Der Erde so nah – Ausflug nach White Island

Kleiner Hinweis vorab: wir waren heute ganz besonders fleißig und haben ganze drei (in Worten: drei) Beiträge hochgeladen. Dies hier ist Nummer drei, das heißt, darunter finden sich noch zwei weitere neue („Versteckte Wahrzeichen…“ und „Vom Schicksalsberg…“). Viel Spaß beim Lesen!

26. Juli 2017, Auckland

Bei Sonne (!) fuhren wir am nächsten Tag weiter die Küste entlang. Vor uns lag die riesige Bay of Plenty, die mit wunderschönen Stränden und Vistas bestach wie eigentlich jede Küstenregion Neuseelands. Wir gönnten uns sehr leckeren Fish & Chips (K) bzw. nur sehr leckere Chips (B) im kleinen Ort Opotiki, und nutzten endlich wieder einmal die modernen Segnungen des Internets für ein paar Reiserecherchen an einer der umfunktionierten Telefonzellen, die jetzt als Wlan-Hotspots dienen. Danach machten wir uns noch auf den Weg in die nächstgrößere Stadt Whakatane, überlegten es uns aber nach ein paar Kilometern anders, als wir die traumhaften Strände sahen. Stattdessen verbrachten wir dann lieber den Rest des Tages am Strand und telefonierten ein bisschen herum wegen einer Tour nach White Island, die wir für den nächsten Tag buchen wollten. Leider war sie schon ausgebucht und so mussten wir uns mit dem übernächsten Tag zufrieden geben, für den die Wettervorhersage schon wieder eher entmutigend war. Wir überlegten, stattdessen eine Reittour am Strand zu machen, aber aufgrund des vielen Regens der letzten Tage fanden keine statt, wie man uns auf dem Campingplatz sagte. Völlig unverhofft erhielten wir am Abend aber einen Anruf vom Veranstalter der White Island Tour, dass wir nun doch schon am nächsten Tag mitfahren könnten, umso besser, auch wenn das zeitiges Aufstehen bedeutete, da wir ja noch eine Stunde Fahrt nach Whakatane vor uns hatten.

White Island ist eine Insel etwa 50 km vor der Küste in der Bay of Plenty und gleichzeitig der östlichste Gipfel auf der Vulkanlinie, die unter der Nordinsel verläuft. Das Besondere an diesem etwa 700 Meter hohen Vulkan ist, dass der größte Teil unter dem Meeresspiegel liegt und nur der Krater mit seinem bis zu 300 Meter hohen Rand aus dem Wasser schaut. Das Boot legt also direkt auf Höhe des Kraters an – bequemer kann man kaum auf einen Berg steigen. 😉

White Island ahoi!

Die Überfahrt von Whakatane dauert etwa anderthalb Stunden bei halbwegs ruhiger See, die wir glücklicherweise hatten. Die Sonne wärmte uns trotz der steifen Brise und die einzigen Wölkchen am Himmel waren die, die aus dem Vulkan aufstiegen. Da die Tour extrem wetterabhängig ist und die Vorhersage für den nächsten Tag schon wieder schlechter war, hatte sich der Veranstalter entschieden, mit zwei Booten zu fahren und die Leute, die wie wir eigentlich keine Plätze mehr bekommen hatten, umzubuchen, wenn sie damit einverstanden waren. Wir waren nicht die einzigen, die auf diese Weise einen Tag vorgerutscht waren. Glück gehabt.

Zu Beginn der Bootsfahrt verteilte die freundliche Crew kleine braune Tüten an einige seekranke Passagiere, gegen Ende gab es Helme und Gasmasken für alle – White Island ist ein aktiver Vulkan, durch dessen Krater wir in ein paar Minuten laufen würden…

Ankunft am ‚einladenden‘ Strand von White Island

Die beiden Boote ankerten ein Stück vor dem alten Pier, einst für die Schwefelmine auf der Insel errichtet, und von dort wurden wir in mehreren Gruppen mit einem Gummiboot an Land gefahren. Jede Gruppe war mit einem eigenen Guide unterwegs und wir erhielten, kaum dass wir an Land waren, erst einmal eine gründliche Einweisung. Die oberste Regel lautete, immer genau hinter dem Guide herzulaufen und nicht vom Weg abzukommen, da der Boden im Krater an vielen Stellen nur wenige Zentimeter dick ist – zu erkennen an so genannten heat bumps, von einer dünnen Kruste überzogenen Wölbungen im Boden, wo man sehr leicht einbrechen würde. Jeden Tag werden drei bis vier Erdbeben auf der Insel verzeichnet, meist für Menschen nicht spürbar. Da der Vulkan aber auch jederzeit ohne Vorwarnung ausbrechen kann, wobei er meist nur Asche und etwas Geröll spuckt, erklärte unser Guide uns auch, wo wir im Falle eines Ascheregens oder Erdrutsches am Kraterrand Schutz suchen bzw. wie wir die Insel im Ernstfall schnellstmöglich wieder verlassen würden. Sonderlich gefährlich scheint es aber trotzdem nicht zu sein; nach dem letzten größeren Ausbruch vor 17 Jahren wurden die Touren schon zwei Tage später wieder aufgenommen, wobei die Teilnehmer damals durch die knietiefe Asche wie durch Schnee stapften mussten, und auch unser Guide erzählte, wie sie erst kürzlich eine Gruppe vor einem Hangrutsch in Sicherheit bringen musste – kein Grund, die Tour vorzeitig abzubrechen. Am Ende dieser motivierenden Einstimmung ließ sie noch eine große Box mit Bonbons herumgehen, aus der wir uns kräftig bedienen sollten – die beim Lutschen entstehende Flüssigkeit bildet im Rachen einen Film, der gegen die Reizung durch das Schwefelgas hilft. Ansonsten konnten wir auch jederzeit ein paar Züge durch die Gasmaske nehmen, wenn es mit der Luft mal knapp werden sollte.

Und dann liefen wir los, vorbei an roten und gelben Felswänden, kochenden Fumarolen (Spalten, aus denen Wasserdampf mit einer Temperatur von 180 bis 600°C aufsteigt), trügerisch solide wirkenden heat bumps und über ominös dampfende Bäche, immer mit leicht erhöhtem Puls, ob es denn plötzlich eine Eruption geben könnte. Es gibt wohl kaum einen Ort, an dem man sich dem Mittelpunkt der Erde näher fühlt als hier – die Magmakammer liegt an manchen Stellen nur 500 Meter unter der Krateroberfläche.

Nach ein paar hundert Metern erreichten wir einen Absatz oberhalb des Kratersees, den am weitesten vom Hafen entfernten Ort unserer Tour. Der See war sehr flach und lag ein ganzes Stück unterhalb unseres Standortes, aber laut unserem Guide war das nicht immer so gewesen. Nur wenige Jahre zuvor hatte der Pegel so hoch gestanden, dass der See fast über den Rand schwappte und den Boden dort mit so saurem Wasser tränkte, dass es den Guides die Sohlen von den Schuhen löste. Manche Bäche im Krater haben einen PH-Wert unter Null (-0.4 oder sogar -0.6, wenn wir das richtig verstanden haben), ein Vielfaches von Batteriesäure. Die Guides, die jeden Tag dort herumlaufen, brauchen etwa alle drei Monate neue Schuhe, und für die Touristen gibt es am Hafen ein Schuhwaschbecken. Nichtsdestotrotz konnten wir aus einem weniger sauren Bach sogar einmal das Wasser kosten, es schmeckte sehr metallisch, und eine chinesische Familie und ich gönnten uns gleich noch eine kostenlose Schlammpackung für samtweiche Hände. Selbst der Niederschlag auf der Insel ist sauer, da er durch den vulkanischen Dampf fällt, vor allem wenn es nieselt und die Tröpfchen entsprechend langsam unterwegs sind. Den Guides bleicht es dadurch mit der Zeit sogar die Kleidung.

Eine andere Gruppe steht am Rand des Kratersees.

Dampfende Bäche…

…dampfende Spalten…

…und überall stinkt es nach Schwefel…

…aus den zahlreichen Fumarolen.

Am Ende der Tour besichtigen wir noch die Überreste der alten Schwefelfabrik, die hier samt ihren Arbeitern einige Jahrzehnte den extrem widrigen Bedingungen getrotzt hatte. Die Arbeitsplätze waren gut bezahlt aber sehr gefährlich. Von der ersten Zwölfergruppe Männer, die auf die Insel kamen um Schwefel abzubauen, starb einer bei der Explosion eines Schwefeltanks, einer begang Selbstmord indem er sich in den Kratersee stürzte, und die restlichen zehn wurden im Schlaf von einem Erdrutsch verschüttet. Am längsten hielt ein Mann durch, der acht Jahre lang seinen Vertrag immer wieder verlängerte und der wohl trotzdem danach noch ein langes Leben bei bester Gesundheit genoss. Am kürzesten hingegen war ein anderer Arbeiter dort, der sich beim Anblick der Insel an den Schiffsmast kettete und sich weigerte, von Bord zu gehen – selbst wir waren länger dagewesen. Man muss aber auch fairerweise sagen, dass in der Stellenbeschreibung von Arbeit auf einer pazifischen Insel die Rede gewesen war, was im Grunde genommen zwar stimmte, aber vielleicht doch falsche Vorstellungen geweckt hatte. Man sollte also immer das Kleingedruckte lesen.

Verrosteter Schwefeltank

Wir wuschen unsere Schuhe in den bereitgestellten Becken am Pier und wurden mit dem Gummiboot wieder zurück an Bord gebracht, begeistert und überwältigt, und vielleicht auch ein kleines bisschen erleichtert (oder in einigen Fällen enttäuscht), dass der Vulkan nicht ausgebrochen war, während wir durch seinen Krater stapften. Auf der Rückfahrt gab es eine Lunchbox für jeden und der Skipper machte noch ein paar Stopps entlang einiger Felsen vor der Insel, auf denen sich Robben sonnten.

Der Ausflug nach White Island war definitiv ein Highlight, das wir so schnell nicht vergessen werden. Und als es am nächsten Tag schon wieder grau und regnerisch wurde, waren wir umso glücklicher, dass uns dieser eine Sonnentag vergönnt gewesen war.

Vom Schicksalsberg zum ersten Tageslicht

24. Juli 2017, Muriwai

Nach einer nebelfeuchten und entsprechend kühlen Nacht in Taumarunui erkundigten wir uns am nächsten Morgen im Informationszentrum nach der Wettervorhersage, die  zu unserer Überraschung ausnahmsweise einmal richtig gut war, zumindest für diesen Tag, also nichts wie ab in den Tongariro-Nationalpark. Dieser besteht im Wesentlichen aus drei Vulkanen: Ruapehu – ein alpines Bergmassiv, an dessen Hängen die einzigen Skigebiete der Nordinsel liegen; auch der Vulkan mit dem schönsten Namen von den dreien. Dann Ngauruhoe – definitiv der Gipfel mit dem am schwierigsten auszusprechenden Namen, dafür ein Vulkan wie aus dem Bilderbuch: ein perfekter Kegel aus Asche und Schnee, ein Gugelhupf aus dunkler Schokolade mit Zuckerguss. In „Herr der Ringe“ stellt er den Schicksalsberg dar, in dem der Ring der Macht seinen Anfang und sein Ende findet. Und schließlich Tongariro, Namensgeber des Nationalparks – wüsste man nicht, dass er auch ein Vulkan ist, würde man diesen braunen Erdhaufen wahrscheinlich keines Blickes würdigen. Vielleicht hat man deshalb den Park nach ihm benannt, quasi als Trostpflaster. Oder, weil er in der Maori-Mythologie als Sieger aus einer Vier-Vulkane-Schlacht hervorging und die schöne Vulkanin Pihanga am Ufer des Lake Taupo für sich gewann. Einer seiner Widersacher war dabei übrigens Taranaki, der sich nach seiner Niederlage in den Westen der Nordinsel verzog und sein Antlitz bis heute aus Scham meistens in Wolken hüllt, was erklären würde, warum wir ihn nur einmal ganz kurz gesehen haben.

Ruapehu

Ngauruhoe/Schicksalsberg (rechts) und Tongariro (links)

Tongariro Nationalpark: bitte keine Kiwis überfahren

Vom Dörfchen Whakapapa, das eigentlich nur aus touristischer Infrastruktur besteht, wanderten wir entlang eines kleinen Flusses durch den Wald und dann über das Hochplateau zu den Taranaki Falls. Die Sonne lachte und bescherte uns traumhafte Aussicht über die endlose Ebene zu den drei Vulkanen. Wo ihre Strahlen hinschienen, war es angenehm warm, aber die Stellen, die sie nicht erreichte, waren selbst nachmittags noch von einer Eisschicht überzogen. Da es auch eine entsprechend kalte Nacht zu werden versprach, waren wir nicht böse, auf dem Parkplatz eines Motels in Ohakune am südlichen Ende des Nationalparks übernachten zu können, wo wir den Abend im kaminbeheizten Aufenthaltsraum verbringen durften und sogar das Bad beheizt war. Wir unterhielten uns den ganzen Abend mit einem älteren neuseeländischen Herren, der auf Dienstreise in der Gegend war, und einer jungen Frau aus Argentinien, die ein Work&Travel-Jahr hier verbringt und gerade in einem Hotel an der Rezeption arbeitet.

Taranaki Falls

Neben dem Tourismus lebt Ohakune von der Landwirtschaft. Die Karotten gedeihen hier so gut, dass man ihnen ein Denkmal gesetzt hat (kein Scherz).

Der nächste Tag brachte schon wieder Regen, der oben auf den drei Vulkanen sicherlich als Schnee fiel – wir sahen jedenfalls überhaupt nichts von ihnen, sie waren völlig in den Wolken verborgen, als wir im Osten an ihnen vorbei auf der Desert Road fuhren, auf der man zwischenzeitlich wirklich meint, in der Wüste zu sein, so karg ist dort die Landschaft.

Am Ende der Desert Road liegt der Lake Taupo, der größte See Neuseelands und eigentlich der kollabierte Krater eines riesigen Vulkans, der zuletzt vor etwa 27.000 Jahren ausgebrochen war. Er liegt auf einer Verwerfungslinie, die sich quer durch die Nordinsel vom Taranaki im Westen bis zu White Island im Osten zieht, und damit waren wir nun mitten im Herzen der vulkanischen Aktivität angekommen. In Tokaanu im Süden des Taupo-Sees besuchten wir ein Geothermalgebiet mit dampfenden Bächen, brodelnden Teichen und spuckenden Schlammlöchern, und über allem waberte der schwefelige Gestank fauler Eier. Auch auf der Fahrt entlang des Sees trat an vielen Stellen Dampf aus der Erde, einfach mitten auf der Wiese. Stellenweise gab es sogar Dampf-Warnschilder am Straßenrand. Vielerorts sah man riesige Metallrohre, die zu den Erdwärme-Kraftwerken gehörten, mit denen dort Energie erzeugt wird.

Lake Taupo

Eine weitere Sehenswürdigkeit der Region hing ebenfalls mit der Stromerzeugung zusammen. Am Aratiatia-Damm, wo Wasser für ein weiteres Kraftwerk gestaut wird, muss mehrmals täglich der Pegel ausgeglichen werden, damit der Stausee nicht überläuft. Das heißt, dass zu festgesetzten Zeiten jeweils eine Viertelstunde lang Wasser aus dem See abgelassen wird. In der dahinter liegenden Schlucht verwandelt sich der harmlos dahin plätschernde Bach daraufhin in Minutenschnelle in eine reißende Flut und dieses Spektakel kann man aus sicherer Entfernung von mehreren Aussichtspunkten aus beobachten. Wir waren so angetan, dass wir es uns am nächsten Tag noch einmal anschauten.

Aratiatia-Damm: vorher….

…. und nachher

Ein paar Kilometer oberhalb des Stausees liegt außerdem mit den Huka Falls der mächtigste, wenn auch bei weitem nicht höchste, Wasserfall Neuseelands. Obwohl er gerade einmal elf Meter hoch ist, führt er so viel Wasser, dass er innerhalb von 11 Sekunden ein olympisches Schwimmbecken füllen würde. All das schauten wir uns bei mehr oder weniger beständigem Regen an. Wasser von allen Seiten…

Huka Falls

Auch auf unserer Weiterfahrt nach Osten besserte sich das Wetter nicht wesentlich. Die Landschaft auf der Strecke nach Napier bestand aus steilen, grünen Tälern und (wie immer) kurvigen Straßen, aber es schüttete dermaßen, dass sich Anhalten gar nicht lohnte. In Napier konnten wir immerhin ein bisschen durchs Stadtzentrum spazieren, dass mit seiner Art Déco-Architektur sehr charmant ist, aber auf dem Campingplatz wateten wir rund um unser Auto durch den Matsch und waren schon froh, nicht einzusinken. Als uns der nächste Tag tatsächlich mal wieder ein paar Sonnenstrahlen bescherte, machten wir einen Abstecher nach Hastings mit noch mehr schönen Art Déco-Gebäuden und einer tollen Aussicht vom Te Mata Peak über die Hawke’s Bay, der wir dann den Rest des Tages entlang nach Osten folgten.

Napier

Aussicht vom Te Mata Peak über die Hawke’s Bay

Unser Ziel, den östlichsten Punkt Neuseelands, erreichten wir allerdings erst am nächsten Tag, nach einer Zwischenübernachtung in Wairoa, dessen Campingplatz uns wohl in erster Linie wegen des zahmen, zugelaufenen Kaninchens in Erinnerung bleiben wird, welches dort frei herum hoppelte und sich sogar streicheln ließ. Laut der Managerin war es eines Tages einfach aufgetaucht und geblieben. Auf der Weiterfahrt wollten wir eigentlich eine Badepause an einer heißen Quelle machen, aber es regnete schon wieder. Erst am Nachmittag klarte es auf, sodass wir uns noch auf zum Ostkap machten und dort mit einer tollen Aussicht vom Leuchtturmgelände aus über die Küste und das Meer im Abendlicht belohnt wurden. Hier geht die Sonne in Neuseeland als erstes auf, weshalb der höchste Berg der Gegend für die Maori heilig ist.

Aussicht vom Ostkap

Auch uns hätte etwas mehr Licht für die Fahrt genützt, denn die Straße zum Kap hatte es wirklich in sich. Schotter wechselte sich ab mit Schlamm und Baustellen, stellenweise war sie nur breit genug für ein Fahrzeug zwischen abrutschgefährdetem Hang auf der einen und Steilklippe ins Meer auf der anderen Seite. Wo keine unmittelbare Gefahr bestand, mit dem Auto baden zu gehen, musste man aufpassen, keine der freilaufenden Schafe, Kühe, Pferde und Hunde zu überfahren, die zu den vielleicht zwei Farmen entlang der gesamten Strecke gehörten. So konnte man für 20 km schon mal eine gute halbe Stunde einplanen, pro Richtung (dazu kamen noch die mehreren hundert Treppenstufen bis zum Leuchtturm), weshalb wir leider erst in der Dämmerung zurückfahren konnten. Ohne Tageslicht machen Schotterpisten echt keinen Spaß. Das Scheinwerferlicht ist nicht nur nutzlos zum rechtzeitigen Erkennen der Schlaglöcher, es irritiert auch die auf der Straße stehenden Kühe, die sich dann – buchstäblich wie das Reh im Scheinwerferlicht – erst recht nicht mehr von der Stelle bewegen. Da hilft dann nur Licht aus, ganz langsam anfahren und warten, dass sie den Hinweis irgendwann verstehen. Im Endeffekt erreichten wir Te Araroa, den letzten Ort vor dem Kap, erst in der Dunkelheit und fanden wieder einmal Unterschlupf auf dem Parkplatz eines Hostels – die Wiese wäre von all dem Regen der vorangegangenen Tage zu nass gewesen. Wir hofften darauf, irgendwann mal wieder Internet zu haben, um wenigstens einmal nach dem Wetter schauen zu können…

Versteckte Wahrzeichen, vergessene Welt

17. Juli 2017, Coromandel

In Masterton gab es nicht sonderlich viel zu sehen, doch das nahe gelegene Pukaha Wildlife Centre, ein Naturschutzzentrum, das sich für den Erhalt seltener neuseeländischer Tier- und Pflanzenarten einsetzt, warb mit einem weißen Kiwi(vogel) und klang auch sonst sehr interessant – nichts wie hin. Man konnte verschiedene einheimische Vogelarten in großen Volieren sehen, unter anderem in einer riesigen Freiflugvoliere. Zudem wurden mehrere interessante Vorträge zu den verschiedenen Tieren angeboten. Wir lauschten als erstes einem über das Tuatara, einer Echsenart, die es nur in Neuseeland gibt und deren Spezies schon vor den Dinosauriern auf der Erde lebte. Obwohl ein ausgewachsenes Tuatara kaum länger als ein menschlicher Unterarm ist, werden diese Tiere über einhundert Jahre alt.

Tuatara in seiner Höhle

Im Kiwihaus erfuhren wir sehr viel über Neuseelands bekanntesten Vogel. In freier Wildbahn haben Kiwis kaum noch eine Überlebenschance, da eingeschleppte Räuber wie Fuchskusus, Frettchen und Katzen sich entweder an den Eiern und/oder den frisch geschlüpften Küken gütlich tun. Sie sind dabei auch wirklich leichte Beute, denn bei Kiwis ist nur das Männchen für das Ausbrüten der Eier zuständig, und es lässt diese jede Nacht für einige Stunden allein, während es auf Futtersuche geht. Die Küken haben nach dem Schlüpfen genug Eidotter im Bauch, um einige Tage ohne Futter auszukommen und werden von ihren Eltern überhaupt nicht versorgt. So sind sie den Raubtieren schutzlos ausgeliefert. Die Kiwi-Rettungsprojekte laufen daher folgendermaßen ab: alle Kiwis tragen Sender und wenn ein Männchen brütet, machen es die Helfer mithilfe des Senders ausfindig und sammeln die Eier ein. Diese werden dann in der Auffangstation ausgebrütet und die Küken herangezogen, bis sie ein Gewicht von 1.200 Gramm haben – dann sind sie groß genug, um von den meisten Fressfeinden verschont zu bleiben und werden ausgewildert. Wer jetzt die Kiwi-Weibchen für Rabenmütter hält, dem sei gesagt, dass diese mit dem Eierlegen schon genug Arbeit haben: das Ei ist im Vergleich zum Muttertier so groß wie wenn Frauen ihre Kinder erst mit sechs Jahren auf die Welt brächten. Im abgedunktelten Gehege, da Kiwis ja nachtaktiv sind, lebte der weiße Kiwi mit seinen Gefährten. Der weiße Sonderling ist übrigens kein Albino – die weiße Farbe wird rezessiv vererbt wie beim Menschen blaue Augen. Jedenfalls freuten wir uns darauf, endlich Neuseelands Nationaltier zu sehen – so einen weißen Kiwi sollte man ja auch im Dunkeln bei Rotlicht noch erkennen. Dachten wir. Angestrengt spähten wir lange im Gehege umher. Vom weißen Kiwi keine Spur. Einzig einer seiner braunen Mitinsassen hockte schlafend, und daher mehr oder weniger zusammengerollt, in der Nähe der Glasscheibe. Nur seine Füße mit den großen Krallen waren zu sehen, sein Kopf war irgendwo im Federflaum versteckt. Nun gut, vielleicht später…

Schlafender Kiwi im Rotlicht

Am Nachmittag schauten wir bei der Fütterung der Aale zu, die frei im Fluss leben und die täglich die Reste des Kiwifutters bekommen. Sie brauchen es zwar nicht, aber es zieht die Besucher an, zumal Freiwillige in hohen Gummistiefeln in den Fluss steigen und die Aale mit Löffeln füttern dürfen. Ja, mit Löffeln. Nebenbei erfuhren wir so allerhand Wissenswertes über diese Tiere, die in den klaren Flüssen Neuseelands bis zu 90 Jahren alt werden können, wenn sie nicht die lange Reise zu ihren Geburtsstränden an pazifischen Inseln antreten um sich fortzupflanzen – eine Reise, an deren Ende sie vor Erschöpfung sterben. Obwohl die Zahl der Aale rapide zurückgeht, gibt die neuseeländische Naturschutzbehörde jährlich hunderte Tonnen Aal zum Fang frei, wovon das meiste billig nach Südkorea verkauft wird, wo es wiederum zu Hundefutter größtenteils für den US-amerikanischen Markt verarbeitet wird. Zweifelhafte politische Entscheidungen werden anscheinend überall auf der Welt getroffen…

Zwischendurch statteten wir noch mehrmals dem Kiwihaus einen Besuch ab, aber es änderte sich leider stundenlang nichts an der Situation. Der eine Kiwi schlief tief und fest, während sich die anderen beiden, darunter der weiße, weiterhin versteckten. Tja, Pech gehabt…

Am nächsten Tag fuhren wir in den westlichen Zipfel der Nordinsel zum Vulkan Taranaki. Dieser ist wegen seiner sehr symmetrischen Form berühmt und ziert zahlreiche Postkarten. Er doubelte sogar im Film „Der letzte Samurai“ den japanischen Fuji – leider wissen wir nicht, warum nicht einfach der echte Fuji im Film zu sehen ist, aber vielleicht ist seine Umgebung mittlerweile zu sehr bebaut um als historisches Japan durchzugehen. Das ist zumindest unsere Vermutung. Überhaupt konnten wir nur vermuten, denn der Taranaki war unsichtbar hinter einer dicken Wolkendecke und für die kommenden Tage gab es eine Unwetterwarnung wegen Niederschlag und Sturm. Zufälligerweise fanden wir einen günstigen Campingplatz mit beheizbarem Aufenthaltsraum in Hawera an den Ausläufern des Berges, wo wir zwei Tage lang das schlechte Wetter aussaßen und nur einmal zu einem Museumsbesuch und Einkauf unser Quartier verließen. Wir schauten uns das Ta Whiti-Museum an, das die Geschichte der Taranaki-Region auf besondere Art zum Leben erweckt. Angefangen hat wohl alles mit einem Kunstlehrer aus der Gegend, der in seiner Freizeit Figuren schnitzte und Modelle baute. Mit der Zeit sprach sich sein Talent herum und die Leute wollten seine Kunstwerke besichtigen. Heute füllt das Museum mehrere Hallen einer alten Milchfabrik. Einige der Figuren sind lebensgroß und die Gesichter sind plastische Abdrücke echter Menschen aus der Umgebung. Dazu gibt es noch zahlreiche „Puppenstuben“, in denen alles von landwirtschaftlichen Tätigkeiten über die Kriege der Maori (untereinander und mit den weißen Einwanderern) bis hin zum täglichen Leben der Einwanderer dargestellt wird – viel anschaulicher, als sich einfach alte Gerätschaften und Waffen anzuschauen.

Lebensgroße Puppenstube

Als das Wetter aufklarte, umrundeten wir den Taranaki – etwa 150 km mit dem Auto – und bekamen ihn sogar morgens einmal kurz zu sehen bevor er sich wieder in Wolken hüllte.

Der Taranaki in seiner ganzen Pracht

Wir fuhren auch zu den beiden Besucherzentren an der Ostflanke des Berges, die schon etwa auf halber Höhe lagen und unternahmen eine schöne kleine Wanderung durch einen sehr verwunschenen Wald zu den Dawson Falls. Allerdings war es eisekalt und windig und wir wurden immer wieder von Nieselregen vollgesprüht.

Der Märchenwald an den Hängen des Taranaki

Dawson Falls

Froh, ihn wenigstens am Vortag einmal kurz gesehen zu haben, ließen wir den Taranaki hinter uns. Vor uns lag der State Highway 43, der den Beinamen „Forgotten World Highway“ trägt: 155 km kurvige, bergige Straße, über steile, grüne Hügel, durch düstere Täler, entlang Wäldern und Schafweiden. Kaum eine Farm lag an der Straße, geschweige denn eine richtige Ortschaft.

Morgennebel…

… an den Ausläufern des Forgotten World Highway

Auf halber Strecke passierten wir Whangamomona, ein verschlafenes Nest, das sich einst aus Protest gegen eine neue Landkreiszuordnung zur Republik ausrief. Heute besteht der Ort aus nicht viel mehr als dem historischen Hotel, das neben warmen Mahlzeiten auch Pässe der Republik Whangamomona verkauft und jährlich einen Tag der Republik abhält.

Whangamomona

An anderer Stelle bremste uns wieder einmal eine Kuhherde aus, die auf eine neue Weide umzog. Zeitweilig gerieten wir sogar mitten hinein; Kühe links, rechts, vor und hinter uns, und einige lieferten sich genau vor unserer Motorhaube eine Rangelei. Wir wurden etwas blass bei dem Gedanken, wie wir diese Dellen dem Autovermieter erklären sollten, blieben aber von peinlichen Anrufen verschont, da die Kühe doch am Ende gerade noch ein Muh Müh Abstand hielten. Mittendrin statt nur dabei.

Einen Abzweig machten wir noch zu den Mt. Damper Falls, mit 78 Metern der höchste Wasserfall der Nordinsel, der am Ende eines langen Tales in eine mit Baumfarnen gespickte Schlucht stürzte.

Baumfarne

Mt. Damper Falls

Ein paar Ziegen kreuzten unseren Weg bevor der Asphalt endete und eine Schotterpiste die letzten Kilometer durch eine tiefe, von Urwald überwucherte Schlucht führte. Verständlich, warum diese Straße „Forgotten World Highway“ genannt und von der neuseeländischen Polizei zu den zehn schlechtesten des Landes gezählt wird. In der Dämmerung erreichten wir Taumarunui, den Ausgangspunkt zum Tongariro-Nationalpark, unserem nächsten Ziel.

Well, well, Wellington

10. Juli 2017, Opotiki

Da waren wir nun also Sonntag Nachmittag in Neuseelands Hauptstadt und es regnete und der Wind pfiff. Nicht gerade ideal für einen Stadtbummel, dafür aber für’s Museum. Da wir schon einmal im Auto saßen, fuhren wir nach Miramar, dem Stadtteil hinter dem Flughafen, wo es auf den ersten Blick nicht viel zu sehen gibt, aber in der Filmindustrie ist der Ort eine Legende. Hier liegen die Weta Studios, berühmt vor allem (aber nicht nur) durch Herr der Ringe und die Hobbit-Trilogie. Wir schlossen uns spontan einer Führung durch die Werkstatt an, wo Modelle aller Art für Filme aller Art gebaut werden – von außerirdischen Maschinengewehren über mittelalterliche Rüstungen bis hin zu lebensgroßen Referenzmodellen von Fabelwesen oder Robotern, alles bis ins kleinste Detail authentisch. Komplizierte Formen wie Zwerge, Trolle oder Drachen werden von Hand modelliert und dienen dann dem Regisseur sowie der Animationsabteilung bei Weta Digital als Vorlage. Für einfachere Gegenstände wie Gewehre hat man früher meist ein Modell von Hand entwickelt (wobei alle möglichen Teile verwendet wurden, die irgendwie cool aussahen, und wenn es eine Sprungfeder aus einem alten Kugelschreiber war), eine Silikonform davon angefertigt und dann das im Film benötigte Gewehr aus Harz gegossen und angemalt. Heute übernehmen oft 3D-Drucker diese Aufgabe (bis auf das Anmalen). Dieser Aufwand wird betrieben, da man Schauspielern weder echte Waffen noch Originalmodelle in die Hand geben kann – ersteres ist offensichtlich zu gefährlich und letzteres resultiert angeblich meist darin, dass sie die Modelle kaputt machen. Zuweilen fertigt Weta auch Modelle auf Wunsch für Privatkunden. Ein russischer Oligarch hat wohl mal ein Modell von King Kong für seinen Garten bestellt – in Originalgröße, das sind etwa sechs Meter. Er hält dort jetzt den Grill. Ein Neuseeländer, der auf der Nordinsel eine Art Meerschweinchen-Park besitzt (leider nicht der Öffentlichkeit zugänglich), hat eine Reihe Herr-der-Ringe-Figuren bestellt – als Meerschweinchen. Die Werkstatt hat ein paar Kopien behalten, die wir bei der Führung sehen konnten – lauter in etwa lebensgroße Meerschweinchenfiguren in Elbenmänteln, mit Pfeil und Bogen oder kleinen Schwertern, einfach goldig. 😀 Und apropos Schwerter: eine Sammlung von Herr-der-Ringe-Schwertern (natürlich Nachbauten) befindet sich im Besitz der Queen, die anscheinend ein Fan der Filme ist. Die Führung war super spannend, und danach stöberten wir noch lange durch den Shop und schauten uns im zugehörigen Kino eine Dokumentation über die Geschichte von Weta und seine zahlreichen Projekte an, von Xena über Teile der Marvel-Filme bis hin zu Avatar, und das alles im kleinen Neuseeland.

B vor dem Eingang der Weta Cave

Danach verließen wir Wellington erst einmal, da der nächstgelegene Campingplatz schon außerhalb der Stadt lag. Dort sagte man uns gleich, dass wir nur maximal zwei Nächte bleiben könnten, da der Platz danach wegen der Lions Tour ausgebucht sei. Die Lions sind ein Rugby-Team aus Großbritannien, das alle vier Jahre nach Neuseeland kommt, um drei Wochen lang gegen die hiesigen Mannschaften Freundschaftsspiele zu spielen. Dabei bringen sie jede Menge Fans aus dem Empire mit, die natürlich alle irgendwo übernachten wollen. Das bedeutete für uns, dass wir am darauffolgenden Tag alles, was wir uns in Wellington anschauen wollten, im Schnelldurchlauf machen oder in eine sehr viel teurere Unterkunft investieren mussten (die Hostels waren natürlich auch schon gut ausgebucht). Wir entschieden uns für Variante eins und fuhren am nächsten Tag mit dem öffentlichen Bus ins Stadtzentrum.

Als erstes erklommen wir den Mount Victoria, einen Berg inmitten eines Parks direkt in der Stadt, von wo man eine gute Sicht über die Stadt samt Hafen und Flughafen hatte. Das Wetter war uns hold und so spazierten wir danach noch durch den Park auf der Suche nach einem Herr-der-Ringe-Drehort. Leider war er auf unserer Karte an zwei verschiedenen Punkten eingetragen und die Beschilderung im Park war sehr dürftig (und es war ein sehr großer Park). Da wir uns uneins waren, trennten wir uns, was rückblickend eine dämliche Entscheidung war, denn wir fanden uns nicht wieder und hatten natürlich unsere neuseeländischen Handynummern auch nicht getauscht, sodass wir uns nicht einmal anrufen konnten. Nach einer halben Stunde des Umherirrens begegneten wir uns schließlich am Ausgangspunkt, dem Eingang zum Park, wieder und beschlossen, so etwas nicht wieder zu tun. (Ob wir den Drehort gefunden haben, sind wir uns übrigens nicht einmal sicher; wenn ja, gab es nicht mehr viel zu sehen, wie das meistens so ist.)

Wellington vom Mt Victoria

Zurück in der Zivilisation erlagen wir der Versuchung eines der zahllosen Restaurants (japanisch) und statteten dann dem Nationalmuseum einen Besuch ab. Das Museum ist sehr modern und riesengroß; auf fünf Etagen gibt es alle möglichen Ausstellungen von Erdgeschichte, Flora und Fauna Neuseelands, über Maori bis hin zu moderner Einwanderungspolitik des Landes, und das alles bei kostenlosem Eintritt. Dazu kann man noch einen Blick unter das Gebäude werfen, wo es als Erdbebenschutz auf hunderten Gummifüßen steht, die jeweils einen Kern aus Blei haben, welcher sich unter Druck verformt. Damit schwankt das Bauwerk im Falle eines Bebens nicht so stark.

Am späten Nachmittag fuhren wir noch mit der Cable Car, einer Art historischen Hang-Straßenbahn, hinauf zum Botanischen Garten, wo einheimische Papageien (Kakas) frei herumflogen und der Kräutergarten mit einer Überwachungskamera vor hungrigen Langfingern geschützt wurde (zugegeben, bei den Preisen im Supermarkt hätten wir auch gern mal in die Petersilie gegriffen…). Ziemlich erschöpft fuhren wir abends mit dem Bus zurück zum mittlerweile schon sehr gut gefüllten Campingplatz, wo es von enthusiastischen Rugby-Fans inzwischen nur so wimmelte.

Im Botanischen Garten

Und so verließen wir Wellington nach nur zwei Nächten schon wieder, was auch nicht schlimm war, da wir Städte immer ziemlich anstrengend finden, auch wenn es in diesem Fall eine sehr charmante und bunte Stadt war. Nur dem Campingplatz trauerten wir nicht nach; es war so ziemlich der teuerste und gleichzeitig am schlechtesten ausgestattete, der uns bisher untergekommen war.

Unsere Fahrt führte uns als erstes in den Kaitoke Regional Park, der für Herr-der-Ringe-Fans auch gleich noch als Rivendell auf der Karte eingetragen war. Wir unternahmen einen Spaziergang durch den wunderschönen Regenwald entlang eines Flusses, wo einer der Hauptdrehorte der Filmtrilogie lag. Informationstafeln zeigten Fotos aus den Filmen und von den Gebäuden, die dort im Wald errichtet und nach den Dreharbeiten leider vollständig wieder entfernt worden waren. Einzig ein paar Bäume konnte man mit etwas Fantasie noch zuordnen, und für die zahlreichen pilgernden Fans wurde zudem später die Replik eines elbischen Torbogens angefertigt.

Rivendell – Nachbildung eines Torbogens

Am Nachmittag fuhren wir noch weiter zu einem anderen Drehort, den Putangirua Pinnacles, wo Aragorn im dritten Teil das Heer der Toten herbeiruft. Doch auch ohne Herr-der-Ringe-Hintergrund war das eine echt tolle Attraktion. Die Wanderung führte uns stetig bergauf durch einen immergrünen Wald; zwischendurch sahen wir die schneebedeckten Gipfel der Südinsel jenseits des Meeres aufragen. Als wir schließlich den Aussichtspunkt erreichten, wurden wir mit einem Blick über kuriose Felsnadeln belohnt, die Wind und Wasser langsam aber stetig vom dahinter liegenden Plateau abtragen. Der Weg zurück führte zunächst steil hinab bis ganz ins Tal und von dort musste man sich seinen eigenen Weg durch das geröllige Flussbett suchen. Der Fluss führte nur sehr wenig Wasser, sodass es kein Problem war, aber wir hatten einen Riesenspaß, immer wieder das Ufer zu wechseln und von Stein zu Stein zu springen, sogar fast völlig ohne nasse Füße zu bekommen.

Die Putangirua Pinnacles

Durch Geröll und Flußbett

Eigentlich wollten wir noch weiter an der Küste entlang bis zum Cape Palliser, dem südlichsten Punkt der Nordinsel fahren. Die Straße wurde allerdings immer schlechter; erst war sie wegen einiger spektakulärer Hangrutsche verengt, dann endete der Asphalt, dann konnten wir vor lauter Schlaglöchern und Waschbrettrillen nur noch Schritttempo fahren während der gesamte Inhalt unseres Autos neu durchmischt wurde, und schließlich mussten wir vor einem Fluss umdrehen, der mitten über die Fahrbahn floss – zum Furten ist Capella einfach nicht geeignet. Dafür bot sich uns auf der Rückfahrt ein spektakulärer Sonnenuntergang, und wir fanden danach ein sehr gemütliches Nachtquartier auf einem winzigen Campingplatz in einem Dorf namens Pirinoa, dessen Betreiberin uns fast wie Familienmitglieder willkommen hieß und wo es in der Küche sogar Couches und kostenlosen Tee und Kaffee gab.

Gut ausgeruht fuhren wir am nächsten Tag weiter nach Norden. Ich weiß nicht mehr, was unser eigentliches Ziel war, aber da wir ja den Leuchtturm am Cape Palliser nicht hatten sehen können, hatte uns die freundliche Campingplatz-Betreiberin einen anderen empfohlen, der zwar eine gute Stunde abseits unserer Strecke lag, aber wir haben ja Zeit. Und das war eine echt gute Entscheidung, denn die Bucht am Castle Point war wohl das beeindruckendste Stück Küste, das wir in Neuseeland bisher gesehen haben. Aus einem kurzen Besuch wurde ein ganzer Nachmittag; statt nur mal kurz zum Leuchtturm zu gehen, unternahmen wir eine Wanderung einmal um die ganze Bucht bis hinauf zum Gipfel des Berges, der hoch über der Buch thronte und verbrachten dann noch eine gute Stunde am Strand und an den Klippen, über die das Wasser immer wieder mit Macht auf den Strand brandete.

Castle Point

Da hat sich der Aufstieg gelohnt

Man hätte ewig zusehen können, wie das Meer über die Felsen in die Bucht brandet – gewaltig.

Danach schafften wir es nur noch bis in den nächsten größeren Ort Masterton, dessen Campingplatz einen beheizten Aufenthaltsraum und die ordentlichste Küche bot, die wir je auf einem Campingplatz gesehen haben – sogar Kochbücher gab es – und die Besitzer kamen am nächsten Morgen sogar noch auf einen Plausch zu uns. Die Nordinsel war wirklich nicht so schlecht wie wir erwartet hatten…

Auf zu neuen Ufern

So, ihr Lieben, wir bitten euch vielmals um Entschuldigung für alle euch entstandenen Sorgen oder Langeweile; oder vielleicht habt ihr uns auch inzwischen längst vergessen, was in Anbetracht dieser sträflich langen Sendepause auch verständlich wäre. Die Wlan-Situation ist leider mit der in Südostasien nicht zu vergleichen, und wir haben in den letzten Wochen fast nie Internet für den Laptop gehabt, um zu bloggen. Aber heute, heute ist es soweit. Darum nun hier der am 5. Juli geschriebene und am 12. Juli hochgeladene neueste Eintrag…

5. Juli 2017, Ohakune/Nordinsel

Nach einer eher kühlen Nacht in Murchison, einem Kaff inmitten tiefer, bewaldeter Täler, dessen Campingplatz direkt neben dem Friedhof lag, fuhren wir nach Norden in den Abel Tasman-Nationalpark. Wir unterschätzten etwas die Topografie der Gegend; der Nationalpark ist für seine goldenen Buchten bekannt und wir waren etwas überrascht, dass die Fahrt über eine der serpentinenreichsten Straßen führte, die uns auf der Südinsel untergekommen war. Wir statteten den Pupu Springs einen Besuch ab (der volle Name lautet Te Waikoropupu Springs), ein heiliger Ort für die Maori aufgrund seines unglaublich klaren Wassers, das inmitten eines stillen Sees aus den Tiefen heraufsprudelt. Wissenschaftler haben berechnet, dass die Reinheit der Quelle fast der destillierten Wassers gleichkommt.

Auf der Fahrt von Murchison nach Norden

Die Pupu Springs

Die Nacht auf dem Campingplatz im nahe gelegenen Takaka war eine kalte, denn die Küche war offen und entsprechend gab es nichts zum Heizen – also bibbernd kochen, schnell essen und dann zeitig mit Wärmflasche ins Bett.

Das Wetter war leider am nächsten Tag durchwachsen. Wir fuhren zum nördlichsten Punkt der Insel, dem Farewell Spit, einer sandigen Landzunge, die mehrere Kilometer ins Meer ragt und als Vogelparadies unter Naturschutz steht. Von einem Aussichtspunkt meinten wir, die Nordinsel sehen zu können, waren uns aber nicht sicher. Danach fuhren wir wieder über den unglaublich kurvenreichen Pass vom Vortag, blieben eine Weile hinter einer Kuhherde hängen, die gerade die Straße entlang zu einer neuen Weide getrieben wurde und manövrierten dann auf noch engeren und kurvigeren Straßen an der Küste des Abel Tasman-Nationalparks entlang zu zwei kleinen Dörfchen – Marahau und Kaiteriteri und dazwischen noch zum Split Apple Rock, einem Felsen in einer pittoresken, kleinen Bucht, der ein bisschen an Tells Apfel erinnert. Der Sand der Bucht war an der Oberfläche schwarz, doch wenn man etwas mit dem Fuß grub, wurde der darunter golden.

Der Farewell Spit

Die Herde erstreckte sich über mehrere Hundert Meter und erinnerte an eine Demonstration…

Der Strand in der Split Apple Bay

Unschwer zu erkennen, wie der Split Apple Rock zu seinem Namen kam…

In Motueka fanden wir einen kleinen Campingplatz zwischen einem Motel und einer Kiwiplantage. Diese Bildungslücke ist nun auch geschlossen: Kiwis wachsen an Bäumen wie Äpfel. Und nein, wir haben keine geklaut. Wir kauften stattdessen im nahe gelegenen Warehouse (so eine Mischung aus KiK und Ikea) eine neue Theromoskanne, da unsere einmal umgefallen und prompt innen gesplittert war. Es war wohl nicht unser Tag, denn beim Parken auf dem Campingplatz brach außerdem das Gehäuse des Autoschlüssels, sodass er sich nur noch sehr wackelig drehen und kaum aus der Zündung ziehen ließ. Also statteten wir gleich am nächsten Tag noch dem Schlüsseldienst einen Besuch ab und bekamen einen neuen Schlüssel angefertigt, natürlich nicht ohne vorher bei Spaceships anzurufen und die Genehmigung einzuholen. So langsam wird es uns peinlich, so oft wie wir schon da anrufen mussten… Zumindest hielten wir während der Wartezeit einen sehr netten Plausch mit der Schlosserin und ihren Kunden. Die Kiwis sind wirklich sehr gesprächig und nehmen jede Gelegenheit für einen Plausch wahr.

Das Wetter war sehr regnerisch geworden, also beschlossen wir, den Tag im Städtchen Nelson zu verbringen. Das Provinzmuseum bot relativ kostengünstige Beschäftigung im Trockenen und so erfuhren wir allerlei über die Region und ihre Siedler. Dazu gab es noch eine sehr interessante Sonderausstellung über die Erfindungen von Leonardo da Vinci, nach deren Besuch wir zu dem Schluss kamen, dass der Mann von Robotern und dem Fahrrad über Fluggeräte und Tauchausrüstung bis hin zu Panzern so ziemlich alles an Gerätschaften erfunden hat, die wir heutzutage nutzen. Zum Mittagessen holten wir uns an einem Straßenstand (der erste Straßenstand, den wir in Neuseeland sahen) eine sehr üppig gefüllte Backkartoffel – mit Sour Creme, Senf, Chilisauce, Reibekäse und Krautsalat – klingt nach einer seltsamen Mischung, schmeckte aber erstaunlich gut zusammen.

Das Zentrum von Nelson

Am nächsten Tag führte uns die Fahrt durch die malerischen Marlborough Sounds auf weiteren gewundenen Küstenstraßen nach Waikawa etwas außerhalb von Picton, wo die Fähre zur Nordinsel ablegt. Wir verbrachten einen ruhigen Nachmittag in der einzigen Lokalität am Hafen, die Sportbar, Café und Restaurant in einem war, gönnten uns einen Kaffee und schrieben ein paar Postkarten, und das war das letzte, was wir auf der Südinsel taten.

In den Marlborough Sounds

Der Hafen von Waikawa war sozusagen völlig  zugeparkt.

Am nächsten Morgen fuhren wir die fünf Minuten zurück nach Picton und reihten uns in die lange Warteschlange der Interislander-Fähre ein. Die Tickets hatten wir ein paar Tage zuvor telefonisch gebucht, was auch gut war, denn die Fähre schien voll zu werden. Bei der Konkurrenz Blue Bridge hatte es für die Vormittagsüberfahrt schon gar keine Plätze mehr gegeben, obwohl beide Firmen mehrmals täglich hin und her fahren. Das Boarding verlief sehr einfach; jede Menge Personal half auf dem Autodeck beim Einparken, damit kein Platz verschenkt wurde, und dann suchten wir uns auf einem der zwei Innendecks eine gemütliche Ecke mit Sesseln am Fenster, packten unsere neue Thermoskanne und Sandwiches aus und ließen es uns gut gehen. Draußen war es trotz schönem Wetter zu kalt, um sich lange aufzuhalten, da der Wind ordentlich pfiff. Nichtsdestotrotz war es eine ruhige Überfahrt; die Cook Strait „benahm sich“, wie es der Kapitän so schön formulierte.

Auf zu neuen Ufern…

Drei Stunden später war die Südinsel hinter dem Horizont verschwunden. Oder im Regengrau. Alle Reisenden und auch alle Neuseeländer, mit denen wir in den letzten viereinhalb Wochen gesprochen hatten, waren sich einig, dass die Südinsel viel schöner sei als die Nordinsel, und als Wellington uns nun mit Regen, Wind und schlechten Kritiken teurer Hostels grüßte (weshalb wir keins gebucht hatten), befürchteten wir, dass etwas dran sein könnte…

Die wilde Westküste oder Gletscher im Regenwald

25. Juni 2017, Fähre von Picton nach Wellington

Das Blogschreiben ist mit dem Camping nicht so sonderlich gut vereinbar. Man hat – zumindest in so einem kleinen Van wie unserem Capella – nicht gerade viel Auswahl an Sitzmöglichkeiten, weshalb man auf Campingplatz-Küchen oder Cafés angewiesen ist. Erstere sind nicht immer vorhanden, oder nicht beheizt, und man muss spätestens 10:30 Uhr am Morgen abreisen. Letztere kosten Geld für den Kaffee. Daher hängen wir leider ganz schön hinterher. Während ich das schreibe, sitzen wir gerade auf der Fähre zur Nordinsel, und wir haben doch noch sooo viel gesehen im Süden…

Cromwell ist bekannt für Wein- und Obstanbau, wie diese wunderschöne Statue am Stadtrand verdeutlicht. 😉

Allen, die unsere Sorge bezüglich der Schneegrenze teilten, können wir sagen, dass sie zum Glück über Straßenniveau blieb und wir unsere Schneeketten nicht auspacken mussten (Winterreifen gibt es hier nicht). Nachdem sich das Wetter wieder besserte, verließen wir das schöne Cromwell und fuhren ins Hochland zum Mt. Cook, der auf Maori Aoraki genannt wird. Die Fahrt über den Lindis Pass bot leicht vereiste Straßen auf den obersten zwei Kilometern und eine gute Sicht auf die sich verändernde Landschaft des Mackenzie Country, Neuseelands größter Ebene, die östlich der Alpen liegt. Dort sieht es aus wie man sich die Prärie vorstellt, endloses Grasland, gelb und vertrocknet im Winter, ein paar Zäune für Kühe oder Schafe, und in der Ferne ragen die weißen Gipfel der Südalpen auf. Von der Hauptstraße biegt man ab auf die Zubringerstraße zum Mt. Cook, der man noch weitere 60 km folgt, die erste Hälfte davon entlang des Lake Pukaki, der aufgrund seines hohen Mineralgehaltes eine tolle, milchig-blaue Farbe hat. Danach erinnert die Landschaft eher an afrikanische Savanne, mit kleinen dornigen Sträuchern und man nähert sich immer weiter den steilen Bergwänden an.

Am Lindis Pass

Bei allerbestem Wetter unternahmen wir eine kleine Wanderung weiter hinter ins Tal in die Nähe des Gletschers. Dort lag eine dünne Schneedecke auf den Wegen und es war, sobald die Sonne gegen halb vier hinter den hohen Bergen verschwand, eisekalt, aber die Landschaft war beeindruckend. Sir Edmund Hillary trainierte hier für die Besteigung des Mt. Everest.

Im Vordergrund sieht man die Endmoräne des Gletschers und den Gletschersee; Mt. Cook ist der Berg hinten in der Mitte.

Blick über den Lake Pukaki zum Mt. Cook/Aoraki im Sonnenuntergang

Die Nacht verbrachten wir in Twizel auf einem hübschen, kleinen Campingplatz, der sogar einen kleinen Heizlüfter in der Küche hatte; draußen waren es nachts einige Grad unter Null. Den Temperaturen zum Trotz konnten wir am nächsten Morgen wieder eine neuseeländische Kuriosität beobachten: die Tankwartin, bei der wir unseren Sprit bezahlten, fand es zwar auch kalt, was sie aber nicht davon abhielt, kurzhosig zur Arbeit zu gehen. Egal wie kalt, nicht wenige Einheimische tragen kurze Hosen, kurzärmelige Oberteile oder man sieht Kinder barfuß gehen – und an einem warmen Tag sind hier vielleicht 12 Grad in der Sonne. Dafür läuft im Fernsehen Werbung dafür, Erkältung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, da sich daraus rheumatisches Fieber und Herzerkrankungen entwickeln könnten, und Innenausstatter preisen dicke Gardinen als Kälteschutz an – für die einfach verglasten Schiebefenster der nicht isolierten Häuser. Manchmal können wir über die Kiwis nur den Kopf schütteln.

Wir fuhren zurück über den Lindis Pass und weiter nach Wanaka am gleichnamigen See. Nachmittags streckten wir die Beine bei einer kleinen Wanderung zum Lake Diamond aus, einem stillen Weiher etwas außerhalb von Wanaka, wo es einen Aussichtspunkt mit fantastischer Sicht über den Lake Wanaka und die umgebenden Berge gab. Dies ist definitiv einer der allerschönsten Gegenden Neuseelands. Der nahe gelegene Campingplatz direkt am Seeufer war riesig und die Eigentümerin erzählte uns, dass dort im Sommer nicht ein freier Stellplatz zu bekommen ist. Wir waren aber im Winter mal wieder fast die einzigen, machten es uns abends am Kamin gemütlich und wachten früh zum Sonnenaufgang über dem See auf. 🙂

Aussicht über den Lake Wanaka

Von Wanaka aus führte uns die Fahrt über den Haast Pass, der im Wesentlichen eine schier endlose Straße durch dichten Wald ist; so richtig ins Gebirge kommt man gar nicht, sonder fährt mehr oder weniger im Tal am Fluss entlang auf die andere Seite. Und dort ist man auf einmal wieder in einer völlig anderen Welt: an der Westküste mit ihren steilen Berggipfeln, immergrünen Regenwäldern und rauen Stränden – selbst für neuseeländische Verhältnisse eine einsame Gegend. Dafür ist die Landschaft atemberaubend.

Wieder am Meer

Wir fuhren bis zum Franz Josef-Gletscher, tatsächlich benannt nach dem Kaiser, und übernachteten auf einem Campingplatz der etwas anderen Art. Im Rainforest Retreat war jeder Stellplatz von dichtem Grün umgeben, eine sehr friedliche Atmosphäre. In der Lounge gab es einen Kamin, der mit Gas betrieben wurde – die Flammen züngelten an Holzscheit-Imitaten hoch und wurden auf Knopfdruck gezündet, was wenig romantisch klingt, dafür aber viel mehr Wärme entwickelt – und obendrein konnte man einen kleinen Hotpool kostenlos nutzen (im Prinzip ein Whirlpool ohne Blubbern), was wir dann abends auch taten, um uns herum der Wald und über uns die Sterne. So kann man es sich gut gehen lassen – so gut, dass wir die nächste Nacht noch einmal hier verbrachten.

Capella im Rainforest Retreat

Tagsüber besuchten wir den nicht weit entfernten Fox-Gletscher, der leider kein besonders spektakulärer Anblick war. Dafür machten wir dann noch einen Ausflug zum Gillespies Beach, wohin eine 12km lange, holprige Schotterpiste führte – Fahrspaß pur, und das ist nicht ironisch gemeint. Und es lohnte sich auch wirklich. Wir waren die einzigen Menschen weit und breit und wanderten durch die Dünen zum Strand und weiter bis zur Lagune. Riesige Wellen rollten schaumgekrönt an den schwarzen Kieselstrand, wo wir eine ganze Weile damit verbrachten, nach besonders schönen Steinen zu suchen, von denen es unendlich viele gab. Nebenbei machten wir Bekanntschaft mit einer neuseeländischen Strandplage: Sandfliegen. Kaum größer als Eintagsfliegen sind diese blutrünstigen kleinen Monster sogar noch perfider als Mücken: sie kriechen auch in Ärmel und Hosenbeine und stechen gezielt in Adern – auf ein und derselben Stelle am Handrücken hatte ich im Nu fünf Stiche, während Kathrin mal wieder auf wundersame Weise verschont blieb.

Blick vom Gillespies Beach über die Lagune zum Mt. Cook und seine Nachbarn

Am nächsten Tag liefen wir durch das Tal des Franz Josef-Gletschers; aus Sicherheitsgründen durfte man aber nicht näher als 750 Meter an den Gletscher heran. Dennoch war der Gletscher viel schöner anzusehen als sein Nachbar Fox, die Spalten leuchteten eisblau in der Sonne und auf dem Weg sahen wir sogar ein Possum (auf Deutsch Fuchskusu, ein aus Australien eingeschlepptes Beuteltier), das sich an den Blättern eines Busches gütlich tat und nicht das kleinste bisschen Angst vor uns zeigte. Das war uns dann aber nicht ganz geheuer und wir hielten lieber etwas Abstand – normalerweise sind Possums scheu und nachtaktiv und sollten Menschen nicht so nahe kommen; vielleicht war es krank. Oder es hatte einfach Appetit auf einen „Mitternachtsimbiss“.

Gestatten, Franz Josef.

Danach fuhren wir weiter die Küste hoch, machten noch einen Abstecher an den treibgutübersäten Strand von Okarito, wo es aber leider anfing zu regnen, und erreichten schließlich Hokitika, die erste größere Ortschaft seit Wanaka. Nach Hokitika fährt sogar die Eisenbahn und man muss an den zahlreichen Bahnübergängen aufpassen. Natürlich muss man überall auf der Welt an Bahnübergängen aufpassen, aber die um Hokitika setzen dem ganzen noch die Krone auf: an einer Stelle führt die Bahnstrecke mitten durch einen Kreisverkehr und als ob das noch nicht genug wäre, teilt man an anderer Stelle eine einspurige Brücke mit dem Gleis und damit auch mit dem Zug. Wir haben keine Ahnung, wie das funktioniert und waren einfach heilfroh, dass gerade kein Zug kam, denn es ist dort die einzige Straße.

Unglaublich aber wahr…

Trotz Nieselregen unternahmen wir abends noch einen kurzen Ausflug zu einer Glühwürmchen-Grotte am Stadtrand. Man brauchte natürlich eine Taschenlampe für den Weg und am Ziel angekommen, als wir die Lampen ausschalteten und sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sahen wir hunderte leuchtende Punkte um uns herum an den Wänden wie Sterne. Es war weniger eine Grotte als viel mehr ein sehr enges, kleines Tal, und die Glühwürmchen waren auch eigentlich keine Glühwürmchen sondern die Larven, die leuchtende, klebrige Fäden spinnen, um damit Insekten als Beute anzulocken.

Am darauffolgenden Tag war das Wetter leider immer noch verregnet, sodass wir die Zeit in Hokitika verbrachten. Unser erster Stopp war dabei wieder einmal eine Autowerkstatt. Einige Tage zuvor war ein seitliches Stück der Plastikverkleidung, die um die Heckscheibe läuft und an der auch die dortigen Gardinen befestigt sind, abgefallen, soweit wir feststellen konnten ohne Grund. An sich war das nicht weiter schlimm, aber nun bemerkten wir, dass der oberer Teil der Verkleidung ebenfalls begann, sich zu lösen. Eine neue Schraube und zwei Minuten relativ grobes Einschlagen auf die losen Teile seitens des Reparateurs später war alles wieder fest und wir suchten uns im Zentrum einen Parkplatz und bummelten durch das Städtchen, das vor allem für seine Jadeindustrie berühmt ist. Eine Werkstatt und ein Laden am anderen verkaufen die wunderschönen, traditionellen Maori-Schmuckstücke. Kathrin wurde fündig und kaufte sich eine Kette, und wir gönnten uns dazu noch ein Mittagessen in einem der Cafés. Als es nachmittags etwas aufklarte, fuhren wir zur Hokitika Gorge, die für die intensiv-blaue Farbe ihres Wassers berühmt ist, aber aufgrund des vielen Regens war das Wasser leider eher braun.

Im Zentrum von Hokitika, für Südinsel-Verhältnisse schon eher eine größere Stadt

Im letzten Tageslicht fuhren wir noch bis nach Punakaiki zu einer kuriosen Felsformation an der Küste, die sich die Pancake Rocks nennt und ein bisschen aussieht wie die Felsen der Sächsischen Schweiz, nur eben aus pancakes (Eierkuchen, für die Sachsen unter euch, für den Rest Pfannkuchen). Es war schon zu dunkel, um die Form der Felsen noch zu bewundern, aber da gerade Flut war, wollten wir sehen, wie es die Gischt durch die Spalten nach oben drückte. Mit Taschenlampe ausgerüstet liefen wir bis zum Aussichtspunkt am Blowhole, wo das Meer mit unvorstellbarer Kraft in die felsige Öffnung brandete – teilweise donnerte es ohrenbetäubend und wir spürten sogar die Vibrationen im Felsen! Es war direkt ein bisschen unheimlich, so in der Fast-Dunkelheit. Hinter uns konnten wir gerade noch die Wolken am Horizont über dem Meer ausmachen und im letzten Abendlicht ließ sich nicht mehr unterscheiden, wo die Wolken aufhörten und das Meer anfing – es war, als ob man über ein endloses Wolkenmeer blickte, einfach magisch.

Eine Oase in der Wüste Marokkos? Nein, einheimische Nikau-Palmen im Dunst der Gischt.

Die Pancake Rocks

Am nächsten Morgen schauten wir uns die Pancake Rocks noch einmal bei Tageslicht an, wo sie nicht minder gewaltig wirkten. Soviel Gischt spritzte an den Felsen und den Klippen nach oben, dass die gesamte Küstenlinie im Dunst lag. Eigentlich hatten wir damit gesehen, was wir in Punakaiki sehen wollten, aber die freundliche Campingplatz-Betreiberin hatte uns am Vorabend noch eine Karte mit Ausflugstipps gegeben und Fotos in einem Bildband gezeigt. Die Orte sahen wirklich schön aus und hatten uns neugierig gemacht, und so wanderten wir zuerst ins Tal des Pororari River, der sich zwischen senkrechte Felswände gegraben hat und an dessen Ufer der urzeitlichste Regenwald wuchs, den wir je gesehen haben. Wäre uns dort ein Dinosaurier begegnet, hätte es uns nicht im geringsten gewundert. Die Landschaft war ein Traum und wir liefen viel weiter als wir eigentlich vorgehabt hatten, da wir uns einfach nicht satt sehen konnten. Während wir nach der Wanderung noch ein kurzes Mittagessen im Auto aßen, beobachteten wir einen Weka (eine bedrohte, flugunfähige Vogelart), der neugierig um unser Auto spazierte, vielleicht auf der Suche nach etwas glänzendem; Wekas sind in dieser Hinsicht wie Elstern.

Der Pororari River Track

Ein Weka

Danach folgten wir noch dem Truman Track bis an eine steile Klippe am Strand, die über die Jahrtausende hinweg vom Meer in einem weiten Bogen ausgewaschen worden war. Da gerade Ebbe war, konnten wir am Strand entlang gehen, sahen sogar einen Wasserfall von der Klippe stürzen und bestaunten die Seetangreste, die das Wasser angespült hatte. Auf einer Informationstafel hatten wir gelesen, dass der hiesige Seetang sich so fest am Gestein der Klippen verwächst, dass er in der Meeresbrandung binnen einer Sekunde von 0 auf 140 km/h beschleunigen kann, und wenn die Flut doch einmal zu stark zieht, dann reißt nicht der Seetang von den Felsen ab, sondern ein Teil des Gesteins bricht ab und wird mit weggerissen. Wer hätte gedacht, dass Seetang so beeindruckend sein kann…

An der Küste war es tatsächlich zu sonnig, um ein gutes Foto von den Klippen zu machen, daher hier als Entschädigung ein Foto vom Weg dorthin.

Danach ließen die Westküste hinter uns und machten wir uns auf den Weg zurück ins Inland…

Unterwegs auf Southern Scenic Route

16. Juni 2017, Franz Josef Glacier

Beflügelt durch all eure netten Kommentare wollen wir doch mal weiter erzählen von unserem Road Trip durch das winterliche Neuseeland.

Irgendwann wurde es leider doch mal Zeit, unserem Lieblingskater Cheeto Lebewohl zu sagen und weiter auf der Southern Scenic Route zu fahren, wo wir sie schon einmal gefunden hatten. Schon kurz hinter Riverton sahen wir die ersten hohen, schneebedeckten Berge in der Ferne aufragen und ab da wurde die Landschaft einfach großartig. Wir machten uns auf den Weg ins Fiordland und schafften es in ein paar Stunden bis nach Te Anau, dem Ausgangspunkt zum Milford Sound. Da wir gut vorangekommen waren und noch Zeit hatten, besuchten wir eine Vogelauffangstation am Ufer des Lake Te Anau, wo wir einige einheimische und zum Teil von Natur aus flugunfähige Vögel sehen konnten. Dann tankten wir noch einmal voll, bevor wir unsere Fahrt zum Milford Sound fortsetzten, denn von Te Anau aus sind es 120km Fahrt pro Richtung und es kommt danach keinerlei Infrastruktur mehr.

Ein Takahe – vom Aussterben bedroht, da er aufgrund seiner Flugunfähigkeit leichte Beute für eingeschleppte Raubtiere ist.

Trotz Wolken war die Landschaft traumhaft schön und wir mussten immer wieder anhalten, um zu fotografieren. So schafften wir es im letzten Tageslicht auf den Campingplatz Gunn’s Camp, der nur 20km vom Fjord entfernt in einem grünen Tal mit steilen Wänden liegt. Dort schien die Zeit ein bisschen stehen geblieben zu sein. Handynetz oder Internet gab es dort natürlich nicht, aber es gab auch kein Festnetztelefon, mit dem wir eine Kreuzfahrt auf dem Fjord hätten buchen können, also mussten wir am nächsten Morgen auf gut Glück hinfahren. Das warme Wasser kam aus einem mit Feuer beheizten Boiler und der Strom von einem Generator, der sich abends halb zehn abschaltete, sodass man danach im Dunkeln saß. Es war aber tatsächlich viel schöner als es klingt, denn das Feuer im Kamin brannte ja weiter, sodass es weiterhin warm und gemütlich im Aufenthaltsraum war, und draußen sah man, wenn man den Kopf in den Nacken legte, die schneebedeckten Berggipfel im Lichte des Fast-Vollmondes schimmern, und zu alledem rauschte im Tal ein klarer Fluss. Es war sehr romantisch.

Der Milford Sound ist der einzige Fjord, zu dem eine Straße führt.

Ganz unten im Tal der kleine weiße Punkt, das ist Gunn’s Camp.

Am nächsten Morgen fuhren wir rechtzeitig los, um die Kreuzfahrt, die wir uns ausgesucht hatten, noch vor Ort buchen zu können. Rechtzeitig hieß, für die letzten 20 km eine Stunde einzuplanen. Erstens war die Straße stellenweise überfroren, und es war ja auch nicht gerade eine Autobahn, sondern eher eine Hochalpenstraße, durch deren Serpentinen man auch im Sommer höchstens mit Tempo 30 fahren kann. Zweitens brauchten wir wieder einige Fotostopps, wobei wir zumindest beim ersten nicht lange verweilten, denn schon bei der Einfahrt auf den Parkplatz sahen wir die gar nicht mal so kleinen Satansbraten lauern: Keas. Von diesen schlauen Bergpapageien haben bestimmt die meisten schon einmal gehört, und bei meiner letzten Neuseelandreise hatten sie innerhalb von Sekunden sauber die Antenne vom Autodach abgeschraubt (ja, geschraubt!). Ihr Anblick, wenn auch noch so niedlich, verhieß daher leider nichts gutes für unseren Capella, und wir hatten auch wirklich kaum angehalten, als schon zwei der Experten auf unserem Dach landeten und fachkundig anfingen, die Dichtungsgummis aus den Türen zu hacken. Also schnell ein paar Bilder geknipst, zurück ins Auto und wieder ab auf die Straße… nur, dass das leider nicht viel half. Die Biester blieben einfach dreist auf dem Dach sitzen und fuhren noch gute hundert Meter mit! Erst, als wir etwas schneller fuhren, hoben sie ab und suchten sich ein neues Opfer…

Sieht niedlicher aus als es ist…

Am Milford Sound angekommen, parkten wir auf einem riesigen Parkplatz, dessen Größe erahnen ließ, welche Massen hier im Sommer abgefertigt werden müssen. Es waren jedoch nicht viel los, einer der Vorteile der Nebensaison, und im Besucherzentrum sahen wir nur eine Handvoll anderer Touristen. Es war kein Problem, die Schiffstour zu buchen, die wir uns ausgesucht hatten. Go Orange war mit Abstand der günstigste Anbieter und letztendlich sieht der Fjord ja von jedem Schiff gleich aus. Es sollte sogar noch ein kleines Frühstück bestehend aus Sandwich und einem Saft inklusive sein.

Halb elf ging die Fahrt los, es hatten sich tatsächlich noch ein paar weitere Passagiere eingefunden, insgesamt vielleicht 30 Leute. Wir waren überrascht, dass wir nicht das orangefarbene Schiff nahmen, sondern das des größten Anbieters vor Ort, dessen Touren sicher um einiges mehr gekostet haben. Vermutlich gehört „unsere“ Firma dazu und es lohnt sich im Winter einfach nicht, mit zwei Schiffen zu fahren, wenn kaum genug Gäste für eines zusammenkommen. Aber uns war es ja einerlei; wir standen ab da die meiste Zeit draußen an Deck, um die atemberaubende Landschaft so nah wie möglich zu sehen, auch wenn wir im Wind und Regen ganz schön bibberten. Als wir uns drin aufwärmten, waren wir allerdings doch sehr froh, dass wir mit dem schicken Schiff fahren durften. Es gab nämlich nicht nur Tee und Kaffee umsonst und soviel man wollte – wunderbar zum Aufwärmen der klammen Finger – sondern das versprochene Frühstück entpuppte sich als ein ganzer Karton voller Snacks, von einem Sandwich über Chips, Schokolade und Nüssen bis hin zu einem Apfel und einer Flasche Wasser. So ließ es sich aushalten.

Nebenbei erklärte der Skipper viel Wissenswertes zur Umgebung, die Namen der Berge, Täler und Wasserfälle. Wir erfuhren, dass Fjorde von Gletschern geformt werden und Sounds von Flüssen, und dass der Milford Sound daher eigentlich ein Fjord ist. Das wussten die ersten Europäer, die ihm diesen Namen gaben, allerdings noch nicht und später wollte man den Namen nicht mehr ändern. Ist vielleicht auch besser so, Milford Fjord klänge ja auch nicht so schön. Auf Maori, der Sprache der allerersten polynesischen Siedler heißt der Fjord übrigens Piopiotahi. Außerdem machte der Skipper uns auf verschiedene Tiere aufmerksam, unter anderem über uns segelnde Albatrosse und Robben, die verschlafen auf Felsen am Rande des Fjordes lagen. Trotz dem durchwachsenen Wetter war es eine sehr lohnenswerte Kreuzfahrt.

Mitre Peak, das Wahrzeichen des Milford Sounds

Nach uns fuhr noch ein weiteres Schiff, das einen guten Größenvergleich abgab.

Der Wasserfall war so hoch wie ein fünfstöckiges Hochhaus – im Bild darüber (mit dem Schiff) seht ihr ihn links in den Fjord stürzen.

Danach fuhren wir den ganzen Weg wieder zurück nach Te Anau, und da wir dort nicht übernachten wollten, noch zu einem kleinen Ort namens Athol, der auf der Strecke nach Queenstown lag, unserem nächsten Ziel, das wir dann am nächsten Vormittag erreichten. Queenstown ist wunderschön an einem riesigen See namens Wakatipu gelegen und markiert auch das Ende (oder den Anfang) der Southern Scenic Route. Es ist so eine Art Mekka der Südinsel, es gibt wahrscheinlich keine Outdoor-Aktivität, der man dort nicht frönen könnte, und auch ansonsten richtet sich das Städtchen verstärkt an die zahlungskräftigen Reisenden – selbst einen Luis Vuitton-Laden gibt es hier!

Wir machten einen kleinen Spaziergang durch den Botanischen Garten und das Stadtzentrum, aber es war uns insgesamt zu hektisch und dicht gedrängt. Wir aßen einen sehr leckeren Burger bei Fergburger, was ein obligatorischer Stopp ist, wenn man schonmal in Queenstown ist (immerhin mussten wir nur eine Viertelstunde warten, bis unsere Bestellnummer aufgerufen wurde) und kauften dann noch Fudge im Remarkable Sweet Shop ein (der seinen Namen nicht nur der Qualität der Süßwaren sondern in erster Linie seiner Lage im Schatten der Remarkables, einer Bergkette, verdankt). Danach suchten wir das Weite und fuhren weiter am See entlang bis nach Glenorchy, wo ein paar Szenen aus Herr der Ringe gedreht wurden. Bis zu den Drehorten kommt man leider nur mit Geländewagen, aber die Landschaft war überall wunderschön und wir hatten allerbestes Wetter.

Lake Wakatipu bei Glenorchy

Die Nacht verbrachten wir in Arrowtown, einem kleinen Städtchen nicht allzuweit von Queenstown entfernt, da es dort etwas günstiger war. Dennoch endeten wir auch dort auf einem dieser nullachtfuffzehn Holiday Parks, die alle gleich aussehen und sich eher an große Wohnmobile richten. Wir bekamen einen Stellplatz am Ende des Parks, ziemlich weit von Küche und Sanis, zugeteilt obwohl viele Plätze noch frei waren. Immerhin gab es eine halbwegs warme Küche, die wir nur mit einer chinesischen Familie teilten, welche eine unglaubliche Menge Essen zubereitete. Die chinesischen Camper scheinen zu jeder Mahlzeit richtig groß zu kochen, das ist uns schon auf anderen Plätzen aufgefallen.

Gerade in Arrowtown gab es auffällig viele chinesische Touristen, was aber vermutlich mit dem chinesischen Erbe des Goldgräberstädtchens zu tun hat. Am nächsten Morgen besichtigten wir das chinesische Viertel, das ich mir als eine Art China Town vorgestellt hatte, aber weit gefehlt. Als Mitte des 19. Jahrhunderts Gold auf der neuseeländischen Südinsel gefunden wurde, kamen auch viele chinesische Einwanderer, die ihr Glück suchten. Sie fanden Gold, wo die Europäer schon längst aufgegeben hatten und wohnten in erbärmlichen, winzig kleinen Hütten, deren Überreste man in Arrowtown noch sehen konnte. Wenn sie genug Gold gefunden hatten, kehrten sie nach China zurück, um ihre Familien zu unterstützen, aber viele schafften es nicht oder blieben aus anderen Gründen in Neuseeland. Wir hatten großen Respekt für diese Siedler, die unter solch unvorstellbaren Bedingungen lebten und trotz all ihrer harten Arbeit von den Europäern verachtet und ausgegrenzt wurden.

Diese war bei weitem nicht die kleinste der Hütten.

Die Hauptstraße von Arrowtown versprüht noch echten Wild West-Charme.

So süße Schaufenster…

Die ganze Umgebung war einst Goldgräberland, und auch im nicht weit entfernten Cardrona spürte man noch so richtig den Wild West-Charme des 19. Jahrhunderts. Der Ort besteht heute aus kaum mehr als dem legendären Hotel, das sich zumindest äußerlich seit 150 Jahren kaum verändert zu haben scheint. Die Fahrt über den Crown Range-Pass bot eine tolle Sicht auf Queenstown mehr als 500 Meter unter uns und wir sahen sogar aus der Vogelperspektive ein Flugzeug am internationalen Flughafen von Queenstown landen. Im Cardrona Hotel tranken wir einen Mochaccino und machten danach noch einen Abstecher zu etwas, das auf der Karte als bra fence (BH-Zaun) eingetragen war. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass es wirklich ist, wonach es klingt, aber es war genau das. Und es gab auch tatsächlich einen guten Grund für diese Kuriosität; der Zaun ist Teil einer Kampagne zur Brustkrebs-Aufklärung.

Das Cardrona Hotel von außen…

…und innen.

Was es nicht alles gibt…

Wieder zurück im Tal hielten wir noch kurz an der Bungee-Brücke von AJ Hackett (von der ich mich vor drei Jahren auch mal gestürzt habe), um nur ganz harmlos den Kawarau River 43 Meter weiter unten fließen zu sehen, der dort auch ein Herr-der-Ringe-Drehort war.

Perspektivisch wollten wir weiter ins Inland zum Aoraki/Mt. Cook, dem höchsten Berg Neuseelands, aber die Wettervorhersage für die Gegend war alles andere als einladend: Unwetterwarnung wegen Starkregen und Sturm. Daher suchten wir uns einen günstigen Campingplatz mit Kamin, um die nächsten zwei Tage dort auszusitzen. In Bannockburn nahe Cromwell verbrachten wir zwei faule Tage bei durchwachsenem Wetter, erholten uns von der vielen Fahrerei und schauten zu, wie die Schneegrenze mit jedem Schauer weiter ins Tal sank.

Schottland des Südens

07. Juni 2017, Riverton/Südinsel

Die Straße 1 von Christchurch an der Ostküste hinunter nach Dunedin (ausgesprochen Dann-IH-den) ist so etwas wie die Autobahn der Südinsel – man kommt schnell voran, aber es ist ziemlich langweilig. Wir schafften es an einem Tag bis nach Oamaru, wo es eine Pinguinkolonie am Strand gibt, die man von einem Aussichtspunkt aus beobachten kann. Wir waren sogar zur richtigen Tageszeit da, am späten Nachmittag vor Sonnenuntergang, wenn die Pinguine von der Jagd zurückkehren, aber keiner ließ sich blicken, obwohl wir eine halbe Stunde warteten. Im Nieselregen und letzten Tageslicht fuhren wir auf einen Campingplatz hinter einem Dorf namens Herbert, wo wir unser Essen in einer ungeheizten Küche kochten und sich das Licht in der Dusche nach fünf Minuten automatisch abschaltete – blöd, wenn man gerade patschnass nach dem Handtuch sucht.

Am nächsten Morgen machten wir einen Stopp bei den nicht weit entfernten Moeraki Boulders, einer kuriosen Formation aus kugelrunden Felsbrocken, die am Strand im Ort Moeraki liegen. Die Wissenschaft ist sich unschlüssig über die Entstehung der Boulders, aber sie geben auf jeden Fall sehr gute Fotomotive ab.

Die Moeraki Boulders

Weiter fuhren wir nach Dunedin, der zweitgrößten Stadt auf der Südinsel. Es gibt dort ein paar hübsche historische Gebäude, aber kaum etwas besonderes. Der Hauptgrund unseres Besuches, abgesehen davon, dass Dunedin auf der Strecke lag, war die dort beheimatete Schokoladenfabrik der Firma Cadbury, die wir beide sehr gern mögen und die es leider in Deutschland nicht zu kaufen gibt. Cadbury kommt ursprünglich aus England, die Fabrik in Dunedin wurde aber schon Ende des 19. Jahrhunderts eröffnet, wie wir auf einer für uns Fans natürlich obligatorischen Führung erfuhren. In die eigentlichen Produktionshallen durften wir zwar nicht hinein, wurden aber trotzdem durch einen Großteil der Anlage geführt und lernten viel über die Herstellung der Schokolade und der verschiedenen Produkte. Das Beste war natürlich, dass man ganz viel kosten durfte – flüssige Schokolade aus dem Zapfhahn, dazu Toppings nach Wahl, mmmmh, und wir bekamen auch jede Menge Kostproben geschenkt. Es war einfach himmlisch.

Wir steuerten ein Hostel im Zentrum an, bei dem man im Hof campen und die Einrichtungen des Gebäudes mit nutzen konnte. Der eine Stellplatz im Hof war auch tatsächlich frei, aber am Ende mussten wir uns trotzdem etwas anderes suchen. Dunedin ist sehr bergig, die steilste Straße der Welt liegt hier, und auch wenn das Hostel nicht auf ebendieser Straße lag, kamen wir schlicht und ergreifend die Einfahrt nicht hoch. Auf halber Strecke drehten die Reifen nur noch auf dem nassen Laub durch und als es nach verbranntem Gummi zu riechen begann, mussten wir rückwärts wieder hinunter rollen und den Holiday Park etwas außerhalb ansteuern, wo zumindest alles eben war. Die Holiday Parks schlagen meistens gleich mit 11-12 € pro Person für einen Stellplatz zu Buche, weshalb wir normalerweise versuchen, auf günstigeren Campingplätzen zu übernachten, aber dafür gab es hier neben einer umfangreich ausgestatteten Küche und einem (leicht) beheizten Aufenthaltsraum auch noch unbegrenztes Internet, welches wir natürlich sofort zum Bloggen nutzten, und im Bad einen Fön – Luxus!

Am darauffolgenden Tag machten wir die angrenzende Otago-Halbinsel unsicher. Ganz an der Spitze liegt eine Albatross-Kolonie, wo man ein paar der nicht gerade kleinen Küken in ihren Nestern sitzen sehen kann – für einen ebenso nicht gerade kleinen Preis. So brennend interessierten die Küken uns dann auch wieder nicht; stattdessen liefen wir hinunter zum Strand, wo wir Robben beobachten konnten, und dann noch zu einem Aussichtspunkt. Und dort flogen plötzlich ein paar der Albatross-Eltern genau über unsere Köpfe hinweg. Sie waren riesig mit ihren drei Metern Flügelspannweite und respekteinflößenden Hakenschnäbeln, und flogen teilweise auch sehr niedrig, sodass wir sie richtig gut sehen konnten. Nur ein gutes Foto ist uns leider nicht gelungen, dafür waren sie einfach zu schnell.

Auf der Nordseite der Halbinsel begegneten wir zudem an einem Strand einer Gruppe Seelöwen, die friedlich mitten auf dem Weg dösten. Der Frieden ist bei Seelöwen jedoch trügerisch, denn anders als die scheuen Robben, die vor Menschen fliehen, greifen sie an und beißen, wenn man ihnen zu nahe kommt, und sie können sich dabei auch erstaunlich schnell bewegen. Also suchten wir uns einen Trampelpfad durchs Gebüsch, um zum Strand zu kommen, denn auf dem Weg hätten wir nicht genug Abstand halten können.

Sie sehen so behäbig aus, aber der Schein trügt.

Danach fuhren wir noch einmal zurück ins Zentrum von Dunedin, um das historische Bahnhofsgebäude und den zentralen Platz, das Oktagon, zu besichtigen, wo auch das Rathaus und eine Kathedrale liegen. Dunedin ist übrigens der alte Name von Edinburgh und viele Gebäude und Straßennamen erinnern an das schottische Erbe.

Der Bahnhof von Dunedin

In Dunedin beginnt auch eine der angeblich zehn schönsten Fernstraßen der Welt, die Southern Scenic Route, auf die wir eher zufällig gerieten, als wir zu einer Felsklippe fahren wollten. Im Süden der Stadt liegt der Tunnel Beach, der seinen Namen, so dachten wir, dem Felsentor verdankt, das dort vor der Küste im Meer steht und durch das die Meeresbrandung wie durch einen Tunnel schäumt. Vom Parkplatz aus war der Hin- und Rückweg mit einer Stunde angegeben, was uns wunderte, da man das Wasser ja schon sah. Nicht gerechnet hatten wir allerdings mit dem extrem steilen Abstieg hinunter, der zwar schnell ging, aber das mussten wir ja alles hinterher wieder hinauf… Der Anblick auf die zerklüftete Küste und das beeindruckende Felsentor war es jedoch alle Mal wert. Die Klippe mit dem Tor war sogar begehbar, und als wir unten am Ende ankamen, entdeckten wir auch den wahren Grund, warum der Ort Tunnel Beach heißt. Gut versteckt in einer Nische lag der Eingang zu einem in den Fels gemauerten Tunnel, der auf matschigen Treppenstufen steil nach unten führte. Am anderen Ende kam man direkt unten am Strand zwischen den hohen Felsen heraus; von einem stürzte ein Wasserfall in die Bucht und vor uns in einiger Entfernung brandete das Meer in meterhohen Wellen auf den glatten Sand, ein gewaltiges Spektakel, vor dem wir auch mehrmals flüchten mussten, um keine nassen Füße zu bekommen.

Die Klippe mit dem vermeintlichen Tunnel, …

…der eigentliche Tunnel und…

…der Strand am Ende des Tunnels

Wir schafften noch ein paar Kilometer zu einem hübschen kleinen Campingplatz im Dörfchen Taieri Beach, wo wir wiederum Nieselregen hatten, aber diesmal in der Küche immerhin einen Heizlüfter. Was so ein paar Grad bei diesen Temperaturen schon ausmachen.

Leider regnete es auch am nächsten Morgen, aber im Auto kann es uns ja halbwegs egal sein, also fuhren wir weiter in eine Region an der Südküste, die sich die Catlins nennt. Dort gibt es jede Menge spektakuläre Küstenlinie, Wasserfälle und andere Sehenswürdigkeiten und wir richteten uns darauf ein, mehrere Tage dort zu verbringen. In Balclutha, der letzten größeren Ortschaft vor den einsamen Catlins, kauften wir noch einmal Lebensmittel im Supermarkt ein, tankten unser Auto voll und hoben Geld ab. Danach führte die Fahrt uns durch grüne Hügel mit karger, windschiefer Vegetation, weiß-gepunktet mit zahlreichen Schafherden – man kann sich leicht vorstellen, dass sich die schottischen Siedler hier wie zuhause gefühlt haben müssen.

Wir machten Halt am Nugget Point, einem Leuchtturm auf einer Klippe oberhalb einiger kleinerer Felsen im Meer, die an Goldnuggets erinnern, daher der Name. Der Regen hatte inzwischen größtenteils aufgehört und wir wurden mit einem sagenhaften Blick über die Felsen und das Meer unter einem (Stück) Regenbogen und außerdem auf eine kleine Robbenkolonie ganz unten am Fuße der Klippen belohnt.

Stürmisch war’s…

… am Nugget Point

Da sich der Nachmittag schon neigte und die anderen Ziele alle zu weit entfernt lagen, steuerten wir einen Campingplatz in der Nähe von Owaka an, im Drei-Häuser-Dorf Pounawea. Dort gab es eine Küche mit allem was wir brauchten und sogar einen Aufenthaltsraum mit Kamin, den das englische Pärchen, das nach uns noch ankam, fleißig befeuerte. Sie kamen aus der anderen Richtung, also die, in welche wir fuhren, und gaben uns ein paar Tipps, wo wir auf der Strecke weitere Plätze mit Kamin finden könnten. Trotz Feuer bibberten wir im Aufenthaltsraum, während wir zusammen Teil zwei der Hobbit-Trilogie im Fernsehen schauten, die ja in Neuseeland gedreht wurde und daher ein Muss war. Die Küche war gänzlich unbeheizt, obwohl man beim Kochen wenigstens nicht nur herum saß und sich so einreden konnte, dass es durch die Aktivität ein bisschen warm wurde, aber eigentlich war es eisig. Am nächsten Morgen war die Wiese überfroren und mit ihr unsere Frontscheibe – der erste Frost des Winters. Zum Glück war uns im Auto trotz allem nicht kalt; die drei Bettdecken sind ausreichend dick und wir haben ja jede noch eine Wärmflasche, die wir nun jede Nacht benutzen und die wirklich Gold wert sind.

Wir parkten unser Auto in die Morgensonne um, damit es schon einmal auftauen konnte, während wir frühstückten, aber danach war es wie jeden Morgen noch etwas Arbeit, die Scheiben innen zu trocknen, wo sie nachts natürlich durch unsere Atemluft immer ziemlich stark beschlagen.

Bei bestem Wetter spazierten wir als erstes am Strand der nahe gelegenen Surat Bay entlang, wo es schöne Muscheln zu sammeln gab. Auf dem Rückweg sahen wir sogar ein junges Seelöwenmännchen am Strand und machten ein paar Fotos, aber als es uns plötzlich angrunzte und einen Satz auf uns zumachte, suchten wir lieber das weite.

Danach wanderten wir zu Jack’s Blowhole, einer Felsspalte hoch oben auf einem Hügel, in die Meerwasser fließt, obwohl sie 200 Meter von der Küste entfernt liegt. Aus 55 Metern Höhe, in Sicherheit hinter einem Zaun, konnte man tief unten die Wellen beobachten, wie sie die Spalte auswuschen.

Außerdem fuhren wir zu zwei wunderschönen Wasserfällen, Purakaunui und Matai, zu denen Pfade durch den dichten, sattgrünen Wald führten, und zum stillen Lake Wilkie, dessen spiegelglatte Oberfläche das Licht des späten Nachmittags reflektierte.

Purakaunui Falls

Danach kehrten wir zum Campingplatz der vorangegangenen Nacht zurück, da die anderen in der Gegend alle sehr einfach sein sollten und wir bei den Temperaturen zumindest in einem festen Gebäude unser Essen kochen wollten.

Die Nacht brachte wieder Frost und am nächsten Morgen bekamen wir die Autoscheiben nur bei laufendem Motor frei, da wir zu zeitig starteten als dass uns die Sonne hätte helfen können. Unser erstes Ziel war nämlich nur bei Ebbe zu sehen und lag über eine Stunde Fahrt entfernt, also mussten wir schon kurz nach acht losfahren. Dafür wurden wir mit märchenhaften Blicken auf die rauhreifverzierte Landschaft im sanften Morgenlicht belohnt.

Und wir erreichten den Fossilwald in der Curio Bay rechtzeitig, bevor die Flut die versteinerten Baumstämme auf einem Riff direkt vor der Küste wieder bedeckte. Auf den Felsen nahe am Strand lag noch Eis, aber weiter draußen schien die Sonne auf die unzähligen Baumstümpfe, die hier vor Millionen von Jahren verschüttet wurden. Die Curio Bay ist einer von nur drei Orten auf der Welt, wo man solch einen versteinerten Wald in der Natur sehen kann.

Der versteinerte Wald ist zwar nicht auf den ersten Blick als solcher zu erkennen…

…aber wenn man genau hinschaut, sieht man die Baumstämme und -stümpfe.

Nicht weit entfernt liegt mit dem Slope Point der südlichste Punkt der Südinsel, den wir natürlich auch sehen wollten, aber leider mussten wir feststellen, dass die einzige (Schotter-)Straße dorthin gesperrt war – sie wird über den Winter asphaltiert, wie uns später jemand erklärte, aber das bedeutete eben, dass wir darauf verzichten mussten. Also fuhren wir weiter zum Waipapa Point, einem Leuchtturm in der Nähe, wo die Landschaft ebenso spektakulär war und wir wieder einmal einige Seelöwen zu sehen bekamen. Ein kapitales Exemplar spazierte gemächlich den Weg vom Strand hinauf in die Dünen, aus sicherer Entfernung beäugt von zahlreichen Touristen – so ein ausgewachsener Seelöwe kann immerhin bis zu einer halben Tonne auf die Waage bringen und ist dabei trotzdem, wie wir dann sahen, erstaunlich beweglich. Zwei weitere Tiere lagen im Gras nahe des Weges und ein vierter kam gerade aus der Brandung an den Strand, als wir uns dort umsahen. Es ist einfach toll, dass man diese Tiere so nah in freier Wildbahn sehen kann.

Der Leuchtturm am Waipapa Point

Ja, ich bin echt.

Da der Tag noch jung war, schafften wir es noch bis in die nächste größere Stadt Invercargill, wo es zwar nichts weiter zu sehen gibt, aber die beiden Engländer hatten uns ein Hostel in der Nähe empfohlen, auf dessen Parkplatz man übernachten und dabei die Einrichtungen des Gebäudes nutzen konnte.

Und wir wurden nicht enttäuscht. Das Hostel lag zwar 30 km außerhalb im kleinen Örtchen Riverton, aber die Gastgeber waren sehr freundlich, das Feuer im Kamin brannte schon, ein verschmuster Kater beobachtete aufmerksam unsere Ankunft und wir waren die einzigen Gäste, sodass wir Kamin und Kater ganz für uns hatten. Zeit (und Wärme) zum Blogschreiben, Lesen und Ausspannen von der vielen Fahrerei.

So gemütlich haben wir es dieser Tage selten.

Wir machten am nächsten Tag einen kleinen Ausflug zurück nach Invercargill und weiter nach Bluff, der vermutlich südlichsten Stadt Neuseelands abgesehen von Oban auf Stewart Island, die man von der Küste aus schon sah, tranken einen Kaffee, tankten noch einmal Benzin und Lebensmittel, um für die Weiterfahrt in die Fiordlands gerüstet zu sein und kehrten dann wieder nach Riverton zurück, zu Kamin und schnurrendem Kater. So lässt sich der Winter schon eher ertragen…

Nicht ganz der südlichste Punkt unserer Reise, aber es fühlte sich auf jeden Fall so an.

Ankunft in Mittelerde

02. Juni 2016, Dunedin/Neuseeland

Ihr Lieben, es ist ja sooo viel passiert seit unserem letzten Eintrag! Wir haben es nach Mittelerde Neuseeland geschafft. Für Kathrin erfüllt sich ein lang gehegter Traum und ich für meinen Teil weiß nicht, was ich in meinem letzten Leben richtig gemacht habe, dass ich jetzt schon zum dritten Mal hier sein darf.

Aber mal der Reihe nach.

Von unserer Trauminsel Gili Meno aus fuhren wir zurück nach Bali und verbrachten noch zwei Tage im Touri-Ort Seminyak nahe Kuta, wo wir am Anfang gewesen waren. Wir wollten eigentlich mal Parasailing ausprobieren, wo man sich an einem Fallschirm vom Boot aus übers Meer ziehen lässt, aber die Windrichtung war ungünstig, weshalb wir es nicht buchen konnten. Dann suchten wir neue Schuhe für mich, da sich von meinem einzigen Paar fester Schuhe ja die Unterseite der Sohle komplett abgelöst hatte, in der Hoffnung, in Indonesien günstigere Schuhe zu finden als dann in Neuseeland. Leider gab es im schicken Seminyak aber nur Laufschuhe für Jogging am Strand bei schönem Wetter, nichts für Regen und 10°C. Und wir recherchierten ein paar Dinge für Neuseeland, beantragten in letzter Sekunde ein Visum für Australien, wo wir ja umsteigen mussten – für den Fall, dass unser Gepäck nicht durchgecheckt würde, und buchten uns am Tag unseres Abfluges noch ein Rückflugticket von Neuseeland nach Australien, da wir gelesen hatten, dass ein Ausreisenachweis unbedingt erforderlich ist, wenn man nach Neuseeland will. Eigentlich hatten wir über eine Agentur ein Leihticket gebucht, aber diese ließ uns dreist im Stich und schickte das Ticket einfach nicht. So mussten wir dann leider ein richtiges Ticket buchen, das wir nun wieder stornieren müssen. Und kaum kamen wir am Flughafen von Bali an und checkten unser Gepäck ein, wurden wir auch schon nach dem Rückreiseticket gefragt, welches sogar im System auf seine Gültigkeit geprüft wurde. Ohne das Ticket hätte man uns also nicht einmal in den Flieger gelassen.

Auf jeden Fall hatte der Strand von Seminyak tolle Sonnenuntergänge zu bieten.

Aber dann war die Bürokratie vergessen und es ging endlich los, am 24. Mai um 22:10 Uhr mit Virgin Australia. Das Boarding am Flughafen war gelinde gesagt chaotisch. Da Balis Flughafen wohl ziemlich überlastet ist, werden teilweise mehrere Abflüge parallel am selben Gate abgefertigt. An unserem Gate boardeten zur gleichen Zeit noch zwei weitere Flüge, und eine Menge Personal mit verschiedenen Schildern versuchte sicherzustellen, dass jeder in den richtigen Zubringerbus einstieg.

Fünfeinhalb Stunden dauerte der Flug nach Brisbane, wo wir gegen 5:30 Uhr Ortszeit ankamen. Wir kauften uns von den australischen Dollarn, die eine/r von euch uns geschenkt hatte, ein Frühstück und genossen den australischen Sonnenaufgang, bevor es 9:30 Uhr weiterging. Nach Christchurch auf der neuseeländischen Südinsel waren es noch einmal drei Flugstunden und zwei weitere Stunden Zeitverschiebung, sodass wir kurz vor 15 Uhr ankamen. Im Landeanflug stellten wir fest, dass wir genau auf der richtigen Seite des Flugzeuges saßen, um die majestätischen Südalpen – schneebedeckt – aus der Luft zu sehen, ein überwältigender Anblick.

Wir hoben Geld am Flughafen ab, fuhren mit dem Stadtbus ins Zentrum, checkten in unserem Hostel ein und liefen gleich noch zum nächstbesten Supermarkt, denn ab jetzt heißt es wieder selber kochen. Neuseeland ist teuer und Essen gehen ist nur noch vereinzelt drin. Dafür haben die Hostels umfangreich ausgestattete Küchen. Und wir genossen nach Monaten in Asien endlich einmal wieder den Luxus von richtigem Bettzeug in richtiger Bettwäsche (in Indonesien bekommt man meist nur eine Stoffdecke ohne Bezug oder einfach nur ein Laken). Dies war auch nötig, denn ab jetzt ist Frieren angesagt. In Neuseeland war diese Woche Winteranfang und die Tagestemperaturen erreichen gerade noch den zweistelligen Bereich. Daran müssen wir uns auch erst wieder gewöhnen…

Gleich am nächsten Tag klapperten wir mehrere Mietwagenfirmen ab, schauten uns die Campervans an und ließen uns Angebote machen. Wir schauten auch online und am Schwarzen Brett des Hostels nach gebrauchten Vans zum Verkauf, aber da wir nicht sicher sind, wie lange wir eigentlich in Neuseeland bleiben werden, wollten wir nicht riskieren, am Ende noch viel Zeit mit dem Weiterverkauf des Fahrzeuges verschwenden zu müssen. Davon abgesehen haben wir ja beide nicht den leisesten Schimmer von Autos und hätten überhaupt nicht einschätzen können, was wir da kaufen. Also entschieden wir uns am Ende für das Mieten eines Campervans der Firma Spaceships, da es nicht nur das günstigste Angebot mit jeder Menge Extras war, sondern uns auch von der Raumaufteilung am besten gefiel.

Impressionen aus Christchurch: der Clock Tower…

…und die Kathedrale – fast sieben Jahre nach dem verheerenden Erdbeben hat sich hier nichts verändert.

Im Rest des Stadtzentrum sieht es überwiegend so aus.

Sonntag hatte die Firma geschlossen, sodass wir unser „Spaceship“ erst am Montag abholen konnten und noch einen Tag zu Fuß unterwegs waren. Also machten wir einen Ausflug zum nächstgelegenen Ziel, in die Antarktis. Ist ja von Neuseeland nicht so weit. 😉 Genau genommen verbrachten wir den Tag im International Antarctic Center, einem interaktiven Museum über die Antarktis-Expeditionen, die von Christchurch aus durchgeführt werden. Vom Stadtzentrum gab es einen kostenlosen Shuttlebus, da es etwas außerhalb nahe des Flughafens gelegen ist. Gleich am Ticketschalter erhielten wir einen Lageplan des Museums mit allen Attraktionen und die freundliche Schalterdame plante brüsk unseren gesamten Aufenthalt durch – welche Aktivität wir zu welcher Zeit mitmachen sollten, um alles zu schaffen. Am Ende waren wir fünf Stunden dort, aber es gab eben auch wirklich viel zu sehen und zu tun. Als erstes schauten wir in einem 4D-Kino einen kurzen Film, in dem wir quasi Teil einer Antarktis-Kreuzfahrt waren. Es gab natürlich 3D-Brillen und die 4. Dimension waren Special Effects wie zum Beispiel das Vibrieren und Rucken der Sitze, als wir mit dem Eisbrecher durch die Eisschollen fuhren oder Sprühstöße kalten Wassers ins Gesicht, wenn uns eine Robbe, der wir zu nahe kamen, anspuckte. 😛 Danach gingen wir nach draußen um eine Runde in einem Hägglund zu fahren, einem kastenförmigen Kettenfahrzeug des schwedischen Militärs, das in der Antarktis zum Einsatz kommt und in jedem Gelände fahren und sogar schwimmen kann. Natürlich mussten wir hinten drin Platz nehmen und durften nicht selber fahren, aber es war trotzdem ein Erlebnis. Hinter dem Museum gab es einen Parcours aus Stapeln von Autoreifen oder auch Baumstämmen, breiten Gräben und Schlammlöchern und sehr, sehr steilen Hügeln – es war eine sehr holprige Fahrt, aber der Hägglund ratterte solide überall hindurch bzw. darüber hinweg. Zurück am Museum entdeckten wir den Husky-Paddock, wo ein paar der Hunde in der Sonne lagen und unter Aufsicht gestreichelt werden durften. Wir erfuhren, dass es bei Huskies wie bei Menschen verschiedene Augenfarben gibt; ein reinrassiger Husky muss also nicht unbedingt blaue Augen haben.

Mit Husky in der Kältekammer

So sieht ein Hägglund aus.

Wieder drin wanderten wir durch die umfangreiche Ausstellung zur Flora (ja, es gibt tatsächlich ein paar Moose und Flechten) und Fauna der Antarktis, besichtigten das nachgebaute Innere eines amerikanischen Militärflugzeuges, mit welchem Menschen und Güter von Christchurch aus zu den Forschungsstationen gebracht werden und schauten mehrere interessante Filme – einen auf großer Leinwand mit atemberaubenden Aufnahmen der unglaublich weiten Landschaften und einen, der einen See in der Antarktis im Jahresverlauf im Zeitraffer zeigte, wobei es im Winter einfach eine Weile zappenduster war, nur gelegentlich unterbrochen von den Nordlichtern, die dort natürlich Südlichter heißen. Wir erfuhren, dass Feuer eine der größten Gefahren für die Forschungsstationen ist, da es an Löschwasser mangelt. Die Antarktis ist einer der trockensten Orte der Welt.

Zwischendurch machten wir einen Abstecher in die Kältekammer, wo bei -8°C richtiger Schnee lag und in regelmäßigen Abständen ein antarktischer Sturm simuliert wurde. Wir rüsteten uns mit allen Klamotten, die wir mit hatten sowie mit den bereitgestellten dicken Jacken aus. Es wurde düster und der Wind heulte – und auch wenn die Temperatur konstant blieb, sank doch die gefühlte Temperatur durch den Wind, wie uns eine Anzeige mitteilte, auf frostige -18°C. Nach etwa zwei Minuten war der Spuk vorüber, und während man draußen die Überzüge von den Schuhen pellte (die man tragen musste, damit der Schnee in der Kammer nicht schmutzig wird), konnte man sich an einem beheizten Geländer festhalten. Eine Gruppe Jungs, die einen Kindergeburtstag dort feierten, machten eine Mutprobe und alle waren nur im T-Shirt in der Kältekammer, aber natürlich knickte im Gruppenzwang niemand ein und alle bibberten tapfer ihren Weg durch den Sturm – wobei die Mitarbeiterin vor Ort uns zuzwinkerte, dass das für antarktische Verhältnisse eine warme Sommerbrise gewesen sei. Letzter Programmpunkt war schließlich die Pinguinfütterung. Das Antarktiszentrum fungiert nämlich gleichzeitig als Auffangstation für verletzte Pinguine, die dort medizinisch versorgt und wieder aufgepäppelt werden. Das war alles in allem ein richtiger cooler Tag! 😉

Montag war es dann soweit und wir konnten unser Spaceship in Empfang nehmen. Wir ließen es noch mit ein paar Extras wie Schneeketten und einem Winterpaket ausstatten (Ölradiator samt Stromkabel, extra Bettdecke, Thermoskanne und Wärmflaschen) und dann ging es ab auf die Straße. Natürlich auf die linke Seite der Straße! Das Linksfahren hatten wir ja zum Glück auf früheren Roadtrips in Linksfahrländern schon geübt. Viel gewöhnungsbedürftiger war die Größe unseres Toyota Estima sowie die Automatikschaltung, und dass der Blinkerhebel rechts ist – statt zu blinken, wischen wir ab und zu aus Versehen die Scheibe.

Jedes Spaceship hat noch einen Eigennamen – unseres heißt Capella.

Die erste Nacht verbrachten wir auf einem Campingplatz in Amberley, ein Stück nördlich von Christchurch, da die Plätze in Stadtnähe alle sehr teuer waren. Wir brieten Falafel auf einem unserer beiden Gaskocher und ließen, dank Stromanschluss, über Nacht unseren Ölradiator laufen. Es war zwar kalt, aber unter unseren drei Bettdecken froren wir nicht. Und wir machten abends noch einen Spaziergang zum eine Minute entfernten Strand, wo wir unzählige Sterne und sogar die Milchstraße ganz deutlich sahen. Dank einer Handy-App konnten wir sogar ein paar Sternbilder finden.

Am nächsten Tag fuhren wir zurück nach Christchurch und weiter auf die Banks Peninsula nach Akaroa. Das Wetter war traumhaft schön und wir hatten vom Pass aus eine tolle Aussicht auf die Bucht und die Hügel. Nach einem kurzen Spaziergang durch Akaroa fuhren wir die Scenic Route auf gewundenen kleinen Straßen steil hinauf bis fast in die Nebelschwaden hinein und auf der anderen Seite wieder hinunter in die kleinen Buchten mit ihren abgelegenen Siedlungen. Stellenweise waren die Straßen nicht einmal asphaltiert, aber es war natürlich auch nicht viel Verkehr. Wir machten eine Schnittchenpause in einer der Buchten (im Campervan hat man ja immer alles dabei) und erreichten dann im letzten Tageslicht den Ort Duvauchelle, wo wir die Nacht auf einem Campingplatz direkt am Ufer der Bucht verbrachten. Dort gab es eine gut ausgestattete Küche, sodass wir dort kochten. Außer uns waren noch zwei andere Campervans da und eine Handvoll Dauercamper, aber im Großen und Ganzen war der Platz leer.

In Akaroa gibt es sehr hübsche Häuschen.

Die Banks Peninsula mit Akaroa im Tal

Tolle Aussicht auf der Scenic Route

Nach Akaroa waren wir nicht nur wegen der pittoresken Landschaft gekommen sondern auch, weil es hier eine ganz besondere Aktivität gibt. Ihr werdet uns jetzt für verrückt erklären, aber wir buchten eine Tour, bei der man mit Delfinen im offenen Meer schwimmen kann. Ja, im Winter. Schlechtes Timing, zugegeben, aber wir wollten das unbedingt machen und so viel wärmer ist der Ozean ja im Sommer vermutlich ohnehin nicht.

Die Delfine, die hier leben, sind Hector-Delfine, mit maximal 1,40m Körperlänge die kleinsten der Welt, und es gibt sie nur in Neuseeland. Und in Akaroa hat man die einzigartige Möglichkeit, mit ihnen in freier Wildbahn zu schwimmen.

Wir fanden uns vormittags bei Black Cat Cruises ein, dem einzigen zugelassenen Anbieter der Touren, wo wir eine umfangreiche Einweisung und ebenso umfangreiche Ausrüstung erhielten: Neoprenanzug (6mm dick), Neoprenschuhe und -handschuhe und auf Wunsch noch eine Neoprenkapuze, dazu Schnorchel und Taucherbrille. Neoprenanzüge anziehen ist harte Arbeit. Man steigt in die Beine und versucht, die Kniepartie bis zu den Knien hochzuschieben (ein Hoch auf rasierte Beine), dann zerrt man weiter daran, bis die Beine komplett drinstecken, zwängt sich in die Ärmel und bittet dann einen netten Mitmenschen, den Reißverschluss am Rücken zu schließen. Wenn man fertig ist, fühlt man sich ein bisschen wie das Michelin-Männchen. Wer braucht schon Bewegungsfreiheit.

Nachdem wir alle Teile angezogen hatten, ging es mit einem kleinen Boot hinaus aus der Bucht aufs offene Meer und dann hieß es Ausschau halten nach den Delfinen. Mit uns an Bord waren außer dem Skipper und der Tourleiterin noch eine Deutsche, ein Japaner sowie ein Paar aus Singapur. Wir trieben eine ganze Weile gemächlich vor uns hin bis plötzlich die erste Delfinflosse auftauchte. Eine Gruppe von drei Tieren näherte sich dem Boot. Nun hieß es abwarten, ob sie Interesse an uns zeigten. Die Tourleiterin hatte uns gesagt, dass sie die vorangegangenen Tage nicht in Stimmung gewesen waren und wieder davon geschwommen waren. In diesem Fall hätten wir einen Teil des Preises zurückerhalten, aber wir hatten Glück. Die Gruppe kehrte wieder und wieder zum Boot zurück, also hieß es Zähne zusammenbeißen und ab ins Wasser. Ins 8°C kalte Wasser. Das in den Neoprenanzug hineinfließt. Unter dem Neoprenanzug trägt man nur Badesachen, damit der Körper außer der Wasserschicht nichts weiter erwärmen muss und zugegeben, es ist nicht so schrecklich, wie wir es uns vorgestellt hatten. Aber warm ist es auch nicht, da muss man sich keine Illusionen machen.

Beim Schwimmen wurde es auch nicht warm, da wir angewiesen waren, möglichst nur zu treiben, um den Delfinen keine Angst zu machen. Treiben im Neoprenanzug erfordert auch erstmal ein bisschen Übung, denn man hat in dem Teil einen sehr starken Auftrieb, sodass es gar nicht so einfach ist, die Füße unten zu halten. Dafür ist es unmöglich, unterzugehen.

So trieben wir also in der Nähe des Bootes und der Skipper signalisierte uns immer, wenn die Delfine auf uns zukamen, sodass wir sie immer wieder an uns vorbei schwimmen sahen. Ein paar Mal kamen sie sogar bis auf einen Meter heran und mit der Schnorchelausrüstung konnte man sie auch direkt unter sich durchschimmen sehen. Anfassen konnten wir sie allerdings nicht; zum einen kamen sie dafür nicht nahe genug, zum anderen sagte man uns, dass es ihnen tatsächlich wehtut, weil ihre Haut sehr empfindlich ist.

Na, wer erkennt uns? Und wer findet den Delfin im Bild?

Nach etwa einer Dreiviertelstunde sammelte das Boot uns alle wieder ein und die Tourleiterin füllte jedem auf Wunsch den Neoprenanzug mit warmem Wasser, wobei sie einen Schlauch oben in den Nackenteil hielt und man das Gefühl hatte, sich einzumachen, aber es war herrlich. Dann gab es Kekse und heiße Schokolade, Handwärmer (diese Gelkissen zum Knicken) und außerdem noch Frotteehandtücher und Vliesjacken für die besonders Durchgefrorenen, was erstaunlicherweise nicht Kathrin war sondern ich; mir schwappte vor Zittern fast die Schokolade aus der Tasse; und die Frau aus Singapur hatte sogar Gänsehaut an den Wangen, ich wusste gar nicht, dass das geht.

Das Boot machte noch einen kurzen Stopp in einer kleinen Bucht, wo es Robben zu sehen gab, und dann ging es zurück in den Hafen, wo wir uns endlich aus der Neoprenausrüstung schälen und heiß duschen konnten, oh Wonne. Das war dann auch wirklich nötig.

Wir beschlossen, uns mit einer heißen Portion Pommes aus dem Fish&Chips-Laden zu belohnen. Natürlich bestellten wir zwei Portionen, wollten ja beide satt werden, und dann warteten wir eine ganze Weile, länger als Pommes eigentlich dauern sollten. Aber schließlich wurden wir aufgerufen und erhielten ein riesiges Paket, in braunes Papier eingewickelt. Darin waren frisch gemachte Pommes für mindestens vier Personen – Neuseeländer scheinen viel zu essen, wenn das die Standardgröße ist. Zumindest waren wir danach erstmal wieder satt und aufgewärmt.

Da es noch hell war, fuhren wir zu einem kleinen Parkplatz außerhalb des Ortes, von wo man zu einem hübschen kleinen Wasserfall im Wald laufen konnte. Leider setzte ich beim Einparken unseren Van rücklings gegen eine Böschung – blöde Automatik – und ein Stück der Stoßstangenverkleidung hinten löste sich. Also mussten wir bei der Hotline der Mietwagenfirma anrufen, die uns an die nächst gelegene Werkstatt in Akaroa verwies. Dort fuhren wir gleich am nächsten Vormittag hin und der Schaden wurde in einer halben Stunde behoben. Dank Versicherung, die wir dazu gebucht hatten, mussten wir nicht einmal etwas bezahlen. So konnten wir unsere Fahrt in Richtung Süden fortsetzen…

Endstation Paradies

20. Mai 2017, Gili Meno

Es gibt ein Zitat von Lao Tse, was sinngemäß ausdrückt, dass man auf Reisen nicht zu viele Pläne machen sollte. Wir hatten einen groben Plan, der vorsah, ein paar Tage auf der kleinen Insel Gili Meno zu bleiben, um die Meeresschildkröten zu sehen, danach vielleicht noch auf eine andere der drei kleinen Gilis zu fahren und anschließend ein, zwei Orte auf Lombok zu besuchen. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Am Ende waren wir… ich weiß nicht so genau wie lange hier auf Gili Meno. Jedenfalls länger, und auf jeden Fall viel länger als geplant. Natürlich könnte ich in den Kalender schauen, aber das ist ja das Schöne am Reisen, dass man vergisst, welcher Wochentag ist; es spielt auch keine Rolle, so lange wir unseren Flug nach Neuseeland nicht verpassen. Aus den paar Tagen wurden ein paar Tage mehr, daraus eine Woche, dann anderthalb und schließlich beschlossen wir, nirgendwo anders mehr hinzufahren. Von den anderen beiden Gilis rieten uns andere Reisende ab, die dort gewesen waren und den Vergleich ziehen konnten. Gili Meno wäre mit Abstand die schönste und entspannteste der drei Inseln. Und als die verbleibende Zeit in Indonesien immer weiter schrumpfte, sahen wir auch immer weniger Sinn darin, noch nach Lombok zu fahren; das hätte sich einfach nicht mehr gelohnt. Und so waren wir am Ende zwei Wochen auf Gili Meno und sind uns einig, dass das die beste Entscheidung war.

Von Padangbai auf Bali fuhren wir mit dem Schnellboot, was natürlich wie immer in Indonesien länger dauerte, als man uns gesagt hatte. Aber was soll’s. Wir waren schon heilfroh, dass wir zumindest von all den kleinen Schnellbooten das größte gebucht hatten, denn die erste Dreiviertelstunde der Überfahrt war gelinde gesagt holprig. Zuerst hatten wir im Passagierraum Platz genommen, aber als dann kurz nach dem Ablegen viele Leute nach oben gingen, taten wir es ihnen gleich. Leider gab es oben weder Schatten (ein Hoch auf Sonnencreme und lange Kleidung) noch Sitze; man saß auf dem metallenen, heißen Fußboden (ein Hoch auf multifunktionale Tücher, die man zu Kissen falten kann) und da wir etwas spät dran waren, hatten wir nicht einmal eine Lehne. Aber dafür gab es frische Luft und man sah den Horizont, was gegen die Übelkeit half. Wenn wir uns allerdings vorstellen, dass wir diese Strecke in einer der Nussschalen hätten zurücklegen müssen… Selbst unser relativ großes Boot (was vermutlich immer noch besser für eine Flusskreuzfahrt geeignet gewesen wäre) kam ganz schön ins Schaukeln. Ein paar Mal, wenn eine etwas größere Welle von der Seite schwappte, legte sich das Boot dermaßen schief, dass wir dachten, gleich kippen wir um. Dass dann der Motor still wurde, weil der Kapitän sozusagen „den Fuß vom Gas nahm“ als ob er das Gleiche befürchtete, war auch nicht gerade beruhigend, obwohl es natürlich sicher die richtige Vorgehensweise war und besser, als mit Vollgas ins Verderben zu fahren. Einziges Highlight war eine Gruppe Delfine, die plötzlich links und rechts vom Boot auftauchte und uns alle für einen Moment unsere Sorgen vergessen ließ. Glücklicherweise wurde die See dann näher an Lombok ruhiger, und mit ihr unsere Nerven.

Gili Meno ist die kleinste der drei sehr kleinen Gilis, die eigentlich nicht viel mehr sind als Sandhäufchen vor der Küste Lomboks. Die Insel hat eine Nord-Süd-Ausdehnung von etwa zwei Kilometern und von der Ost- zur Westküste misst sie etwa einen Kilometer. In anderthalb Stunden hat man sie bequem einmal komplett zu Fuß umrundet, inklusive sehr vieler Fotostopps. In der Mitte gibt es einen kleinen See, dessen Ufer rundherum von einem Mangrovenwäldchen gesäumt wird. Etwa vierhundert Menschen leben auf Gili Meno – vermutlich in erster Linie von Fischerei und Tourismus; es gibt wohl keine Familie, die nicht ein paar Bungalows vermietet, einen Laden oder ein Restaurant betreibt oder Transport irgendwelcher Art anbietet. Straßen gibt es keine auf der Insel, nur Sandwege, die stellenweise holprig asphaltiert oder gepflastert sind, und entsprechend gibt es auch keine Autos oder Motorräder. Himmlische Ruhe! Wer trotzdem nicht laufen will, kann Fahrräder leihen oder sich in einer kleinen Pferdekutsche chauffieren lassen, von denen es hier vielleicht ein Dutzend oder mehr gibt. Der „Hafen“ ist ein desolater kleiner Pier, der nicht mehr benutzt wird; die Boote sind fast alle klein genug, um direkt am Strand anzulegen.

Unserer großer Kutter konnte allerdings nicht bis an den Strand heranfahren, daher ankerten wir an einer Boje vor dem Strand und wurden mit einem kleineren Boot, das im Prinzip nichts weiter als eine schwimmende Plattform mit Dach war, abgeholt, und dann machten wir uns auf den kurzen Fußweg zu unserem gebuchten Guesthouse.

Wir hatten einen Bungalow im Zentrum der Insel. Er war sehr preiswert, aber auch sehr einfach und es roch unangenehm darin. Daher suchten wir am nächsten Tag noch einmal und zogen um in etwas besseres, das kaum teurer war – wiederum ein Bungalow, sehr schick, in einem wunderschönen Garten gelegen und nur zwei Minuten vom Strand entfernt. Einziger Wermutstropfen war die gelegentliche Begegnung mit der einheimischen Fauna, auf die wir beide gern verzichtet hätten. Gleich am ersten Abend in unserem eigentlich schicken Bungalow grüßte uns, als wir vom Essen kamen, ein achtbeiniges Tier von der Größe meiner Handfläche. Dieser Herausforderung waren wir mit unserem lächerlichen Becher definitiv nicht gewachsen. Bevor ich zu hyperventilieren anfing, lief ich los, Hilfe zu holen während Kathrin heldenhaft das Tier im Auge behielt. Es bewegte sich zum Glück keinen Zentimeter bis ich mit der Gastgeberin wiederkam, die uns schließlich mit Hilfe eines Besens rettete und versicherte, das Tier sei nicht gefährlich. Darüber hinaus hatten wir die gelegentliche Straße kleiner und manchmal auch sehr großer Ameisen. Kleine Kakerlaken. Große Kakerlaken. Einmal fand eine kleine Grille den Weg in unser Bad – wir wissen nicht, durch welche Ritze – und zirpte eine Stunde lang mit Inbrunst vor sich hin, vermutlich selbst beeindruckt von der tollen Akustik in unserem halligen Bad. Ansonsten begegneten wir auf der Insel zum Glück nur den vielen hübschen Katzen und den bunten Pferdchen, die die Kutschen zogen. Unsere Bungalownachbarn berichteten von einer grünen Viper, die ihnen bei ihrem Spaziergang über den Weg geschlängelt war.

Nichtsdestotrotz blieben wir am Ende eine Woche in dem Bungalow (glücklicherweise verschont von weiteren Spinnen) und freundeten uns mit den anderen Gästen und der jungen Eigentümerin Citha an. Sie war sehr gesprächig und hilfsbereit und wir spielten auch viel mit ihrer sehr niedlichen, dreijährigen Tochter Dea, deren Charme sich einfach niemand entziehen konnte. Einen Abend lud sie uns und zwei Australierinnen, die ebenfalls länger bei ihr wohnten, zum Abendessen ein und kochte ein leckeres Fischcurry für uns. Ein paar Tage später hatte sie eine große Familienfeier anlässlich des bevorstehenden Ramadan und lud uns noch einmal ein. Leider mussten wir nach einer Woche umziehen, weil bei Citha alle Bungalows ausgebucht waren. Aber wir fanden einen gleichwertigen Bungalow direkt bei der Nachbarin, die ebenfalls sehr nett war und auch eine sehr süße kleine Tochter hatte.

Die Menschen waren unglaublich freundlich auf der Insel. Man wurde zwar am Strand hin und wieder von Verkäufern angesprochen, die Obst, Armbänder, Tücher oder eine Massage anboten, aber zumeist genügte es, einmal freundlich abzulehnen und man hatte wieder seine Ruhe. Viele Leute kannten wir nach fast zwei Wochen, einer Schnorcheltour, unseren vielen Stunden am Strand und zahlreichen abendlichen Restaurantbesuchen inzwischen schon vom Sehen, wenn nicht sogar mit Namen und blieben oft auf einen Plausch hängen – wie es geht, wie die Geschäfte laufen, was wir vorhaben oder -hatten, ein paar Scherze austauschen. Wenn man durchs Dorf lief, grüßten viele Leute, auch andere Touristen. Die Inselruhe färbte auf alle ab.

Von den Nachbarinseln, beide nur etwa einen Kilometer entfernt und daher gut in Sichtweite, hörten wir nichts gutes. Auf Gili Air im Osten leben 1.300 Menschen, obwohl die Insel kaum größer als „unsere“ ist. Es soll sehr viel geschäftiger zugehen und die Strände sollen nicht halb so schön sein. Gili Trawangan im Westen, kurz Gili T genannt, ist als die Partyinsel berüchtigt, wo sich am Strand eine Bar an die andere reiht, Drogen verkauft werden und eine Menge unangenehmer Leute unterwegs sind, sowohl Touristen als auch Einheimische. Auf Gili Meno hingegen war das aufregendste, was man abends unternehmen konnte, vermutlich die gelegentliche Filmvorführung in einem von zwei Restaurants am Nord- bzw. Oststrand. Wenn wir abends mal etwas später essen gingen, nach halb acht, war es in den Restaurants schon ziemlich leer. Wir ließen den Abend gern mit einem Blick hinüber auf Lombok im Licht des Vollmonds oder in den Sternenhimmel ausklingen.

Tagsüber gab es auch nicht viel mehr zu tun. Man konnte über die Insel spazieren und das Leben der Einheimischen im Dorf beobachten oder an den Strand gehen. Man konnte eine Schildkrötenauffangstation (was für ein schönes langes Wort) besuchen, die nur aus ein paar kleinen Wasserbecken bestand, in denen die eingesammelten Babyschildkröten in Sicherheit heranwachsen können, bis sie groß genug sind, im offenen Meer nicht mehr von ihren Feinden gefressen zu werden. Es gab wohl mal einen Vogelpark, der aber aussah, als ob er schon lange geschlossen wäre. Man konnte ein Stück weit am Ufer des Sees im Inselzentrum entlang laufen. Es gab die Möglichkeit, am Strand zu reiten, und es wurde eine Schnorcheltour rund um die Insel angeboten. Das war’s. Kulinarisch hatte Gili Meno erstaunlich viel zu bieten. Wenn wir mittags hungrig waren, gingen wir in eines der zahlreichen kleinen Nasi Campur-Restaurants im Dorf, wo das Essen günstig, lecker und abwechslungsreich war. Grüne Bohnen mit Knoblauch und Sprossen gab es oft, knuspriges Tempeh (manchmal scharf-süß, manchmal mit Erdnüssen gemischt), oder schwarze Bohnen, oder Rettich(?) in Currysauce; einmal hatten wir auch scharfen Oktopus (?), weil wir natürlich nur „ohne Fleisch“ gesagt hatten. Passiert.

Nasi Campur

Wenn uns nur nach einem Snack zumute war, kauften wir frisches Obst von einer der Verkäuferinnen am Strand, Mango, Ananas, Kokosnuss. Vor allem die Ananas war ein Traum. Abends gönnten wir uns öfter mal eine frisch zubereitete Steinofenpizza in Bibi’s Restaurant am Strand, die in Italien nicht besser hätte schmecken können. Generell war auch das westliche Essen auf der Insel richtig gut, sehr authentisch, wenngleich es natürlich für indonesische Verhältnisse ziemlich teuer war.

Am häufigsten gingen wir an den großen Strand im Südosten der Insel zum Baden. Obwohl dies der Hauptstrand war, ging es sehr entspannt zu und war alles andere als überlaufen. Leider konnte zumindest ich nach reichlich einer Woche nicht mehr ins Wasser gehen, da es wieder Plankton gab, auf den ich allergisch reagierte – vermutlich aus den Gewässern rund um Lombok, nachdem der Wind gedreht hatte. Dennoch war es wunderschön am Strand, denn von dort hatte man einen überwältigend schönen Blick auf Lombok mit den weißen Stränden von Gili Air im Vordergrund, dessen wir einfach nicht überdrüssig wurden. Lombok ist bergig, zerklüftet und sattgrün, eine traumhafte Kulisse, und wenn mal keine Wolken zwischen den gezackten Gipfeln hingen, vor allem morgens, bot sich eine klare Sicht auf den riesigen, fast viertausend Meter hohen Vulkan Rinjani, der gut und gern die Hälfte Lomboks dominiert. Die kleine Meerenge zwischen den Gilis und Lombok erstrahlte in den schönsten Blautönen – nahe am Strand türkis über dem weißgoldenen Sand, dann aquamarin über dem Korallenriff, und schließlich nachtblau über dem offenen Meer, gelegentlich noch gespickt mit ein paar bunten kleinen Booten.

Vulkan Rinjani auf Lombok

Abendessen am Stand

Wer könnte hier schon weg wollen….

Da die Gilis von Riffen umgeben sind, konnte man direkt vom Strand schnorcheln gehen, was wir fast jeden Tag taten. Leider waren viele Korallen tot – Folge der globalen Erwärmung und eines großen Sturms vor einigen Jahren, wie uns Locals erklärten – aber der Tourismus und ständige Bootsverkehr zwischen den Inseln werden wohl auch ihren Anteil daran tragen. Dennoch sah man schon nahe am Strand viele verschiedene bunte Fische, und wenn man sich einer der geführten Schnorcheltouren anschloß, sah man noch viel mehr.

Dies ließen wir uns natürlich nicht entgehen. In einem Glasbodenboot! ging es rund um Gili Meno herum. Mit uns an Bord waren noch etwa acht weitere Leute, größtenteils Deutsche. Die Schnorchelausrüstung konnten wir an Land schon anprobieren, was auch gut war, da es diesmal noch Schwimmflossen dazu gab, die wir beide etwas gewöhnungsbedürftig fanden. Da die Tour drei Stunden genau über Mittag ging, hatte ich außerdem noch mit langer Hose, langärmligem Oberteil und Kopftuch aufgerüstet; Kathrin auch mit einem T-Shirt – die Erinnerung an unseren letzten Sonnenbrand vom Surftag in Batukaras war noch ausreichend frisch.

Insgesamt machten wir vier Stops, wo wir jeweils 20-25 Minuten schnorchelten. Ein Guide begleitete die Gruppe, schwamm voraus zu interessanten Stellen und fütterte zuweilen die Fische, was von mir aus nicht hätte sein müssen.

Was sich vor den Gilis im Wasser abspielt, war einfach traumhaft anzusehen. So viele bunte Fische hatten wir zuvor noch nie gesehen – es war wie in einem tropischen Aquarium zu schwimmen – und man hätte dem Gewusel unter Wasser einfach stundenlang zusehen können. Besonders Kathrin hätte sich gern viel länger treiben lassen, um das Spektakel zu bewundern. Neben den verschiedensten Fischarten, deren Namen wir nicht kannten, haben wir auch viele blaue Seesterne gesehen, eine Moräne, Anemonenfische (Nemo) vor ihrer Anemone, eine Seegurke und, das Beste, fünf Meeresschildkröten. Wir waren überrascht wie riesig sie werden können, die größte war so groß wie unser Guide, der immer wieder abtauchte, um uns auf die auf dem Meeresboden liegenden Schildkröten aufmerksam zu machen. Durch die Panzermusterung brauchte es schon etwas Übung, um sie zu finden. Es war unglaublich beeindruckend, diese Tiere im Ozean schwimmen zu sehen; es sah so gemächlich und anmutig aus, als ob sie durchs Wasser fliegen würden. Der Ausflug hat sich echt gelohnt! Kathrin liebäugelt jetzt eventuell mit der Anschaffung einer Unterwasserkamera. 😉

Ansonsten ließen wir einfach die Seele baumeln, saßen im Garten unseres wunderschönen Bungalows und lasen oder plauschten mit anderen Gästen und unseren Gastgebern, oder recherchierten ein paar Dinge für Neuseeland. Wenn wir nicht diese Woche unseren Weiterflug hätten, wären wir wahrscheinlich noch viel länger auf unserer Trauminsel hängen geblieben…