29. Dezember 2016, Don Det/Laos
Zu allererst wünschen wir allen unseren Familien, Freunden, Kollegen und Mitlesern ein frohes neues Jahr 2017! 🙂
Unsere letzte Woche in Kambodscha war sehr entspannt, abseits der ausgetretenen Touristenpfade, mit viel Ruhe und Natur.
Die 390 km lange Fahrt von Siem Reap nach Kratie war ein tagesfüllendes Programm. Früh 6:30 Uhr wurden wir an unserem Hostel mit dem Tuktuk abgeholt und ins Stadtzentrum gefahren. Von dort ging es mit einem größeren Bus bis zum Büro der Busgesellschaft, wo wir in einen richtigen Reisebus umstiegen. Dieser war natürlich auch schon ein ziemlich altes Modell, wie so ziemlich jeder in Kambodscha, aber es gab eine Klimaanlage, die Sitze waren noch nicht zerschlissen und auf einem riesigen Bildschirm vorn liefen während der ganzen Fahrt schnulzige Khmer-Schlager. Nach etwa vier Stunden kamen wir in der kleinen Stadt Kampong Cham an, wo wir am Büro der Busgesellschaft abgesetzt wurden und dort auf den Anschluss warten sollten. Wir mussten auch tatsächlich nur weniger als eine Stunde warten. Das Reisen hat uns geduldig gemacht; alles unter einer Stunde ist noch kein Grund, irgendjemanden zu fragen, wann denn der Bus kommt; wir setzen uns einfach hin und harren der Dinge und meistens wissen die Angestellten sowieso nicht, wann der Bus eintrifft. Der Anschlussbus war allerdings nur ein Minivan. Zum Glück waren wir die ersten, die einstiegen, sodass wir uns gute Plätze hinter dem Fahrer sichern konnten, wo wir unser Gepäck auf die Ablage hinter dem Fahrersitz deponieren und bequem die Füße darauf hochlegen konnten – der Gepäckraum war komplett belegt mit 25 Rollen Stacheldraht… Der Minibus füllte sich dann aber auch schnell mit weiteren Passagieren; immer wieder hielt er am Straßenrand an, um neue Fahrgäste einsteigen zu lassen, und eh wir uns versahen, saßen wir zu viert auf den für drei Personen ausgelegten Sitzbänken, aber auch das ist hier normal. Von diesen kurzen Stopps abgesehen machte der Bus keine Pause, und allmählich hätte ich mal eine Toilette gebrauchen können. Irgendwann fuhren wir dann in einen Hof, wo Baumaterialien lagen und unser Fahrer und die Männer im Hof fingen an, den Stacheldraht auszuladen. Die anderen Fahrgäste stiegen aus und ich folgte ihnen in der Hoffnung, dass es vielleicht ein stilles Örtchen gäbe. Eine ältere Frau, die im Bus neben uns saß, hatte sich auf eine Bank gesetzt und winkte mich zu sich. Ich dachte, sie wartet vielleicht auch am WC, da dort einige Türen im Gebäude waren, aber nichts tat sich und irgendwann bedeutete ich ihr, dass ich mal müsste. Also stand sie auf, winkte mir, mitzukommen und ging hinten hinaus aus dem Hof, wo ein Wäldchen lag. Dort waren allerdings einige Männer am Arbeiten, also gingen wir wieder hinein, wo eine kleine Mauer stand. Ohne Umschweife kauerte die Frau sich dahinter und verrichtete ihr Geschäft, und da ich vermutete, dass sich keine bessere Gelegenheit mehr bietet, tat ich es ihr einfach gleich und kauerte mich daneben – Problem gelöst. Zurück im Hof winkte mich eine andere Frau aus dem Bus zu sich und fotografierte mich mit ihrem Handy. Dann noch ein Selfie mit uns beiden, und noch eins, und noch eins… Allmählich fragte ich mich, was sie mit all den Fotos machen wollte, aber da sie kein Englisch sprach, lachte sie nur über meine Frage. Zurück am Bus war inzwischen der gesamte Stacheldraht ausgeladen und die Fahrt ging weiter. Die Frau mit dem Handy zeigte mir zufrieden, wie sie unser Fotoshooting mittlerweile bei Facebook hochgeladen hatte… Gegen 16:30 Uhr kamen wir endlich in Kratie an. Unser Guesthouse war in Laufweite von der Bushaltestelle am Zentralmarkt, mit einer großen Terrasse, von der aus man wunderschöne Sonnenuntergänge über dem Mekong sehen konnte wie den, von dem ich im letzten Beitrag geschrieben hatte (ein Foto davon findet ihr in unserem Weihnachtskalender).
Unser Ausflug zu den Süßwasserdelphinen – dem Grund für unseren Stop in Kratie – war eine Kayaktour auf dem Mekong. Außer uns waren noch drei anderen Touristen dabei, ein Pärchen aus England und eine Tschechin. Wir trafen uns früh am Büro des Veranstalters, wo wir frischen Kürbiskuchen und Kaffee bekamen und unsere Sachen in wasserdichte Säcke packten. Dann fuhren wir auf der Ladefläche eines kleinen LKWs, wo auch die Kayaks lagen, etwa 20 km stromaufwärts, wo wir unseren Guide trafen und lospaddelten.
Zuerst ging es über den Fluss in ein Gebiet kleiner Inseln, wo wir nach etwa einer Stunde an einem sandigen Strand anlegten, einen Snack aus Klebreis und einer Art Lychees aßen und im Mekong baden konnten. Die Strömung war an dieser Stelle nicht ganz so stark und das erstaunlich flache Wasser hatte eine sehr angenehme Temperatur. So erfrischt bewegten wir uns dann weiter flussabwärts durch ein Gebiet, das „floating forest“ genannt wird, weil dort riesige Bäume mitten im Fluss stehen. Die Landschaft war wunderschön, aber die Strömung war sehr stark und wir hatten alle Hände voll zu tun, dem Guide zu folgen.
Als wir den schwimmenden Wald hinter uns ließen, kamen wir wieder auf den offenen Mekong. Unser Guide, der ein Kayak mit der Tschechin teilte, paddelte mühelos voraus; die beiden Engländer, die zuhause öfter kayaken gingen, wie sie uns erzählten, hatten auch keine Schwierigkeiten, aber uns war es kaum möglich, seitlich zur Strömung des riesigen Flusses mit den anderen mitzuhalten. Egal wie sehr wir uns anstrengten, der Abstand zum Rest der Gruppe wollte einfach nicht schrumpfen. Irgendwann hielten sie an, weil plötzlich ein paar Delfine auftauchten. Es gibt sie also wirklich, auch wenn ihre Art vom Aussterben bedroht ist – in Kambodscha leben noch etwa 80 Tiere, einige weitere in Laos, und einige in Myanmar. Viel mehr als eine Rückenflosse hier und da sah man aber nicht von ihnen und niemandem gelang es, ein Foto zu schießen. Der Guide und die Engländer paddelten ihnen hinterher quer zurück über den Fluss in Richtung des anderen Ufers, aber die Strömung war so stark, dass wir nicht noch einmal bis dorthin wollten, zumal wir ja sehr wahrscheinlich wieder am selben Ufer anlegen würden, wo wir eingestiegen waren. Leider wussten wir nicht, an welcher Stelle wir schließlich an Land gehen würden, also blieb uns nichts anderes übrig, als durchzuhalten, gegen die Strömung anzupaddeln, damit wir nicht abgetrieben wurden, und auf den Guide zu warten, der inzwischen so weit weg war, dass wir nicht einmal mehr hätten rufen können. Toller Guide, uns einfach in der Mitte des Mekong zurückzulassen. Nach einer endlos scheinenden Weile kamen die anderen schließlich irgendwann zurück und wir paddelten ans Ufer, wo die Tour endete. Wir wurden samt Kanus wieder auf den LKW geladen und fuhren zurück nach Kratie, wo wir erst einmal ein Nachmittagsschläfchen halten und uns ausruhen mussten. An diesem Nachmittag goss es in Strömen und wir waren echt froh, dass unsere Tour schon vorbei war; das hätte dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt.
Von Kratie aus fuhren wir nach Banlung ganz im Nordosten Kambodschas. Andere hatten uns erzählt, dass es dort einen vulkanischen Kratersee geben sollte, den wir gern sehen wollten. Die mit fünf bis sechs Stunden angegebene Fahrt endete schon nach vier an einem Busbahnhof im vermeintlichen Nirgendwo, wo natürlich schon geschäftstüchtige Tuktukfahrer auf Kundschaft warteten. Laut MapsMe waren wir noch 30 km von Banlung entfernt; das sah nach einer teuren Fahrt aus. Ein kanadisches Paar – außer uns die einzigen Ausländer im Bus – war einverstanden, ein Tuktuk mit uns zu teilen. Am Ende haben wir jeder nur einen Dollar für die Fahrt bezahlt, da es dann nur drei Kilometer waren; da hat MapsMe uns tatsächlich mal im Stich gelassen.
Banlung ist ein sehr kleiner Ort, der im Prinzip aus nicht vielmehr als einem Kreisverkehr mit ein paar Häuserblocks drumherum und einem Markt besteht; in zehn Minuten ist man mit dem Fahrrad von einem Ortsende zum anderen gefahren. Entsprechend ist das Touristenaufkommen dort auch eher gering, aber wir trafen trotzdem gleich am ersten Abend einige Ausländer. In unserem Guesthouse sahen wir einen Argentinier wieder, den wir schon in Kratie getroffen hatten, und er war gerade auf dem Weg zum Abendessen mit zwei Französinnen und einer Holländerin, die sich alle dort kennengelernt hatten; also schlossen wir uns an. Es war ein sehr lustiger Abend in einem Restaurant namens Green Carrot, und dort trafen wir noch zwei weitere Leute, einen Holländer und einen Portugiesen. Letzterer, Miguel, erzählte uns, dass er an dem Tag durch die Gegend geradelt und von einem Einheimischen auf etwas zu trinken eingeladen worden war. Der Mann war Englischlehrer und Miguel hatte ihm versprochen, am nächsten Tag in seine Schule zu kommen, um mit den Kindern Englisch zu sprechen. Da weitere Ausländer sehr willkommen wären, schloss ich mich am nächsten Tag spontan an und es sollte ein sehr interessanter Tag mit Miguel werden.
Kathrin machte einen faulen Tag im Guesthouse und schlief aus; das muss auch mal sein. Ich frühstückte mit Miguel in einem kleinen Einheimischen-Restaurant, wo wir ein riesiges Baguette mit Omelette und Kaffee für zwei Dollar bekamen. Danach gingen wir zu einer Geldwechselstube und tauschten Dollar in Riel, da in Banlung fast alles in Riel bezahlt wird. So ausgestattet liefen wir dann zum Markt, kauften eine Packung Stifte als Geschenk für die Schule und besorgten mir dann ein Leihfahrrad von dort, wo Miguel seines auch her hatte.
Die „Schule“ war ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Im Garten eines Wohnhauses an einer staubigen Piste, unter einem einfachen Dach auf vier Stelzen, unterrichtete ein junger Kambodschaner Englisch. Die Schüler gehen morgens zu ihrem regulären Unterricht in eine nahe gelegen Schule, und wenn dieser gegen elf Uhr endet, kommen sie für zwei Stunden in die Englischschule. Danach fahren sie wieder in die richtige Schule und haben dort nachmittags noch einmal Unterricht. Die Schüler waren zwischen zehn und achtzehn Jahren alt und ziemlich schüchtern, aber gleichzeitig auch sehr neugierig. Sie hatten viele Fragen, die sie aber alle dem Lehrer stellten, der sie dann übersetzte. Wir übten gemeinsam ein paar einfache Dinge wie Farben, Zahlen und Monatsnamen, Aussprache usw. Es machte trotzdem sehr viel Spaß; die Schüler waren sehr motiviert und aufmerksam, aber wie viel ihnen unser kurzer Besuch am Ende gebracht hat, ist schwer zu sagen.
Nachmittags im Guesthouse unterhielten wir uns lange mit Mr. Jip, dem Vater des Inhabers, einem Mann von 71 Jahren, der sehr gut Englisch sprach und uns seine sehr bewegte Lebensgeschichte erzählte. Geboren in einem anderen Landesteil musste er schon als Kind sein Zuhause verlassen, um in die Schule gehen zu können, denn in seinem Dorf gab es nur eine Grundschule. Danach lebte er unter der Woche in einem Kloster zusammen mit fünfzehn anderen Kindern, von wo aus er es nicht so weit zur Sekundarschule hatte. Die Oberstufe besuchen konnte er allerdings nicht, denn das ging damals nur in Phnom Penh und dafür hatten seine Eltern kein Geld. Er arbeitete dann in einer französischen Kautschukfirma im Labor, musste die Arbeit aber nach einigen Jahren aufgeben, da er davon Asthma bekam. Dann kam der Krieg, in dem er seine Frau und seine beiden Kinder bei einem Bombardement verlor, und nach dem Krieg kamen die Roten Khmer. Da er als Laborant Angst um sein Leben hatte und einige seiner Freunde ermordet wurden, floh er aufs Land. Dort musste er einige Zeit Reis anbauen, bekam dann aber eine Arbeit als Kuhhirte zugeteilt, als sein Asthma zu schlimm für die Feldarbeit wurde. Eines Tages, erzählte er, schrieb er aus Langeweile, während er die Kühe hütete, mit einem Stock einige Zeilen in den Sand; doch jemand beobachtete ihn dabei und meldete ihn bei den Roten Khmer, wo er daraufhin beim Bezirksleiter vorsprechen musste. Er hatte große Angst, denn Intellektuelle, und überhaupt jeder, der lesen und schreiben konnte, wurden ja als Feinde des Regimes gesehen. Der Bezirksleiter verhörte ihn und diktierte ihm dann etwas zum Schreiben. Mr. Jip hatte Glück – anstatt ihn hinrichten zu lassen, machte der Bezirksleiter ihn zu seinem Sekretär… Er wurde, wie so viele seiner Landsleute, zwangsverheiratet mit einer Frau, die die Khmer Rouge für ihn aussuchten, und nach dem Untergang des Regimes verließ sie ihn. Er kehrte zurück in die Kautschukfirma und arbeitete dort in der Buchhaltung, aber sein Asthma wurde immer schlimmer. Die Tochter seiner Nachbarn, neunzehn Jahre jünger als er, kümmerte sich um ihn, woraufhin ihre Eltern sie zur Heirat drängten. Sie bekamen vier Kinder und sind noch heute verheiratet. Mr. Jip brachte es zu etwas Wohlstand, als er einen Hektar Land kaufen und bewirtschaften konnte. Über die Jahre vergrößerte er sein Land auf sieben Hektar, baute Mangos, Kautschuk und anderes an und hielt sogar vierzig Kühe. In seinen Sechzigerjahren wurde das Asthma dann so schlimm, dass er gar nicht mehr arbeiten konnte, aber er hatte wieder Glück. Ein alter Freund, der während des Khmer-Rouge-Regimes nach Frankreich geflohen war, kehrte nach Kambodscha zurück und besuchte ihn. Er war Arzt und gab ihm Spritzen, die ihn von seinem Leiden befreiten. Heute hat er kaum noch Beschwerden. Dafür kam ein neuer Schicksalsschlag. Die korrupte Regierung seines Landes zwang ihn, sein ganzes Land für magere 3.500 Dollar an vietnamesische Investoren zu verkaufen. In Ostkambodscha gehört ein Großteil des Landes Vietnamesen und Chinesen; selbst der Strom kommt aus Vietnam (und fällt öfter mal aus, dann wird die ganze Stadt plötzlich dunkel). Mit dem übrigen Geld half Mr. Jip schließlich seinem Sohn, das Guesthouse zu eröffnen, in dem wir nun übernachteten. Zuletzt hatte er mit seiner Frau auf einer Maniokplantage gearbeitet. Er erzählte, dass es sehr anstrengend gewesen sei; von morgens bis abends hätten sie in der prallen Sonne schuften müssen. Nun leben und arbeiten sie in dem Guesthouse; er kümmert sich um die Gäste und seine Frau kocht. Erst zu Beginn dieses Jahres hat er begonnen, Englisch zu lernen, und nun unterrichtet er jeden Tag jüngere Nachbarn, die zu ihm kommen. Wir waren alle sehr beeindruckt von seiner Geschichte.
Am späten Nachmittag fuhren Miguel und ich zu einem Tempel auf einem Hügel am Stadtrand, von wo aus man einen tollen Sonnenuntergang über der hügeligen, grünen Landschaft sehen konnte.
Danach wollten wir Kathrin das Restaurant zeigen, wo wir gefrühstückt hatten; entdeckten aber auf dem Weg dorthin noch ein anderes, das definitiv nur von Einheimischen frequentiert wurde, also änderten wir spontan unseren Plan und gingen hinein. Verunsicherte Gesichter begrüßten uns, und als wir uns dann tatsächlich auch noch an einen Tisch setzten, wurde die Mimik leicht panisch. Aber was soll man sagen, die handgeschriebene Speisekarte hatte auch eine englische Übersetzung, also rechneten sie ja anscheinend schon damit, dass sich ab und zu mal ein paar Ausländer dorthin verirren. Und das Essen war so gut! Gemüse in süßsaurer Sauce, Hühnchen mit einem grünen Gemüse, gebratenes Gemüse und Fisch in Lemongrass-Sauce – letzteres war so gut, dass wir noch einen Teller davon bestellten, dazu ein riesiger Topf Reis und gratis Tee, soviel wir wollten. Am Ende waren wir pappsatt für drei Dollar pro Nase, und es war das beste Essen, das wir in Kambodscha gegessen haben.
Miguel reiste am nächsten Tag ab, ebenso wie alle anderen aus unserer Runde vom ersten Abend. Wir unternahmen in den darauffolgenden Tagen Fahrradausflüge in die hügelige Umgebung von Banlung. Der Yeak Loam-Kratersee war wie ein Relikt aus Urzeiten; ein fast kreisrunder, mehr als 50 Meter tiefer See umgeben von einem dichten Dschungel. Wir spazierten einmal um den See herum, vielleicht reichlich zwei Kilometer und ließen uns dann auf einem der hölzernen Docks, nieder, die an mehreren Stellen in den See hineingebaut waren und von wo aus man baden konnte. Wir hatten ein Dock ganz für uns allein und das Wasser war entgegen unserer Befürchtungen von einer sehr angenehmen Temperatur, vielleicht 25 Grad; genau richtig zum Baden. Wir schwammen ein bisschen herum und picknickten dann unsere früh auf dem Markt gekauften Bananen und Klebreisstangen in Bananenblättern.
Heiligabend radelte ich allein zu zwei Wasserfällen, was eine sehr abenteuerliche Fahrt war. Von der asphaltierten Hauptstraße ging es auf eine Seitenstraße, die den Anschein machte, als wäre sie vor dreißig Jahren asphaltiert und seitdem nie erneuert worden. Nach einer Weile kam noch eine Menge Sand dazu und irgendwann endete der Asphalt ganz und wich roter Sandpiste. Diese bekam mit der Zeit noch Waschbrett-Rillen, Schlaglöcher so groß wie Badewannen, Steine und Flussrinnen – bei Regen muss diese Straße absolut unbefahrbar sein, aber es ist ja Trockenzeit, hurra.
Für die zehn Kilometer bis zum ersten Wasserfall brauchte ich fast eine Stunde, war aber fast genauso schnell wie eine Gruppe Ausländer auf Motorrädern, die mich zwischenzeitlich überholten. Die Wasserfälle waren beide ganz schön und die Motorradfahrer luden mich noch zu einem kleinen Picknick ein, bevor wir uns auf den Rückweg machten. Zurück im Guesthouse war ich so dreckig wie noch nie; von Kopf bis Fuß mit rotem Staub bedeckt – selbst jetzt, fast eine Woche später, finde ich noch Sandrückstände in meinen Nagelbetten…
Abends aßen wir im Guesthouse, skypten mit unseren Familien und gingen dann schlafen. Das war’s mit Weihnachten. Geschenkt haben wir uns nichts, denn an materiellen Dingen brauchen wir nichts, was wir nicht ohnehin schon dabei haben, und für eine richtige Feier waren wir nicht in Stimmung – zu warm, zu hell, fehlende Dekoration in den Fenstern; nichts kündete von Weihnachten, also hatten wir auch nicht das Gefühl, etwas zu verpassen.
Am 1. Feiertag, was für uns ein ganz normaler Tag war, radelten wir zu einem anderen Wasserfall, wo man angeblich im Lichte der Nachmittagssonne einen runden Regenbogen sehen kann. Die Fahrt dorthin stand der vom Vortag in nichts nach, außer dass es von der Hauptstraße direkt auf die Sandpiste ging. Leider war es etwas bewölkt, sodass wir den Regenbogen nicht sahen, aber dafür konnte man ein Stück weit hinter den Wasserfall gehen, was auch sehr schön war. Unterwegs winkten uns viele Kinder und riefen ‚hello‘; außerdem sahen wir zahlreiche Hundewelpen und Ferkel, Kautschukplantagen und kleine Holzhütten, die reinste Landidylle (zumindest auf den ersten Blick, bis man über die Lebensbedingungen der Menschen dort nachdenkt).
Am 26. Dezember, einen Tag bevor unser Visum offiziell endete, fuhren wir mit einem Minibus von Banlung mit Umstieg in Stung Treng nach Laos. Der Umstieg fand an einer Tankstelle außerhalb des Ortes statt, wo wir abgeladen wurden und warten sollten. Die Wartezeit hätte irgendwas zwischen einer und drei Stunden betragen können, aber wir hatten Glück, es war nur eine. Von Stung Treng war es nur noch eine Stunde Fahrt bis zur Grenze.
Und damit endete unser Monat in Kambodscha. Hatten wir zuerst nicht erwartet, das 30-Tage-Visum überhaupt auszuschöpfen, mussten wir am Ende feststellen, dass wir vieles, was uns noch interessiert hätte, gar nicht geschafft haben. Unser Fazit ist, dass Kambodscha nichts als eine positive Überraschung war. Die Menschen waren sehr freundlich, aber nicht aufdringlich; die Sehenswürdigkeiten waren beeindruckend, die Natur wunderschön, das Essen lecker und das Herumreisen einfach – definitiv ein Land für einen zweiten Besuch.