Flughafen gab es noch einen kurzen Schreckmoment, als mir die Dame beim Check-in sagte, dass ich ohne Rückflugticket nicht nach Malaysia einreisen dürfe. Nachdem sie mein entsetztes Gesicht sah, überprüfte sie die Information noch einmal und hielt mit zwei Kollegen Rücksprache, die sagten, dass mir die Einreise theoretisch verweigert werden könnte, dies aber in der Realität kein Problem sei. Ändern konnte ich eh nichts, also musste ich es drauf ankommen lassen. Der Flug war wieder sehr ruhig und angenehm – so ein A380 ist schon eine feine Sache – und in Dubai schlief ich auf der Couch so fest ein, dass ich nur dank meines in weiser Voraussicht gestellten Weckers rechtzeitig zum Boarding kam. In Malaysia angekommen wollte kein Mensch irgendein Rückflugticket sehen und ich erhielt meinen Stempel ohne weiteres in den Pass – Glück gehabt.
Kathrin hatte uns ein Hostel in der Altstadt gebucht, wo sie schon auf mich wartete, als ich ankam. Wir hatten beide eine sehr schöne, abwechslungsreiche Woche hinter uns, aber freuten uns auch, endlich wieder zusammen zu sein. Nun geht es auf zu neuen Horizonten mit Weltreise Teil II… 🙂