(Kein) Weihnachten in Kambodscha

29. Dezember 2016, Don Det/Laos

Zu allererst wünschen wir allen unseren Familien, Freunden, Kollegen und Mitlesern ein frohes neues Jahr 2017!  🙂

Unsere letzte Woche in Kambodscha war sehr entspannt, abseits der ausgetretenen Touristenpfade, mit viel Ruhe und Natur.

Die 390 km lange Fahrt von Siem Reap nach Kratie war ein tagesfüllendes Programm. Früh 6:30 Uhr wurden wir an unserem Hostel mit dem Tuktuk abgeholt und ins Stadtzentrum gefahren. Von dort ging es mit einem größeren Bus bis zum Büro der Busgesellschaft, wo wir in einen richtigen Reisebus umstiegen. Dieser war natürlich auch schon ein ziemlich altes Modell, wie so ziemlich jeder in Kambodscha, aber es gab eine Klimaanlage, die Sitze waren noch nicht zerschlissen und auf einem riesigen Bildschirm vorn liefen während der ganzen Fahrt schnulzige Khmer-Schlager. Nach etwa vier Stunden kamen wir in der kleinen Stadt Kampong Cham an, wo wir am Büro der Busgesellschaft abgesetzt wurden und dort auf den Anschluss warten sollten. Wir mussten auch tatsächlich nur weniger als eine Stunde warten. Das Reisen hat uns geduldig gemacht; alles unter einer Stunde ist noch kein Grund, irgendjemanden zu fragen, wann denn der Bus kommt; wir setzen uns einfach hin und harren der Dinge und meistens wissen die Angestellten sowieso nicht, wann der Bus eintrifft. Der Anschlussbus war allerdings nur ein Minivan. Zum Glück waren wir die ersten, die einstiegen, sodass wir uns gute Plätze hinter dem Fahrer sichern konnten, wo wir unser Gepäck auf die Ablage hinter dem Fahrersitz deponieren und bequem die Füße darauf hochlegen konnten – der Gepäckraum war komplett belegt mit 25 Rollen Stacheldraht… Der Minibus füllte sich dann aber auch schnell mit weiteren Passagieren; immer wieder hielt er am Straßenrand an, um neue Fahrgäste einsteigen zu lassen, und eh wir uns versahen, saßen wir zu viert auf den für drei Personen ausgelegten Sitzbänken, aber auch das ist hier normal. Von diesen kurzen Stopps abgesehen machte der Bus keine Pause, und allmählich hätte ich mal eine Toilette gebrauchen können. Irgendwann fuhren wir dann in einen Hof, wo Baumaterialien lagen und unser Fahrer und die Männer im Hof fingen an, den Stacheldraht auszuladen. Die anderen Fahrgäste stiegen aus und ich folgte ihnen in der Hoffnung, dass es vielleicht ein stilles Örtchen gäbe. Eine ältere Frau, die im Bus neben uns saß, hatte sich auf eine Bank gesetzt und winkte mich zu sich. Ich dachte, sie wartet vielleicht auch am WC, da dort einige Türen im Gebäude waren, aber nichts tat sich und irgendwann bedeutete ich ihr, dass ich mal müsste. Also stand sie auf, winkte mir, mitzukommen und ging hinten hinaus aus dem Hof, wo ein Wäldchen lag. Dort waren allerdings einige Männer am Arbeiten, also gingen wir wieder hinein, wo eine kleine Mauer stand. Ohne Umschweife kauerte die Frau sich dahinter und verrichtete ihr Geschäft, und da ich vermutete, dass sich keine bessere Gelegenheit mehr bietet, tat ich es ihr einfach gleich und kauerte mich daneben – Problem gelöst. Zurück im Hof winkte mich eine andere Frau aus dem Bus zu sich und fotografierte mich mit ihrem Handy. Dann noch ein Selfie mit uns beiden, und noch eins, und noch eins… Allmählich fragte ich mich, was sie mit all den Fotos machen wollte, aber da sie kein Englisch sprach, lachte sie nur über meine Frage. Zurück am Bus war inzwischen der gesamte Stacheldraht ausgeladen und die Fahrt ging weiter. Die Frau mit dem Handy zeigte mir zufrieden, wie sie unser Fotoshooting mittlerweile bei Facebook hochgeladen hatte… Gegen 16:30 Uhr kamen wir endlich in Kratie an. Unser Guesthouse war in Laufweite von der Bushaltestelle am Zentralmarkt, mit einer großen Terrasse, von der aus man wunderschöne Sonnenuntergänge über dem Mekong sehen konnte wie den, von dem ich im letzten Beitrag geschrieben hatte (ein Foto davon findet ihr in unserem Weihnachtskalender).

Unser Ausflug zu den Süßwasserdelphinen – dem Grund für unseren Stop in Kratie – war eine Kayaktour auf dem Mekong. Außer uns waren noch drei anderen Touristen dabei, ein Pärchen aus England und eine Tschechin. Wir trafen uns früh am Büro des Veranstalters, wo wir frischen Kürbiskuchen und Kaffee bekamen und unsere Sachen in wasserdichte Säcke packten. Dann fuhren wir auf der Ladefläche eines kleinen LKWs, wo auch die Kayaks lagen, etwa 20 km stromaufwärts, wo wir unseren Guide trafen und lospaddelten.

Zuerst ging es über den Fluss in ein Gebiet kleiner Inseln, wo wir nach etwa einer Stunde an einem sandigen Strand anlegten, einen Snack aus Klebreis und einer Art Lychees aßen und im Mekong baden konnten. Die Strömung war an dieser Stelle nicht ganz so stark und das erstaunlich flache Wasser hatte eine sehr angenehme Temperatur. So erfrischt bewegten wir uns dann weiter flussabwärts durch ein Gebiet, das „floating forest“ genannt wird, weil dort riesige Bäume mitten im Fluss stehen. Die Landschaft war wunderschön, aber die Strömung war sehr stark und wir hatten alle Hände voll zu tun, dem Guide zu folgen.

Im Floating Forest

Im Floating Forest

Starke Strömung

Starke Strömung

Als wir den schwimmenden Wald hinter uns ließen, kamen wir wieder auf den offenen Mekong. Unser Guide, der ein Kayak mit der Tschechin teilte, paddelte mühelos voraus; die beiden Engländer, die zuhause öfter kayaken gingen, wie sie uns erzählten, hatten auch keine Schwierigkeiten, aber uns war es kaum möglich, seitlich zur Strömung des riesigen Flusses mit den anderen mitzuhalten. Egal wie sehr wir uns anstrengten, der Abstand zum Rest der Gruppe wollte einfach nicht schrumpfen. Irgendwann hielten sie an, weil plötzlich ein paar Delfine auftauchten. Es gibt sie also wirklich, auch wenn ihre Art vom Aussterben bedroht ist – in Kambodscha leben noch etwa 80 Tiere, einige weitere in Laos, und einige in Myanmar. Viel mehr als eine Rückenflosse hier und da sah man aber nicht von ihnen und niemandem gelang es, ein Foto zu schießen. Der Guide und die Engländer paddelten ihnen hinterher quer zurück über den Fluss in Richtung des anderen Ufers, aber die Strömung war so stark, dass wir nicht noch einmal bis dorthin wollten, zumal wir ja sehr wahrscheinlich wieder am selben Ufer anlegen würden, wo wir eingestiegen waren. Leider wussten wir nicht, an welcher Stelle wir schließlich an Land gehen würden, also blieb uns nichts anderes übrig, als durchzuhalten, gegen die Strömung anzupaddeln, damit wir nicht abgetrieben wurden, und auf den Guide zu warten, der inzwischen so weit weg war, dass wir nicht einmal mehr hätten rufen können. Toller Guide, uns einfach in der Mitte des Mekong zurückzulassen. Nach einer endlos scheinenden Weile kamen die anderen schließlich irgendwann zurück und wir paddelten ans Ufer, wo die Tour endete. Wir wurden samt Kanus wieder auf den LKW geladen und fuhren zurück nach Kratie, wo wir erst einmal ein Nachmittagsschläfchen halten und uns ausruhen mussten. An diesem Nachmittag goss es in Strömen und wir waren echt froh, dass unsere Tour schon vorbei war; das hätte dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt.

Von Kratie aus fuhren wir nach Banlung ganz im Nordosten Kambodschas. Andere hatten uns erzählt, dass es dort einen vulkanischen Kratersee geben sollte, den wir gern sehen wollten. Die mit fünf bis sechs Stunden angegebene Fahrt endete schon nach vier an einem Busbahnhof im vermeintlichen Nirgendwo, wo natürlich schon geschäftstüchtige Tuktukfahrer auf Kundschaft warteten. Laut MapsMe waren wir noch 30 km von Banlung entfernt; das sah nach einer teuren Fahrt aus. Ein kanadisches Paar – außer uns die einzigen Ausländer im Bus – war einverstanden, ein Tuktuk mit uns zu teilen. Am Ende haben wir jeder nur einen Dollar für die Fahrt bezahlt, da es dann nur drei Kilometer waren; da hat MapsMe uns tatsächlich mal im Stich gelassen.

Banlung ist ein sehr kleiner Ort, der im Prinzip aus nicht vielmehr als einem Kreisverkehr mit ein paar Häuserblocks drumherum und einem Markt besteht; in zehn Minuten ist man mit dem Fahrrad von einem Ortsende zum anderen gefahren. Entsprechend ist das Touristenaufkommen dort auch eher gering, aber wir trafen trotzdem gleich am ersten Abend einige Ausländer. In unserem Guesthouse sahen wir einen Argentinier wieder, den wir schon in Kratie getroffen hatten, und er war gerade auf dem Weg zum Abendessen mit zwei Französinnen und einer Holländerin, die sich alle dort kennengelernt hatten; also schlossen wir uns an. Es war ein sehr lustiger Abend in einem Restaurant namens Green Carrot, und dort trafen wir noch zwei weitere Leute, einen Holländer und einen Portugiesen. Letzterer, Miguel, erzählte uns, dass er an dem Tag durch die Gegend geradelt und von einem Einheimischen auf etwas zu trinken eingeladen worden war. Der Mann war Englischlehrer und Miguel hatte ihm versprochen, am nächsten Tag in seine Schule zu kommen, um mit den Kindern Englisch zu sprechen. Da weitere Ausländer sehr willkommen wären, schloss ich mich am nächsten Tag spontan an und es sollte ein sehr interessanter Tag mit Miguel werden.

Kathrin machte einen faulen Tag im Guesthouse und schlief aus; das muss auch mal sein. Ich frühstückte mit Miguel in einem kleinen Einheimischen-Restaurant, wo wir ein riesiges Baguette mit Omelette und Kaffee für zwei Dollar bekamen. Danach gingen wir zu einer Geldwechselstube und tauschten Dollar in Riel, da in Banlung fast alles in Riel bezahlt wird. So ausgestattet liefen wir dann zum Markt, kauften eine Packung Stifte als Geschenk für die Schule und besorgten mir dann ein Leihfahrrad von dort, wo Miguel seines auch her hatte.

Die „Schule“ war ganz anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Im Garten eines Wohnhauses an einer staubigen Piste, unter einem einfachen Dach auf vier Stelzen, unterrichtete ein junger Kambodschaner Englisch. Die Schüler gehen morgens zu ihrem regulären Unterricht in eine nahe gelegen Schule, und wenn dieser gegen elf Uhr endet, kommen sie für zwei Stunden in die Englischschule. Danach fahren sie wieder in die richtige Schule und haben dort nachmittags noch einmal Unterricht. Die Schüler waren zwischen zehn und achtzehn Jahren alt und ziemlich schüchtern, aber gleichzeitig auch sehr neugierig. Sie hatten viele Fragen, die sie aber alle dem Lehrer stellten, der sie dann übersetzte. Wir übten gemeinsam ein paar einfache Dinge wie Farben, Zahlen und Monatsnamen, Aussprache usw. Es machte trotzdem sehr viel Spaß; die Schüler waren sehr motiviert und aufmerksam, aber wie viel ihnen unser kurzer Besuch am Ende gebracht hat, ist schwer zu sagen.

Eifrig bei der Sache

Eifrig bei der Sache

Nachmittags im Guesthouse unterhielten wir uns lange mit Mr. Jip, dem Vater des Inhabers, einem Mann von 71 Jahren, der sehr gut Englisch sprach und uns seine sehr bewegte Lebensgeschichte erzählte. Geboren in einem anderen Landesteil musste er schon als Kind sein Zuhause verlassen, um in die Schule gehen zu können, denn in seinem Dorf gab es nur eine Grundschule. Danach lebte er unter der Woche in einem Kloster zusammen mit fünfzehn anderen Kindern, von wo aus er es nicht so weit zur Sekundarschule hatte. Die Oberstufe besuchen konnte er allerdings nicht, denn das ging damals nur in Phnom Penh und dafür hatten seine Eltern kein Geld. Er arbeitete dann in einer französischen Kautschukfirma im Labor, musste die Arbeit aber nach einigen Jahren aufgeben, da er davon Asthma bekam. Dann kam der Krieg, in dem er seine Frau und seine beiden Kinder bei einem Bombardement verlor, und nach dem Krieg kamen die Roten Khmer. Da er als Laborant Angst um sein Leben hatte und einige seiner Freunde ermordet wurden, floh er aufs Land. Dort musste er einige Zeit Reis anbauen, bekam dann aber eine Arbeit als Kuhhirte zugeteilt, als sein Asthma zu schlimm für die Feldarbeit wurde. Eines Tages, erzählte er, schrieb er aus Langeweile, während er die Kühe hütete, mit einem Stock einige Zeilen in den Sand; doch jemand beobachtete ihn dabei und meldete ihn bei den Roten Khmer, wo er daraufhin beim Bezirksleiter vorsprechen musste. Er hatte große Angst, denn Intellektuelle, und überhaupt jeder, der lesen und schreiben konnte, wurden ja als Feinde des Regimes gesehen. Der Bezirksleiter verhörte ihn und diktierte ihm dann etwas zum Schreiben. Mr. Jip hatte Glück – anstatt ihn hinrichten zu lassen, machte der Bezirksleiter ihn zu seinem Sekretär… Er wurde, wie so viele seiner Landsleute, zwangsverheiratet mit einer Frau, die die Khmer Rouge für ihn aussuchten, und nach dem Untergang des Regimes verließ sie ihn. Er kehrte zurück in die Kautschukfirma und arbeitete dort in der Buchhaltung, aber sein Asthma wurde immer schlimmer. Die Tochter seiner Nachbarn, neunzehn Jahre jünger als er, kümmerte sich um ihn, woraufhin ihre Eltern sie zur Heirat drängten. Sie bekamen vier Kinder und sind noch heute verheiratet. Mr. Jip brachte es zu etwas Wohlstand, als er einen Hektar Land kaufen und bewirtschaften konnte. Über die Jahre vergrößerte er sein Land auf sieben Hektar, baute Mangos, Kautschuk und anderes an und hielt sogar vierzig Kühe. In seinen Sechzigerjahren wurde das Asthma dann so schlimm, dass er gar nicht mehr arbeiten konnte, aber er hatte wieder Glück. Ein alter Freund, der während des Khmer-Rouge-Regimes nach Frankreich geflohen war, kehrte nach Kambodscha zurück und besuchte ihn. Er war Arzt und gab ihm Spritzen, die ihn von seinem Leiden befreiten. Heute hat er kaum noch Beschwerden. Dafür kam ein neuer Schicksalsschlag. Die korrupte Regierung seines Landes zwang ihn, sein ganzes Land für magere 3.500 Dollar an vietnamesische Investoren zu verkaufen. In Ostkambodscha gehört ein Großteil des Landes Vietnamesen und Chinesen; selbst der Strom kommt aus Vietnam (und fällt öfter mal aus, dann wird die ganze Stadt plötzlich dunkel). Mit dem übrigen Geld half Mr. Jip schließlich seinem Sohn, das Guesthouse zu eröffnen, in dem wir nun übernachteten. Zuletzt hatte er mit seiner Frau auf einer Maniokplantage gearbeitet. Er erzählte, dass es sehr anstrengend gewesen sei; von morgens bis abends hätten sie in der prallen Sonne schuften müssen. Nun leben und arbeiten sie in dem Guesthouse; er kümmert sich um die Gäste und seine Frau kocht. Erst zu Beginn dieses Jahres hat er begonnen, Englisch zu lernen, und nun unterrichtet er jeden Tag jüngere Nachbarn, die zu ihm kommen. Wir waren alle sehr beeindruckt von seiner Geschichte.

Am späten Nachmittag fuhren Miguel und ich zu einem Tempel auf einem Hügel am Stadtrand, von wo aus man einen tollen Sonnenuntergang über der hügeligen, grünen Landschaft sehen konnte.

Ohne Worte...

Ohne Worte…

Danach wollten wir Kathrin das Restaurant zeigen, wo wir gefrühstückt hatten; entdeckten aber auf dem Weg dorthin noch ein anderes, das definitiv nur von Einheimischen frequentiert wurde, also änderten wir spontan unseren Plan und gingen hinein. Verunsicherte Gesichter begrüßten uns, und als wir uns dann tatsächlich auch noch an einen Tisch setzten, wurde die Mimik leicht panisch. Aber was soll man sagen, die handgeschriebene Speisekarte hatte auch eine englische Übersetzung, also rechneten sie ja anscheinend schon damit, dass sich ab und zu mal ein paar Ausländer dorthin verirren. Und das Essen war so gut! Gemüse in süßsaurer Sauce, Hühnchen mit einem grünen Gemüse, gebratenes Gemüse und Fisch in Lemongrass-Sauce – letzteres war so gut, dass wir noch einen Teller davon bestellten, dazu ein riesiger Topf Reis und gratis Tee, soviel wir wollten. Am Ende waren wir pappsatt für drei Dollar pro Nase, und es war das beste Essen, das wir in Kambodscha gegessen haben.

Miguel reiste am nächsten Tag ab, ebenso wie alle anderen aus unserer Runde vom ersten Abend. Wir unternahmen in den darauffolgenden Tagen Fahrradausflüge in die hügelige Umgebung von Banlung. Der Yeak Loam-Kratersee war wie ein Relikt aus Urzeiten; ein fast kreisrunder, mehr als 50 Meter tiefer See umgeben von einem dichten Dschungel. Wir spazierten einmal um den See herum, vielleicht reichlich zwei Kilometer und ließen uns dann auf einem der hölzernen Docks, nieder, die an mehreren Stellen in den See hineingebaut waren und von wo aus man baden konnte. Wir hatten ein Dock ganz für uns allein und das Wasser war entgegen unserer Befürchtungen von einer sehr angenehmen Temperatur, vielleicht 25 Grad; genau richtig zum Baden. Wir schwammen ein bisschen herum und picknickten dann unsere früh auf dem Markt gekauften Bananen und Klebreisstangen in Bananenblättern.

Urzeitliches Paradies - der Yeak Loam-Kratersee

Urzeitliches Paradies – der Yeak Loam-Kratersee

Heiligabend radelte ich allein zu zwei Wasserfällen, was eine sehr abenteuerliche Fahrt war. Von der asphaltierten Hauptstraße ging es auf eine Seitenstraße, die den Anschein machte, als wäre sie vor dreißig Jahren asphaltiert und seitdem nie erneuert worden. Nach einer Weile kam noch eine Menge Sand dazu und irgendwann endete der Asphalt ganz und wich roter Sandpiste. Diese bekam mit der Zeit noch Waschbrett-Rillen, Schlaglöcher so groß wie Badewannen, Steine und Flussrinnen – bei Regen muss diese Straße absolut unbefahrbar sein, aber es ist ja Trockenzeit, hurra.

Hier ging es noch...

Hier ging es noch…

Für die zehn Kilometer bis zum ersten Wasserfall brauchte ich fast eine Stunde, war aber fast genauso schnell wie eine Gruppe Ausländer auf Motorrädern, die mich zwischenzeitlich überholten. Die Wasserfälle waren beide ganz schön und die Motorradfahrer luden mich noch zu einem kleinen Picknick ein, bevor wir uns auf den Rückweg machten. Zurück im Guesthouse war ich so dreckig wie noch nie; von Kopf bis Fuß mit rotem Staub bedeckt – selbst jetzt, fast eine Woche später, finde ich noch Sandrückstände in meinen Nagelbetten…

Katieng Waterfall

Katieng Waterfall

Hängebrücke am Kachang Waterfall

Hängebrücke am Kachang Waterfall

Abends aßen wir im Guesthouse, skypten mit unseren Familien und gingen dann schlafen. Das war’s mit Weihnachten. Geschenkt haben wir uns nichts, denn an materiellen Dingen brauchen wir nichts, was wir nicht ohnehin schon dabei haben, und für eine richtige Feier waren wir nicht in Stimmung – zu warm, zu hell, fehlende Dekoration in den Fenstern; nichts kündete von Weihnachten, also hatten wir auch nicht das Gefühl, etwas zu verpassen.

Am 1. Feiertag, was für uns ein ganz normaler Tag war, radelten wir zu einem anderen Wasserfall, wo man angeblich im Lichte der Nachmittagssonne einen runden Regenbogen sehen kann. Die Fahrt dorthin stand der vom Vortag in nichts nach, außer dass es von der Hauptstraße direkt auf die Sandpiste ging. Leider war es etwas bewölkt, sodass wir den Regenbogen nicht sahen, aber dafür konnte man ein Stück weit hinter den Wasserfall gehen, was auch sehr schön war. Unterwegs winkten uns viele Kinder und riefen ‚hello‘; außerdem sahen wir zahlreiche Hundewelpen und Ferkel, Kautschukplantagen und kleine Holzhütten, die reinste Landidylle (zumindest auf den ersten Blick, bis man über die Lebensbedingungen der Menschen dort nachdenkt).

Cha Om Waterfall

Cha Om Waterfall

Am 26. Dezember, einen Tag bevor unser Visum offiziell endete, fuhren wir mit einem Minibus von Banlung mit Umstieg in Stung Treng nach Laos. Der Umstieg fand an einer Tankstelle außerhalb des Ortes statt, wo wir abgeladen wurden und warten sollten. Die Wartezeit hätte irgendwas zwischen einer und drei Stunden betragen können, aber wir hatten Glück, es war nur eine. Von Stung Treng war es nur noch eine Stunde Fahrt bis zur Grenze.

Und damit endete unser Monat in Kambodscha. Hatten wir zuerst nicht erwartet, das 30-Tage-Visum überhaupt auszuschöpfen, mussten wir am Ende feststellen, dass wir vieles, was uns noch interessiert hätte, gar nicht geschafft haben. Unser Fazit ist, dass Kambodscha nichts als eine positive Überraschung war. Die Menschen waren sehr freundlich, aber nicht aufdringlich; die Sehenswürdigkeiten waren beeindruckend, die Natur wunderschön, das Essen lecker und das Herumreisen einfach – definitiv ein Land für einen zweiten Besuch.

Angkor Wat – mehr als nur ein Tempel

Auch wenn bei uns Weihnachten dieses Jahr quasi ausfällt, wünschen wir euch allen ein frohes Fest! Und packen gleich noch einen neuen Beitrag untern Baum… 😉

18. Dezember 2016, Kratie

So, Hausaufgabenzeit. 😉 Also, es macht natürlich viel Spaß zu bloggen, und eure wunderbaren Kommentare sind uns eine anhaltende Freude!! Aber manchmal lässt uns das Reisen gar nicht so viel Zeit zum Schreiben, und auch, wenn wir gerade nicht unterwegs sind, sind wir oft beschäftigt, mit Reiseplanung, oder Gesprächen, oder einfach dem Genuss der Zeit und des Lebens. So wie jetzt gerade. Ich sitze auf der Terrasse unseres Guesthouses im kleinen Ort Kratie am Mekong und schaue dem mächtigen Strom beim Fließen zu, während allmählich die Sonne über der Insel in der Flussmitte untergeht – ein traumhaft schöner Anblick. Aber ich werde mich mal gleichzeitig am Genießen und Schreiben versuchen, quasi Multitasking, damit ihr ein bisschen von unserer Zeit in Angkor Wat erfahrt.

Die Weltkulturerbestätte Angkor Wat ist die Hauptsehenswürdigkeit der Stadt Siem Reap im Nordwesten des Landes, und im Prinzip auch die wichtigste Sehenswürdigkeit in ganz Kambodscha. Wir hatten keine richtige Vorstellung, was uns erwarten würde, aber andere Reisende sowie alle Informationen, die wir vorab gelesen hatten, predigten das Gleiche: man solle sich unbedingt vorher belesen, was es wo zu sehen gibt; das Gebiet sei riesig und man solle sich einen Plan machen, um das Beste aus dem Ausflug zu machen.

Also verbrachten wir den ersten Nachmittag nach unserer Ankunft mit stundenlangem Lesen, und schauten sogar mal eine Dokumentation auf youTube an.

Am nächsten Tag bummelten wir etwas durch Siem Reap, das ein ziemlich angenehmes Zentrum an einem kleinen Fluss hat. Wir schlenderten durch die Stände auf dem Old Market, wo das Einkaufen viel angenehmer als in Vietnam und auch Phnom Penh war, da die Händler uns größtenteils in Ruhe schauen ließen und nicht gleich mit Angeboten bombardierten. Ich kaufte eine sehr bequeme, halblange Hose und wir aßen indisch zum Mittag, was mal eine willkommene Abwechslung war. Auf dem Rückweg zum Hostel verliefen wir uns kolossal, da die meisten Straßen keine Straßenschilder hatten oder diese gut versteckt waren und es dann auch noch ziemlich schnell dunkel wurde. Am Ende sind wir ich-weiß-nicht-wie-lange gelaufen und nur der Karten-App auf Kathrins Handy (MapsMe – quasi offline GoogleMaps mit Ortungsfunktion, suuuper!) verdanken wir es, dass es nicht noch länger dauerte. Das Hostel war nämlich auch ziemlich dezentral gelegen, abseits der Hektik der Pub Street (nomen est omen), in einer ruhigen Nachbarschaft, gut versteckt in einer sehr verwinkelten Gasse (bei der Anreise waren wir abgeholt worden, sonst hätten wir uns nie dorthin gefunden).

Montag war dann Tag der Wahrheit: Tag eins in den Tempelruinen. Man spricht immer nur von Angkor Wat, dabei ist dieser nur einer von zahllosen Tempeln aus der Hochzeit des Khmer-Reiches zwischen dem 9. und 15. Jahrhundert. Jeder Khmer-König ließ seinen eigenen Tempel bauen, noch weit über 100 km entfernt findet man beeindruckende Ruinen im Dschungel. Die Mehrzahl befindet sich allerdings direkt nördlich von Siem Reap, und man kann sich mehrere Tage Zeit nehmen, sie zu erkunden. Es gibt ein Tages-, ein Dreitages- und ein Wochenticket. Wir entschieden uns für drei Tage, was immerhin mit stolzen 40 Dollar pro Person zu Buche schlug. Das Ticket Office war ziemlich gut versteckt. Es liegt etwa auf halber Strecke zwischen Siem Reap und dem Tempelareal, auf einem „kleinen“ Umweg von vielleicht 8km. Wir hatten uns für den Tag ein Tuktuk gemietet, und der Fahrer wusste natürlich, wo das Ticket Office liegt und half uns gleich noch, uns in der richtigen Schlange anzustellen – die Halle erinnerte an chinesische Bahnhöfe, sowohl was die Anzahl der Schalter anging als auch die Anzahl der Chinesen. 😉 Um Missbrauch vorzubeugen, ist jedes Ticket personengebunden und man wird am Schalter fotografiert; das Foto wird auf’s Ticket gedruckt.

Für den ersten Tag entschieden wir uns, mit einigen der etwas abgelegeneren Tempel zu beginnen. Wir besichtigten an diesem Tag sechs Tempelruinen; der am weitesten entfernte, Banteay Srey, liegt fast 40 km von Siem Reap entfernt. Unser Tuktukfahrer ließ uns an jedem Tempel so viel Zeit, wie wir wollten und am Ende war es ein Ausflug von fast neun Stunden.

Die Ruinen waren so verwunschen, wie sie in Trümmern im Dschungel lagen. Es waren bis auf Banteay Srey fast keine Menschen da, und auch Absperrungen gab es kaum; man konnte wie Indiana Jones über die Steine klettern während in den Baumkronen Affen und tropische Vögel für die entsprechende Geräuschkulisse sorgten. Es war einfach unbeschreiblich schön, und jeder Tempel sah anders aus, hatte ein anderes Flair und andere Höhepunkte; seien es besonders gut erhaltene Reliefs oder majestätische Bäume, die über Jahrhunderte ihre mächtigen Wurzeln ins Mauerwerk gegraben haben.

Aber nun genug der Worte; die Bilder sprechen für sich:

Pre Rup

Pre Rup

Banteay Srey

Banteay Srey

Phrea Khan

Phrea Khan

Neak Poan

Neak Poan

Ta Som

Ta Som

East Mebon

East Mebon

Am nächsten Tag machten wir eine Pause von all den Tempeln; das Dreitagesticket ist nämlich für beliebige drei Tage innerhalb einer Woche gültig. Am Vormittag fuhren wir zum Bayon Information Center, einer Ausstellung über den Bayon-Tempel, der nahe Angkor Wat liegt und zu den am meisten besuchten gehört. Dieser Tempel wird von einem japanischen Team erforscht und restauriert (die Haupttempel sind quasi zwischen verschiedenen Nationen „aufgeteilt“ da die kambodschanische Regierung diese Aufgabe gar nicht allein bewältigen könnte; neben Japan sind auch Deutschland, die USA, Indien und andere vertreten). Der junge Kambodschaner, der uns herumführte, entschuldigte sich, dass sein Englisch nicht sehr gut sei, er könnte eben besser Japanisch. Nun, dass können wir ja auch! So unterhielten sich zwei Deutsche und ein Kambodschaner auf Japanisch, sehr lustig! 😀 Es gab einen Film über den Tempel (zum Glück auf Englisch) und eine sehr interessante Übersicht über das Khmer-Reich und die beeindruckenden Flachreliefs im Tempel; eine gute Vorbereitung für den dortigen Besuch. Am Ende mussten wir nicht einmal etwas bezahlen.

Danach liefen wir zum Peace Café, wo man nicht nur lecker essen sondern auch an einer Vielzahl von Aktivitäten teilnehmen konnte, unter anderem an einem vegetarischen Kochkurs.

Außer uns kamen noch zwei andere Deutsche zum Kochkurs, Ronja und Peter aus Bayern, mit denen wir uns auf Anhieb super verstanden. Der Kochkurs machte sehr viel Spaß. Wir lernten, frische Frühlingsrollen und Dip dafür zu machen, außerdem Papayasalat und das kambodschanische Nationalgericht Amok, eine Art Curry, wobei wir die Currypaste aus Kurkumawurzel, Ingwer, Kaffirlimettenblättern und Lemongras komplett selbst herstellten, inklusive minutenlangem Stampfen in einem großen Mörser. Rezepte gab es fertig ausgedruckt dazu und danach durften wir unser ganzes selbst gekochtes Essen natürlich auch selbst verspeisen; es war seeeehr lecker! Allerdings dauerte das Ganze gut zwei Stunden, sodass wir es leider nicht schafften, an dem ebenfalls dort angebotenen Gespräch mit einem buddhistischen Mönch teilzunehmen. Aber das war nicht so schlimm, denn es sollte am nächsten Tag nochmal stattfinden, und wir hatten ja Zeit.

Unser Menü

Unser Menü

Stattdessen gingen wir dann mit Ronja und Peter zur Massage. Die beiden hatten einen Seeing Hands-Salon ausfindig gemacht, wo die Masseure blind sind und man damit noch einen guten Zweck unterstützt, da die Beschäftigungsmöglichkeiten für blinde Menschen sehr eingeschränkt sind. Vier Liegen waren frei, und vier MasseurInnen hatten gerade Zeit, also kamen wir alle gleichzeitig dran. Man musste nichts ausziehen, war also kein Problem, direkt nebeneinander zu liegen, und auch ansonsten war es echt eine gute Massage; die Masseure nahmen sich mehr Zeit für verspannte Stellen als für lockere, und selbst Kathrin war am Ende ganz zufrieden mit ihrer ersten Massage. Danach unterhielten wir uns noch eine ganze Weile mit einem der Masseure, der sehr gut Englisch sprach und sich offensichtlich über unser Interesse an seinem Leben freute. Er erzählte uns, dass er zwar zur Schule gegangen ist, aber dort nicht lesen und schreiben lernen konnte, weil es natürlich keinen Lehrer für Brailleschrift gab. Dies konnte er erst mit 17 Jahren dank einer Hilfsorganisation nachholen, und seine Begeisterung und Dankbarkeit, dass er jetzt Bücher lesen und Fremdsprachen lernen kann, waren unglaublich ansteckend. Er erzählte uns, dass er jetzt in Siem Reap Wirtschaft studiert und abends als Masseur arbeitet, um das Studium zu finanzieren. Später möchte er ein eigenes Unternehmen führen und dort andere Blinde beschäftigen. Er zeigte uns auch, wie er mit Hilfe einer Nadel und einer Schablone Braille schreibt; er schrieb unsere Namen und ein paar Sätze auf Englisch und Khmer in einem atemberaubenden Tempo, wie auf einer Schreibmaschine. Besonders beeindruckt waren wir, als uns klar wurde, dass er die Braille-Buchstaben spiegelverkehrt und von rechts nach links einstanzen muss, denn am Ende fühlt man ja die Erhebungen, die beim Schreiben nach unten durch’s Papier gedrückt werden. Das war wirklich ein sehr interessanter Besuch.

Am nächsten Tag ging es gleich zur nächsten Massage, diesmal aber nicht bei Blinden, ja nicht einmal bei Menschen. In Siem Reap kann man nämlich auch zu „Dr. Fish“ gehen – man hält seine Füße in ein Wasserbecken voller Piranhas Putzerfische, die sich dann gierig über die abgestorbenen Hautschuppen hermachen. Das klingt nach einer furchtbaren Krabbeltortur, und war auch so. Die ersten Minuten waren beinahe unerträglich, und es kostete ziemlich große Überwindung, die Füße nicht gleich wieder herauszuziehen, aber nach einer Weile gewöhnten wir uns dran. Ich hielt auch mal die Hände hinein und die kleinen Fische putzten gründlich jeden Millimeter Haut, den sie fanden. Es war richtiggehend niedlich, wie sie furchtlos zwischen meinen Fingern hindurch schwammen – fast wie Fische streicheln. 😉 Am Ende hatten wir sehr weiche Haut an den Füßen.

Leichten Schrittes liefen also wir zum Peace Café für das Gespräch mit dem Mönch, nur um zu erfahren, dass er leider kurzfristig abgesagt hatte. Schade; der nächste Termin wäre erst eine Woche später gewesen und so lange hatten wir nicht vor, in Siem Reap zu bleiben. Also aßen wir sehr lecker; ich probierte ein weiteres Khmer-Gericht namens Kroeung Khtis, eine Art Gemüse in Erdnuss-Kokos-Paste, sehr lecker, und zum Nachtisch eine Crêpe mit Palmzucker, was unser neues Suchtmittel wird. Es hat eine Konsistenz und Farbe wie leicht kristallisierter Waldhonig und schmeckt sehr süß und leicht alkoholisch. Da Palmzucker auch eine Zutat für alle Gerichte, die wir am Vortag gekocht hatten, ist, werde ich mich in Deutschland mal im Asialaden auf die Suche machen müssen…

Abends kauften wir auf dem kleinen Markt nahe unseres Hostels Obst und süßen Klebreis, den wir zum Abendbrot aßen und der ebenfalls auf die Liste der neuen Suchtmittel kommt. Den Tipp dafür hatten wir von einem anderen Reisenden erhalten, den wir zuvor im Hostel kennengelernt hatten. Jonathan kommt ursprünglich aus Hongkong, hat aber die meiste Zeit seines Lebens in den USA verbracht; er klinkte sich in unsere Unterhaltung ein, als wir mit zwei Norwegerinnen über unsere Erlebnisse in China bzw. mit den Chinesen sprachen, und lachte, wie zutreffend alles war. Er reist auch schon eine ganze Weile, hat viel Zeit in Nepal verbracht, und wir „klickten“ einfach auf so vielen Ebenen, dass wir am Ende bis nachts um elf zusammen saßen und uns unsere halbe Lebensgeschichte erzählten, lange nachdem alle anderen schon schlafen gegangen waren.

So wurde es eine eher kurze Nacht, denn am nächsten Morgen holte unser Tuktukfahrer uns schon kurz nach halb fünf (!) ab, da Kathrin wir beide den Sonnenaufgang über Angkor Wat sehen wollten. Im Dunkeln fuhren wir die zehn Kilometer auf unbeleuchteten Straßen, die letzten Kilometer durch den Wald. Unser Tuktukfahrer wies uns vom Parkplatz aus noch den Weg zum Eingang, den wir sonst in der Dunkelheit gar nicht gefunden hätten. Zeitiges Kommen sichert gute Plätze, und das gilt vor allem für dieses besondere Highlight. Wer denkt, dass wir den Tempel um diese Zeit für uns allein hatten, liegt weit daneben. Je näher wir dem Bauwerk kamen, desto größer wurden die Menschenströme, die sich darauf zubewegten. Nicht umsonst öffnet Angkor Wat schon früh um fünf. Wir passierten das Haupttor und liefen durch die Außenanlage bis wir zwei kleine Seerosenteiche zur linken und rechten Seite des Weges erreichten. Man musste sich gar nicht vorher belesen um zu wissen, dass die linke Seite die bessere für das schönste Fotomotiv ist. Die komplette Uferfront war schon von Touristen belegt, teils mit riesigen Kameras bewaffnet; geschäftstüchtige Verkäufer vermieteten Stühle und boten Kaffee an. Wir fanden gar keinen Platz mehr für uns, also auf zum rechten Teich, von wo angeblich der Winkel nicht so gut war, aber dafür konnten wir uns immerhin direkt ans Ufer setzen und die Reflexion der Türme im Wasser sehen. Auch dort wurde es am Ende so voll, dass die Leute in mehreren Reihen standen, aber wir hatten ja unsere Plätze. Nicht dass wir sie gebraucht hätten. Der wunderschöne Sonnenaufgang fand hinter einem grauen Wolkenschleier statt und statt roter Sonne über Tempelspitze wurde es einfach langsam hell. Was soll ich sagen, es hatte trotzdem etwas sehr mystisches und atmosphärisches, auch wenn ich mir meine Kopfhörer in die Ohren stecken und das unentwegte Geplapper der Menschenmenge mit Musik ausblenden musste, um dem Anblick etwas abzugewinnen.

Zugegeben, es war schon ein besonderes Erlebnis.

Zugegeben, es war schon ein besonderes Erlebnis.

Als es hell war, gingen wir hinein und erkundeten die endlosen Gänge mit den detailreichen Reliefs, die religiöse und historische Motive darstellen. Der Tempel ist wirklich riesig; er besteht auch aus mehreren Ebenen und um ganz hinauf zu den berühmten fünf Türmen zu kommen, mussten wir auch einige Minuten anstehen. Da der Tempel noch immer genutzt wird und zu den heiligsten Stätten Kambodschas gehört, stellten Wächter sicher, dass man nur angemessen gekleidet ins zentrale Heiligtum hinaufsteigt, also Knie und Schultern bedeckt, am besten langhosig und -ärmelig; nur ein umgebundenes Tuch zur Verhüllung, wie es in Vietnam noch durchgegangen ist, wurde nicht akzeptiert. Wir waren diesmal gut vorbereitet, und dank der Wolken und leichten Nieselregens war es auch in langer Kleidung auszuhalten.

Angkor Wat

Angkor Wat

Insgesamt war Angkor Wat für uns beide aber nicht das Highlight der Tempel. Es waren nicht einmal die Massen von chinesischen Touristen (mit Abstand die größte Gruppe), da es sich doch ziemlich gut verlief und man in vielen Gängen trotzdem so gut wie allein war. Der Tempel war einfach zu perfekt, zu gut erhalten bzw. restauriert; ihm fehlte der Charme der untergegangenen Zivilisation, den die anderen, kleineren Tempel mit ihren Trümmerhaufen und Baumwurzeln noch besaßen.

Auch im benachbarten Bayon-Tempel, dessen japanisches Informationszentrum wir zwei Tage zuvor besucht hatten, schoben sich die Massen durch die Gänge und über die Plattformen; dennoch gefiel es uns dort besser, weil das Bauwerk mit seiner offenen Architektur, dem runden Zentralturm und den unzähligen Gesichtern auf den Türmen seinen ganz eigenen Reiz hatte. Es ist außerdem ein großartiges Beispiel für die religiöse Freiheit, die die Menschen dort vor 1.000 Jahren genossen: der König widmete eine Seite des Tempels Buddha, eine Seite Shiva, eine Vishnu und eine seiner eigenen Ahnenverehrung; alle Untertanen konnten frei ihren Glauben ausüben. Wirklich ein fortschrittlicher König, der nebenbei in seiner Amtszeit auch noch dutzende Krankenhäuser, Raststationen für Reisende sowie 800km (!) Straßen durch sein Reich bauen ließ.

Bayon - wer findet die drei Gesichter im Bild?

Bayon – wer findet die drei Gesichter im Bild?

Danach besuchten wir noch weitere Tempel; unser übereifriger Tuktukfahrer hielt wirklich an jedem noch so kleinen an und am Ende mussten wir einige weglassen, weil wir einfach zu erschöpft waren.

Baphuon

Baphuon

Takeo

Takeo

Ta Prom - besonders berühmt für die zahlreichen Baumwurzeln

Ta Prom – besonders berühmt für die zahlreichen Baumwurzeln

Wir hielten ein Nachmittagsschläfchen, während es draußen ganz untypisch für die Jahreszeit schüttete, und verbrachten dann einen gemütlichen Abend draußen auf der kleinen, überdachten Terrasse des Hostels, wo wir uns mit Jonathan und zwei Frauen unterhielten, die frisch angekommen waren, Julia aus Deutschland und Erin aus den USA, die sich in Thailand kennengelernt hatten und schon ein paar Wochen gemeinsam reisten. Auch mit den beiden stimmte die Chemie auf Anhieb – es ist so wunderbar, wie man beim Reisen immer wieder so besondere Menschen trifft, mit denen man sich über Gott und die Welt unterhalten kann, obwohl man sich gerade erst kennengelernt hat. Gegen Mitternacht brachte uns einer der Männer, die im Hostel arbeiteten, einen Snack aus geröstetem Reis und setzte sich eine Weile zu uns. Ab und zu jaulte eine Gruppe Hunde in der Nachbarschaft wie ein kleines Wolfsrudel. Gegen zwei Uhr morgens beschlossen wir dann, doch noch ein paar Stunden Schlaf zu kriegen…

Während der Tage in Siem Reap war leider mein Quallenstich nicht wirklich besser geworden. Er tat zwar nicht weh, war aber immer noch geschwollen, ein hässliches Rot-Violett, und deutlich wärmer als die umgebende Haut. Zum Arzt gehen wollte ich deswegen eigentlich nicht, tat es dann aber doch, denn in Siem Reap gibt es aufgrund der vielen Touristen und dort lebenden Ausländer immerhin die Infrastruktur dafür, wohingegen ich befürchtete, dass es in den Orten, die wir danach ansteuern wollten, nicht einmal einen englisch sprechenden Arzt gäbe, geschweige denn einen, der mit Quallen etwas anfangen kann. Also ging ich mehr aus prophylaktischen Gründen, da ich nicht wusste, wie sich die Stelle noch entwickeln würde.

Das Royal Angkor International Hospital erinnerte mich eher an ein Fünf-Sterne-Hotel; polierter Marmorfußboden, gediegene Atmosphäre, Weltzeituhren hinter der Rezeption mit den adrett gekleideten Krankenschwestern, die eher wie Stewardessen aussahen. Plakate warben für eine Junior Card oder Gold Card-„Mitgliedschaft“, für Anti-Aging-Behandlungen oder eine Brustkrebsvorsorgeuntersuchung, deren Beschreibung sich eher wie ein Wellnessprogramm las. Für Kambodschaner absolut unerschwinglich; in der Lobby saßen auch nur vier weitere Ausländer, sonst waren keine Patienten da. Ich kam schon nach zehn Minuten dran. Der Arzt war Kambodschaner, sprach ziemlich gut Englisch, verstand aber mein Problem nicht, was er durch gönnerhaftes Lächeln und sinnloses Blabla zu überspielen versuchte. Er sprach davon, wie man von Säugetierbissen Tollwut bekommen kann, bei Fischen aber keine Gefahr bestünde… er dachte anscheinend, mich hätte ein Fisch mit dem Maul gebissen… Da der PC auf seinem Schreibtisch eingeschaltet war, bat ich ihn, „jellyfish“ doch einmal zu googeln, was er dann auch tat, nachdem er die geöffnete Facebookseite schloss. Ich versuchte ihm zu erklären, dass es eher eine Verbrennung ist, woraufhin er dann erklärte, dass man in diesem Fall Antibiotika verschriebe, um Wundinfektion zu vermeiden…aber ich hatte ja gar keine Wunde; die Haut war zu keiner Zeit offen gewesen. Der Arzt redete nur weiter mit seinem väterlichen Lächeln auf mich ein (was mir deutlich signalisierte, dass ich als Patient keine Ahnung habe und nur dem allwissenden Arzt vertrauen brauche) und am Ende ließ ich mir das Penicillin verschreiben, da unser Gespräch in einer Sackgasse geendet war, und hoffe, dass die Auslandskrankenversicherung die Rechnung in voller Höhe trägt wie vereinbart. Das Antibiotikum habe ich bis jetzt nicht genommen, da die Stelle sich kaum verändert, aber ganz allmählich besser zu werden scheint – dauert vermutlich einfach sehr lange. Insgesamt ein ziemlich enttäuschender Besuch.

Kathrin hatte sich derweil eine Magen-Darm-Sache eingefangen und wollte den Tag lieber liegend und in Klonähe verbringen, daher machte ich am Nachmittag allein einen Ausflug auf einen Hügel südlich von Siem Reap, wo eine weitere Tempelruine lag: Phnom Krom. Die Ruine an sich war nichts besonderes, nach drei Minuten hatte man alles gesehen, aber das war auch nicht der Grund meines Besuches, sondern die Aussicht von oben auf den nahe gelegenen Tonle Sap, den größten See Südostasiens. Und ich sollte nicht enttäuscht werden. Fast um den gesamten Hügel herum lag Überschwemmungsland mit Reisfeldern, wo Stelzenhäuser, Deiche und kleine Wäldchen im flachen Wasser standen, soweit das Auge reicht. Und in der Ferne, wo die Bäume aufhörten, fing der eigentliche See an, der so riesig war, dass man das andere Ufer nicht sah; man hätte genauso gut aufs Meer blicken können. Es war einfach grandios.

Blick von Phnom Krom auf das Überschwemmungsland und den Tonle Sap am Horizont

Blick von Phnom Krom auf das Überschwemmungsland und den Tonle Sap am Horizont

Abends ging ich mit Julia und Erin im Stadtzentrum etwas essen und am nächsten Morgen fuhren wir 6:30 los zum Busbahnhof, um gen Osten in einen Ort namens Kratie (ausgesprochen Krotje) am Ufer des Mekong zu fahren, wo es Süßwasserdelphine geben soll…

Koh Rong Samloem – Willkommen im Paradies

10. Dezember 2016, Siem Reap

Wichtige Info vorab: wer den Beitrag über Kep noch nicht gelesen hat, scrolle bitte erst einmal nach unten… 😉

Kambodschas Küste sollte laut unserer primären Informationsquelle, dem Internet (ähem), Strände wie aus dem Bilderbuch haben. Das touristische Zentrum ist Sihanoukville, in erster Linie ein Party-Ort, aber von dort aus kann man mit Fähren auf verschiedene Inseln fahren. Die bekannteste und am besten erschlossene ist Koh Rong, wohl auch eher ein Party-Bade-Ort, weshalb wir einen Bogen darum machten und uns für die kleinere Nachbarinsel Koh Rong Samloem entschieden. Aus Kostengründen wählten wir ein Resort am Hauptstrand, das auch einen Dorm anbot. Aber wir konnten uns nicht wirklich vorstellen, was uns dort erwartet. Ob das Wasser auch so dreckig wäre wie in Vietnam? Ob der Strand völlig überlaufen wäre?

Wir hatten noch keine Fähre gebucht, aber die touristische Infrastruktur in Sihanoukville war derart gut, dass wir in zwei, drei Läden fragten und uns für das günstigste Angebot entschieden. So buchten wir am Ende unsere Fährtickets in einem Friseursalon und keine zehn Minuten später kam schon der Shuttlebus zum Pier. Mit dem Speedboat ging es dann in einer magen-aufwühlenden Fahrt eine halbe Stunde übers Meer, bis wir an einem schmalen Pier in der Saracen Bay auf Koh Rong Samloem anlegten. Etwas wackelig taumelten wir mit unserem Gepäck zum Strand, und was soll man sagen…

Willkommen im Paradies

Willkommen im Paradies

Wie im Bilderbuch! Schneeweißer, feiner Sand, türkisblaues, klares Wasser, Palmen und schilfgedeckte Hütten am Strand – wie im Paradies. Auf der ganzen Insel gibt es keine einzige Straße, keine Autos oder Mopeds, und direkt hinter dem Strand fängt der Dschungel an. Wir waren zwar bei weitem nicht die einzigen, die von Bord gingen, aber trotzdem wirkte die Bucht mit ihren kleinen Resorts alles andere als überlaufen. Das einzige zweistöckige Gebäude am gesamten Strand war der hölzerne, zum Strand hin offene Schlafsaal unseres Resorts.

Dort übernachteten wir aber am Ende gar nicht. Angeblich war der Dorm überbucht, weshalb die Rezeptionistin, die aus St. Petersburg stammt, uns freundlicherweise ihren privaten Bungalow für die Nacht überließ. So kamen wir sogar in den Genuss eines eigenen Bungalows.

Der Sockel des Bungalows war gemauert; wenn man hineinkam, stand man direkt im Bad mit Waschbecken, Dusche und WC (wobei die Dusche wie immer nur ein Schlauch mit Duschkopf an der Wand war, keine separate Kabine – sowas haben wir schon seit Monaten nicht mehr gesehen). Von dort aus führte eine sehr steile Holztreppe auf eine hölzerne Plattform, deren Wände und Dach komplett aus Schilf waren. Dort lag eine Doppelmatratze unter einem Moskitonetz; fertig war der Bungalow.

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Ach ja, und er war rund.

Da es noch nicht sehr spät war, gingen wir baden und setzten uns dann an den Strand. Abends suchten wir uns ein Plätzchen im Restaurant des Resorts, einem großen, an allen Seiten offenen Pavillon mit einer Bar in der Mitte. Daneben, direkt am Strand, gab es einen Steinofen, und an diesem Abend gab es frischgebackene Pizza. Wir verlängerten gleich noch zwei Nächte.

Am nächsten Tag zogen wir in den Schlafsaal um, der echt ein Erlebnis war. Auf zwei Etagen lag Matratze neben Matratze auf einem großen Holzpodest, Schilfmatten boten Blickschutz nach links und rechts, aber nach vorne war jedes „Abteil“ offen, ebenso wie die Front des Dorms, sodass man vom Bett direkt aufs Meer guckte und immer frische Luft hatte. Kunststoffplanen schützten das Innere des Dorms vor zuviel hereingewehtem Sand, aber im Wesentlichen schlief man halb draußen und erwachte früh zum Sonnenaufgang über der Bucht. Über jedem Bett gab es noch ein Moskitonetz, eine Lampe und einen Ventilator, dazu noch ein Schließfach an der Wand – es war sehr simpel, und ständig lag überall Sand, aber es war so unglaublich idyllisch.

Unser Dorm

Unser Dorm

Die Bett-Abteile

Die Bett-Abteile

Unsere Schuhe hatten wir am ersten Tag bei der Ankunft ausgezogen, als der Pier nicht ganz bis zum Strand reichte und wir den letzten Meter durch’s seichte, warme Wasser waten mussten, und zogen sie bis zu unserer Abreise nicht mehr an. Das war auch echt mal Urlaub für die Füße, immer an der frischen Luft oder im warmen Wasser, immer barfuß gehen.

Die nächsten zwei Tage verbrachten wir in „unserer Bucht“, gingen baden, saßen am Strand oder in einem der Baumhäuser, oder gingen mit den Füßen im Wasser spazieren, um in einem der anderen Resorts zu essen. Alle bestanden aus kleinen, privaten Bungalows und unterschieden sich im Stil; einige waren eher null-acht-fuffzehn, andere eher schick oder sogar futuristisch. Wir waren mit unserem im Vergleich sehr zufrieden, wo alles aus Naturmaterialien gebaut war. Leider war der Strand nur so sauber, weil ständig einige Angestellte damit beschäftigt waren, den angeschwemmten Müll einzusammeln. Da die Saracen Bay der Stadt Sihanoukville gegenüberliegt, kommt natürlich einiges von dort übers Meer getrieben. Wir versuchten, unseren Beitrag zu leisten, indem wir unsere einmal gekauften Plastikflaschen auffüllen ließen, anstatt immer neue zu kaufen.

Unser Strandblick jeden Morgen

Unser Strandblick jeden Morgen

So ein Baumhaus am Strand ist ein toller Ort für ein Nachmittagsschläfchen

So ein Baumhaus am Strand ist ein toller Ort für ein Nachmittagsschläfchen

Einen Tag liefen wir durch den Dschungel auf einem schattigen Weg auf die Westseite der Insel zum Lazy Beach. Dort gab es nur ein einziges Resort, das Wasser war sogar noch viel klarer als auf unserer Seite und es gab Hängematten am Strand, wo wir es uns nach dem obligatorischen Baden gemütlich machten. Die dortigen Bungalows hätten leider mit ihren 65$ Miete pro Nacht eine ganz schöne Kerbe in unser Budget geschlagen (im Dorm bezahlten wir nur 14$ für die Doppelmatratze), ansonsten hätten wir es dort auch eine Weile ausgehalten, aber das Inselleben ging ohnehin ins Geld, da natürlich alles etwas teurer ist als auf dem Festland.

Lazy...

Lazy…

...am Lazy Beach

…am Lazy Beach

Als unser Geld zu Ende ging (und es gibt auf dem Eiland natürlich keinen Geldautomaten), mussten wir schweren Herzens wieder abreisen. Beim letzten Schwimmen in unserer schönen Bucht erwischte mich (B) auch noch eine Qualle am Oberschenkel; der starke Wind der vergangenen Tage hatte anscheinend ziemlich viele angeschwemmt. Es stach und brannte sehr unangenehm, und da ich nicht wusste, ob es dort giftige Tiere im Wasser gibt, ging ich gleich erst einmal zur Rezeption, wo man mir eine aufgeschnittene Limette zum Draufdrücken gab. Ich dachte mir, dass die Leute bestimmt mehr in Panik verfallen wären, wenn es etwas ernsthaft giftiges hätte sein können; außerdem fühlte ich mich nicht schlecht bis auf den Schreck. Bis zum nächsten Morgen war die Schwellung schon etwas zurückgegangen und brannte kaum noch, und mittlerweile ist die Haut vernarbt und rot bis lila; wird sich schon wieder geben.

Legt euch nicht mit Quallen an.

Legt euch nicht mit Quallen an.

Ursprünglich hatten wir von Sihanoukville mit dem Nachtbus nach Siem Reap fahren wollen, aber mehrere Gruselberichte aus dem Internet über schlechte, unbeleuchtete Straßen, unbeleuchtete Verkehrsteilnehmer und rasende Busfahrer überzeugten uns, die Strecke doch bei Tageslicht in zwei Etappen zu fahren. Mittags verließen wir die Insel mit dem Boot und nahmen dann den nächstbesten Bus zurück nach Phnom Penh. Der gesamte Erholungseffekt der letzten vier Tage ging auf dieser Fahrt wieder drauf. Die Klimaanlage funktionierte nicht richtig, sodass wir die ersten zwei Stunden bei kuscheligen 35°C zurücklegten; es kühlte sich erst ab, als die Sonne unterging. Aus den fünf bis sechs Stunden Fahrt wurden dank Baustellenstau acht und uns wurde leicht mulmig bei dem Gedanken, mitten in der Nacht in Phnom Penh anzukommen, das ja auch nicht gerade für seine Sicherheit berühmt ist.

Was man aber an dieser Stelle mal bemerken muss, ist, wie angenehm die Atmosphäre im Bus auch nach stundenlangem Staustehen blieb. Man stelle sich das mal in Deutschland vor. Mürrische Gesichter, ungeduldiges Schnaufen, genervte Telefonate. Aber wir sind nicht in Deutschland, sondern in Kambodscha. Einige Reisende begannen, sich zu unterhalten, wobei viel gelacht wurde. Eine Gruppe Touristen spielte Karten über’n Gang; niemand wurde laut oder ungehalten; alle blieben freundlich und entspannt. Man hätte ja durch schlechte Laune eh nichts an der Situation ändern können, außer die Atmosphäre für alle unangenehm zu machen.

Als wir schließlich den Busbahnhof erreichten, konnten wir uns mit den anderen Touristen zusammentun und so in einer Gruppe zwei Tuktuks nehmen; sie wollten fast alle zum gleichen Hostel wie wir; Glück gehabt.

Heute morgen fuhren wir dann weiter nach Siem Reap, mit der Busgesellschaft Giant Ibis, die einen sehr guten Ruf genießt, da sie per GPS-Überwachung sicherstellt, dass ihre Busse nicht schneller als 60 km/h fahren; außerdem war der Bus supermodern für hiesige Verhältnisse, es gab sogar Wlan und Steckdosen. Nach einer sehr angenehmen Fahrt kamen wir relativ entspannt, aber auch ein bisschen müde in Siem Reap an. Hier wollen wir uns natürlich die berühmten Tempelruinen von Angkor Wat anschauen; aber morgen werden wir erstmal ein bisschen die Stadt erkunden…

Kep oder Warum wir schon wieder da hinfahren wo der Pfeffer wächst

10. Dezember 2016, im Bus von Phnom Penh nach Siem Reap

Also, wir hatten einen Plan für Kambodscha. Wirklich. Am ersten Nachmittag in Phnom Penh, als wir in der Hostelbar saßen und uns bei einem mixed fruit-Smoothie belasen, was es in diesem Land außer der Hauptstadt und Angkor Wat noch zu sehen und zu tun gibt, malten wir eine Umrisskarte Kambodschas auf eine Serviette, markierten alle interessanten Punkte und planten eine Route durch’s Land.

In Phnom Penh haben wir ja auch in der Kürze der Zeit wirklich viel gesehen, und dann begannen wir unsere Weiterreise mit Kep als erstem Ort und der Absicht, dort zwei Tage zu verbringen. Wir hatten eine Liste, was man in Kep unternehmen kann und fuhren morgens mit dem ersten Bus, um schon den Nachmittag vor Ort ausnutzen zu können.

Kep liegt ganz im Südosten des Landes, einen Steinwurf von der vietnamesischen Grenze entfernt. Es ist ein kleines Dorf und die meisten Touristen fahren eher in das etwas größere Kampot in der Nähe, weil es in Kep nicht viel zu holen gibt. Eigentlich sollten wir mit einem großen Reisebus fahren, wurden jedoch wegen zu geringer Auslastung in einen Minibus umgeladen, wo wir uns auf getrennte Plätze setzten, um uns beide anschnallen zu können – bei einigen Sitzen waren die Gurte nämlich fein säuberlich aufgerollt und mit Kabelbinder gesichert… Die Fahrt dauerte knapp vier Stunden und mein kamboschanischer Sitznachbar half mir nicht nur, meine Sachen zu verstauen und zeigte mir das Meer, als es soweit war, sondern beteiligte sich auch noch (unaufgefordert) bei der Entfusselung meiner Sachen, als ich ein Haar von meinem T-Shirt zupfte… 😀

In Kep angekommen wurden wir von übereifrigen Tuktukfahrern kaum aus dem Bus gelassen, und da wir dank Maps-App wussten, dass es zu unserem etwas außerhalb gelegenen Guesthouse zu weit zu laufen wäre, handelten wir einen Preis mit dem erstbesten aus und ließen uns chauffieren.

Ich weiß, ich habe diesen Satz jetzt schon oft geschrieben, aber… unser Guesthouse war ein echter Glücksgriff. 😉 Sehr sauberes und geräumiges Doppelzimmer mit eigenem Bad und Handtüchern (ja, das ist auch Luxus – wir sparen Wäsche und so große, flauschige Frotteehandtücher haben wir ohnehin nicht dabei) für 6 Dollar pro Nacht (zusammen, nicht pro Person), Fahrradverleih für einen Dollar, sodass wir auf eigene Faust ins Dorf radeln konnten, was vielleicht zehn Minuten entfernt lag, und eine an drei Seiten offene Dachterrasse mit vielen Pflanzen, bequemen Sitzmöbeln und zwei sehr verschmusten Katzen, dazu Blick auf’s Meer zur einen und auf die üppig grün bewaldeten Berge des Kep-Nationalparks zur anderen Seite. Es war sooo idyllisch.

Hier konnten wir es uns so richtig gut gehen lassen...

Hier konnten wir es uns so richtig gut gehen lassen…

Am ersten Nachmittag radelten wir in den Ort und gingen an den Strand zum Baden. Eigentlich hat Kep strandtechnisch nicht viel zu bieten, nur einen schmalen Streifen, der mit Sand aus einer anderen Region aufgeschüttet wurde. Die Zeiten, da Kep das Sommerdomizil reicher Franzosen war, sind lange vorbei, wovon zahlreiche verfallene Villen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeugen, die heute zum Verkauf stehen. Aber das Wasser war sauber und ruhig, und man konnte eisgekühlte Kokosnüsse kaufen, und so war es ein ganz schöner Nachmittag. Die Franzosen haben Kep übrigens nicht gänzlich aufgegeben; einige Hotels haben französische Besitzer und vielerorts hört man, dass französisch gesprochen wird.

Die Krabbenstatue ist das Wahrzeichen von Kep - zu unserer Verteidigung müssen wir sagen, dass es brütend heiß war und wir nur schnell aus der Sonne wollten, da hat die Bildqualität etwas gelitten...

Die Krabbenstatue ist das Wahrzeichen von Kep – zu unserer Verteidigung müssen wir sagen, dass es brütend heiß war und wir nur schnell aus der Sonne wollten, da haben die Bildqualität und -komposition etwas gelitten…

Am nächsten Tag unternahmen wir eine Wanderung im Kep-Nationalpark, direkt hinter unserem Guesthouse. Der Berg im Zentrum des Parks ist nicht sehr hoch aber von dichtem Dschungel überwuchert. Eine Art Forststraße führt auf halber Höhe um den Berg herum und dieser sind wir gefolgt. Dort lief es sich sehr angenehm, man sah, wo man hintrat und hatte auch noch Zeit, die Landschaft und die Aussicht auf das Meer zu genießen. Die Trampelpfade über den Gipfel, durch das Innere des Waldes, verkniffen wir uns, da sie sehr steil waren – im Prinzip musste man auf allen Vieren über Wurzeln und Steine durch den Wald kriechen, und auf so viel Dschungelcamp hatten wir dann doch keine Lust, zumal es dort ja auch Schlangen und anderes Getier gibt.

Schöner Wanderweg

Schöner Wanderweg…

...und noch schönere Aussicht

…und noch schönere Aussicht

Von der Forststraße aus sahen wir auch schon eine Menge interessanter Tiere – das Highlight waren natürlich die Affen, deren Video ihr vielleicht schon im Adventskalender gesehen habt – aber auch einige kleine Vögel, Schmetterlinge, riesige Hundertfüßler und etwas, das wir nicht zuordnen konnten. Zwischen Gras und Blätter sahen wir, dass es etwa fingerdick und orange-schwarz gestreift war. Wir ließen es in Ruhe.

Im Ort aßen wir gebratenen Reis mit Ananas, direkt in einer frisch aufgeschnittenen Ananas und ließen uns dann auf unserer schönen Dachterrasse nieder, für einen gemütlichen Nachmittag. Und aus dem Nachmittag sollten zwei Tage werden…

Wie gesagt, wir hatten einen Plan und eine Liste, was wir alles unternehmen wollten, aber es war so unglaublich schön und ruhig und erholsam in dem Guesthouse, und vielleicht war nach drei Monaten des Nomadenlebens auch einfach mal die Luft raus. Wir mussten einfach mal eine Weile nichts tun; außerdem hatte mich am Vorabend ein Blitzschnupfen erwischt, wo Kathrin ihren Husten fast auskuriert hatte.

Also verbrachten wir die nächsten zwei Tage lesend, dösend, Kaffee trinkend und Katzen streichelnd auf der Dachterrasse, genossen den Blick ins Grüne und die Ruhe (wenn alle zwei Minuten mal ein Moped oder Auto vorbei kam, war es schon viel), ließen uns die angenehme Meeresbrise um die Nase wehen, und da es auch leckeres Essen dort gab, mussten wir nicht einmal für die Mahlzeiten vor die Tür. So muss Urlaub sein.

Am Abend des zweiten Tages wollte ich mal schnell Geld abheben gehen. Drei Guesthouses weiter gab es einen Automaten, aber leider musste ich feststellen, dass er außer Betrieb war. Also lief ich zurück und lieh mir ein Fahrrad – im Ort an der Bushaltestelle hatte ich noch einen Automaten gesehen. Es stellte sich heraus, dass es dort sogar zwei Automaten gab – die aber auch beide außer Betrieb waren. Lange Rede kurzer Sinn: anderthalb Stunden und viermal Fragen später fand ich schließlich noch einen vierten Automaten, schon auf halber Strecke ins Nachbardorf, der tatsächlich Geld ausspuckte; die anderen drei waren vermutlich einfach leer. Apropos Geld: neues Land, neue Währung. 😉 Was hier aus dem Automaten kommt, sind: US-Dollar! Die kambodschanische Währung Riel ist so schwach und instabil, dass alles in US-Dollar gehandelt wird. Fast alles. Beträge kleiner als ein Dollar werden in Riel bezahlt; es kursieren also keine Cent-Stücke. Ein Dollar entspricht 4.000 Riel. Wenn also etwas 1,50 Dollar kostet, gibt man 6.000 Riel oder eine Dollarnote und 2.000 Riel, oder zwei Dollar, dann bekommt man 2.000 Riel wieder. Eine größere Note als 10.000 Riel, was 2,50 Dollar entspricht, haben wir allerdings noch nicht in der Hand gehabt, da wirklich alles in Dollar bezahlt wird. Die Dollarnoten müssen übrigens einwandfrei sein; schon ein kleiner Riss kann sie angeblich ungültig machen. Bisher sind wir aber alle „schlechten“ Scheine wieder losgeworden, und im schlimmsten Fall müssten wir sie eben bis in die USA mit uns herumtragen.

Wir beschlossen, doch nochmal etwas von Keps Umgebung zu erkunden und nahmen uns am dritten (oder vierten?) Tag ein Tuktuk zu einer Pfefferfarm. Ja, wir wollten mal aus erster Hand erfahren, wo (und wie) der Pfeffer wächst, denn die scharfen Körner aus der Gegend um Kep (und dem benachbarten Kampot) gehören wohl zu den besten der Welt und werden auch viel nach Europa exportiert.

Wenn wir dachten, unser Guesthouse läge idyllisch, ruhig und abgelegen, dann war es noch nichts gegen Sothy’s Bio-Pfefferfarm. Wenn mich mal wieder jemand dahin schicken will, wo der Pfeffer wächst, dann kann ich es kaum erwarten, dorthin zu kommen. 😉 Die letzten vier Straßenkilometer waren nicht einmal mehr asphaltiert, und auf der zwischen Mango- und Papayabäumen versteckten Farm angekommen, herrschte eine himmlische Ruhe. Die Eigentümer sind ein ein deutsch-kambodschanisches Paar, und ein französischer Freiwilliger führte uns herum. Die Pfefferpflanzen ranken sich an Holzpfählen hinauf, welche ein Dach aus einer Art Korbgeflecht tragen, das die Pflanzen vor zuviel Sonne und zu starkem Regen schützt; Pfeffer braucht nämlich nicht allzu viel Wasser. Die Pflanzen dürfen drei Jahre wachsen, bis zum ersten Mal Pfefferkörner geerntet werden können, und sie können 17 – 20 Jahre alt werden. Bei der Ernte sind etwa ein Fünftel der Körner schon rot, der Rest noch grün. Sie werden getrocknet, wobei der grüne Pfeffer schwarz wird und der rote rot bleibt. Ein Teil des roten Pfeffers wird dann gekocht, geschält und nochmals getrocknet, dies ist dann der weiße Pfeffer. Man kann Pfeffer auch roh essen – wir durften mal direkt von der Pflanze naschen – er schmeckt ziemlich scharf und sehr fruchtig. Aus den abgeernteten Stengeln wurde auf der Farm außerdem noch Pfeffertee gekocht, wovon wir eine Tasse tranken; ein sehr wohlschmeckendes Getränk, das nicht scharf ist und das man auch nicht unbedingt als Pfeffer identifizieren würde, wenn man es nicht wüsste.

Hier wächst der Pfeffer.

Hier wächst der Pfeffer.

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Im Anschluss ließen wir uns von unserem Tuktuk-Fahrer in der Nähe einer Schmetterlingsfarm absetzen. Bis ganz hin fahren konnte er nicht, da die Straße so schlecht war, dass wir Angst hatten, dem Tuktuk würde eine Achse brechen. Die Schmetterlingsfarm lag ganz in der Nähe des Wanderweges, den wir am ersten Tag gegangen waren. Ob die Schmetterlinge dort nur als Touristenattraktion oder noch für einen anderen Zweck gezüchtet werden, haben wir leider nicht herausgefunden, aber zumindest konnten wir ein paar schöne Fotos machen.

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Nun ja, auch der schönste Urlaub endet irgendwann; wir konnten nicht ewig bleiben, da wir ja doch noch ein paar andere Orte sehen wollten, aber da unser nächstes Ziel ein weißer Strand mit türkisblauem Wasser war (zumindest auf den Fotos, die wir gesehen hatten), gelang es uns doch, uns loszureißen (und von den verschmusten Katzen zu verabschieden).

Am nächsten Tag ging es mit dem Minibus nach Sihanoukville, und weiter auf eine Insel namens Koh Rong Samloem. Aber dazu mehr im nächsten Beitrag. 🙂

Und zum Schluss noch der Blick von der Dachterrasse auf den Sonnenuntergang :)

Und zum Schluss noch der Blick von der Dachterrasse auf den Sonnenuntergang 🙂

Phnom Penh

06. Dezember 2016, Koh Rong Samloem

Ich hatte nicht die besten Erwartungen im Hinblick auf Kambodschas Hauptstadt, aber am Ende hatten wir wesentlich weniger Startschwierigkeiten als nach unserer Ankunft in Hanoi und trauten uns gleich viel mehr auf die Straße.

Unsere Nachbarschaft

Unsere Nachbarschaft

Das mag zum Teil daran gelegen haben, dass unser Hostel kein Ort war, wo wir uns unnötig lange aufhalten wollten. Es lag zwar sehr zentral in Laufnähe zu den meisten wichtigen Sehenswürdigkeiten, aber unser Zimmer war ein echter Klimaschock. Im dritten Stock unter dem Dach gelegen, mit einem einzigen kleinen Fenster zum Gang (nicht einmal nach draußen) und nur einem Ventilator, war die Luft dort derart heiß und sauerstoffarm, dass ich leichte Sorge hatte, wir könnten nachts im Schlaf ersticken.

Am ersten Abend wollten wir eigentlich nur etwas zu essen suchen gehen, aber man sagte uns, dass an diesem Abend Nachtmarkt am Fluss wäre, also liefen wir dorthin und bummelten über den Markt, fanden aber nichts, was wir unbedingt kaufen wollten. Außerdem machten wir unsere ersten Erfahrungen mit dem kambodschanischen Straßenverkehr, der dem vietnamesischen in nichts nachsteht, mit dem Unterschied, dass viel weniger gehupt wird und man tatsächlich zuweilen den Vortritt gelassen bekommt.

Die Nacht im Backofen in besagtem Zimmer war eine Vollkatastrophe; so schlecht geschlafen haben wir wahrscheinlich zuletzt die zwölf Stunden Nachtfahrt im hardseat von Xi’an nach Chengdu. Den Ventilator mussten wir die ganze Nacht laufen lassen, obwohl er natürlich auch nur den Mief umgerührt hat – aber ohne wäre es überhaupt nicht auszuhalten gewesen. Da er genau über dem Kopfende des Bettes angebracht war, mussten wir trotz der Hitze noch unsere Ohren zudecken, um uns keine Ohrenentzündung zuzuziehen; verkehrte Welt.

Am nächsten Tag besuchten wir vormittags den Königspalast und nachmittags das Nationalmuseum, beides in Laufentfernung vom Hostel. Der König Kambodschas wohnt auch direkt dort im Palast, in einem für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Teil; man kann den Thronsaal und die Halle des Smaragdbuddhas sowie einen Teil des Parks besichtigen. Wir waren schon halb neun morgens dort, da das Thermometer hier jeden Morgen um acht die 30°C-Marke knackt, und in unserem Zimmer hätten wir es ohnehin nicht länger ausgehalten. (Mittags konnten wir zum Glück in einen klimatisierten Schlafsaal umziehen – eine Wohltat!)

Thronsaal

Thronsaal

Nett hat's der König...

Nett hat’s der König…

Die Halle des Smaragdbuddhas - welchen man allerdings nicht fotografieren darf

Die Halle des Smaragdbuddhas – welchen man allerdings nicht fotografieren darf

Das Nationalmuseum am Nachmittag war ganz nett, aber in erster Linie wegen seiner wunderschönen Khmer-Architektur und dem hübschen Innenhof. Zu sehen gab es im Wesentlichen eine Menge verstaubte Statuen.

Das Nationalmuseum von Phnom Penh

Das Nationalmuseum von Phnom Penh

Abends spazierten wir ein Stück am Flussufer entlang, wo die Brise und die leicht gesunkenen Temperaturen es endlich wieder erträglich machten. Man sollte in diesem Klima keine Städte bauen…

Die Uferpromenade

Die Uferpromenade

Nach langem Überlegen entschieden wir uns, am nächsten Tag ein besonders dunkles Kapitel der kambodschanischen Geschichte aufzuarbeiten: den Völkermord der Roten Khmer. Mit dem Tuktuk fuhren wir morgens zu den 17km außerhalb der Stadt gelegenen Killing Fields von Choeung Ek, wo einst Gefangene hingerichtet und in Massengräber geworfen wurden. Männer, Frauen, Kinder, sogar Babys; Regimegegner, Unbeteiligte, Soldaten der Roten Khmer selbst – niemand wurde verschont. Wenn ein Familienmitglied verhaftet wurde, aus welchem erfundenen Grund auch immer, wurde oft gleich die ganze Familie umgebracht, um spätere Rache der Kinder zu verhindern. Im ganzen Land gab es unzählige dieser Killing Fields, in denen nachts Propagandalieder und Generatorenlärm die Schreie der Sterbenden übertönten, damit die Bevölkerung der umliegenden Dörfer keinen Verdacht schöpfte, was dort wirklich geschah. Choeung Ek ist heute das Zentrum des Gedenkens. Dort wurde eine Stupa errichtet, in der 8.000 Schädel aufbewahrt werden. Wo die Massengräber waren, ist heute eine Art Park, aber man sieht noch die Senken im Boden. Es ist ein unfassbar trauriger Ort, und es gibt keine Worte, zu beschreiben, was in diesen Jahren in Kambodscha geschehen ist. In nur vier Jahren, von 1975 bis 1979, starben etwa ein Viertel der Bevölkerung durch die Gräueltaten der Roten Khmer, durch Zwangsarbeit, Mangelernährung und fehlende medizinische Versorgung. Jeder Kambodschaner, der heute älter als vierzig ist, ist Überlebender dieser schrecklichen Zeit, man sich gar nicht vorstellen, was das bedeutet.

Die Pagode mit den 8.000 Schädeln

Die  Stupa mit den 8.000 Schädeln

Im Anschluss fuhren wir zurück in die Stadt und schauten uns das Foltergefängnis S-21 (Tuol Sleng) an. Nach der Räumung Phnom Penhs wurde diese einstige Schule in ein Gefängnis umgewandelt, wo Gefangene so lange gefoltert wurden, bis sie die erfundenen Anschuldigungen gegen sie zugaben, nur um dann auf den Killing Fields hingerichtet zu werden. Man kann die Zellen besichtigen und in einigen Räumen sind Informationstafeln aufgestellt, wo man über das Regime und das Leben der Menschen in dieser Zeit lernen kann. Aber nichts kann die Frage nach dem Warum beantworten. Warum Menschen einander solche Grausamkeiten antun. Am Ende fühlt man sich hilflos, fassunglos, leer. Von den mehr als 17.000 Menschen, die in der Zeit des Khmer Rouge-Regimes hier inhaftiert waren, haben nur elf überlebt.

Tuol Sleng

Tuol Sleng

Um etwas auf andere Gedanken zu kommen, fuhren wir dann auf den Zentralmarkt, schauten uns die bunten Stände an, die von Kleidung, Taschen, gefälschten Uhren und anderem Schnickschnack überquollen, tranken einen frisch gepressten Zuckerrohrsaft und buchten uns abends einen Bus nach Kep an der Küste, um die Stadt am nächsten Tag hinter uns lassen zu können.

Unterwegs im Mekong-Delta

01. Dezember 2016, Kep/Kambodscha

Ui ui ui, es ist ja kaum zu entschuldigen, wie sträflich wir unseren Blog vernachlässigt haben. Die letzten Tage waren gut ausgefüllt, und in erster Linie sind wir ja auch immer noch zum reisen hier und nicht zum schreiben. 😉 Aber vielleicht interessiert ja doch die eine oder den anderen, wie es uns so ergangen ist, darum bemühen wir uns hier mal um eine Zusammenfassung.

In Saigon waren wir leider am Ende nur einen Tag. Die größte Stadt Vietnams, die offiziell Ho-Chi-Minh-Stadt heißt, von vielen Vietnamesen aber weiterhin bei ihrem alten Namen genannt wird, gefiel uns mit ihren breiten Boulevards und grünen Parks von der Atmosphäre her zwar viel besser als Hanoi, aber es war eben trotzdem eine Großstadt und die Hektik schlägt einem aufs Gemüt. Außerdem hatte Kathrin sich in unserem fies klimatisierten Zimmer in Mui Ne eine ebenso fiese Erkältung eingefangen und war ohnehin nicht fit für große Stadterkundungstouren.

Da unser Hostel sehr zentral gelegen war, besuchten wir vormittags ein paar Sehenswürdigkeiten zu Fuß, unter anderem die Kathedrale und das historische Postamt.

Hauptpost in Saigon

Hauptpost in Saigon

Kathedrale Notre Dame in Saigon

Kathedrale Notre Dame in Saigon

Mittags trieb uns das drückend-heiße Klima zurück in unseren klimatisierten Schlafsaal für ein Schläfchen. Am Nachmittag zog ich nochmal allein los um noch ein paar weitere Eindrücke von der Stadt zu sammeln.

People's Committee Building und Statue von Onkel Ho

People’s Committee Building und Statue von Onkel Ho

[Videobeschreibung: mittlerweile macht uns der vietnamesische Verkehr nicht mehr viel aus. ;-)]

Wie gesagt, ich wäre eigentlich gern noch länger geblieben, aber unser Visum galt nur noch wenige Tage, und verlängern wollten wir nicht mehr, also beschlossen wir, am nächsten Tag schon weiter ins Mekong-Delta nach Can Tho zu fahren. Zum ersten Mal in Vietnam – ausgerechnet in der größten Metropole – wurde uns die Organisation der Weiterreise schwergemacht. An der Hostelrezeption sagte man uns, wir müssten das Busticket selbst über das Internet buchen. Das versuchten wir dann mehrmals vergebens; die Website der Busgesellschaft FutaBus funktionierte einfach nicht richtig, also machten wir uns schließlich abends auf den Weg zu deren Büro, was nicht weit vom Hostel entfernt im selben Stadtviertel lag. Dort aber die nächste Enttäuschung: Tickets nach Can Tho wurden dort nicht verkauft, sondern nur in deren Filiale in Distrikt 5, einem weiter entfernten Stadtviertel. Man muss dazu sagen, dass es sich hierbei um Vietnams größte Busgesellschaft handelte, die alle Orte im Land anfährt; allein von Saigon nach Can Tho gibt es rund um die Uhr jede halbe Stunde bis Stunde einen Bus. Da es schon spät war, entschieden wir uns dafür, das Ticket direkt am nächsten Tag bei Abfahrt zu kaufen. Das war dann am Ende auch überhaupt kein Problem; mit dem Taxi fuhren wir zum besagten Büro von FutaBus, und von dort hatte die Busgesellschaft ein kostenloses Shuttle zum Busbahnhof, einem riesigen Umschlagplatz für Menschen und Güter. Mittlerweile kannten wir uns ja schon aus, da wir schon mehrfach mit Futa gefahren waren und konnten die Busnummer auf dem Ticket direkt selbst zuordnen, und so fanden wir dann zumindest auf Anhieb den richtigen Bus, ohne ratlos herumirren zu müssen.

In Can Tho angekommen nutzen wir wieder den kostenlosen Shuttle – einen ganz tollen Service von FutaBus: man wird am Zielort noch mit dem Minibus bis zum Hotel oder wohin auch immer gefahren, wenn man die Adresse parat hat. Unser Hotel lag etwas außerhalb, aber es war günstig und hatte im Internet gute Bewertungen erhalten, und viel anschauen wollten wir uns in der Stadt ohnehin nicht. Wir hatten ein sehr geräumiges Doppelzimmer im fünften Stock mit einem tollen Stadtblick und unsere Ruhe. Wir verbrachten die meiste Zeit im Zimmer, damit Kathrin ihre Erkältung etwas auskurieren konnte, aber einen Tag unternahmen wir einen Ausflug zu einem der schwimmenden Märkte, für die Can Tho berühmt ist.

Da das Wetter im Mekong-Delta natürlich sehr heiß ist, muss man zeitig aufstehen, wenn man die Märkte besuchen will. Früh halb sechs wurden wir von zwei Moped-Taxis abgeholt und zum Pier gefahren, wo unsere Bootsführerin schon auf uns wartete. Mit dem Boot ging es dann etwa eine Dreiviertelstunde über den Fluss zum Cai Rang, dem größten der Märkte, wo Obst und Gemüse gehandelt werden. Statt Marktständen liegen dutzende Kutter in der Mitte auf dem Fluss. An langen Stangen hängt ein Stück der Ware, damit man im Gewimmel der Boote sehen kann, wo es was zu kaufen gibt: Bananen, Ananas, Kartoffeln, Kürbisse, Mangos,… Dazwischen schlängeln sich kleinere Boote mit Käufern hindurch, und von Nussschalen aus werden Getränke und Snacks verkauft. Ein kurzes Stück fuhren wir auch noch in einen Seitenarm des Flusses, sahen die Stelzenhäuser der Kanalbewohner und besichtigten eine kleine Fabrik für Reisnudeln. Unsere Bootsführerin steuerte nicht nur unseren Kahn souverän übers Wasser, sonder schaffte es nebenbei auch noch, aus Schilf, Blättern und Blütenknospen wunderschöne Kunstwerke für uns zu basteln.

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Schwimmender Baguette-Verkauf

Schwimmender Baguette-Verkauf

Unsere Bootsführerin...

Unsere Bootsführerin…

...und ihre Kunstwerke

…und ihre Kunstwerke

Von Can Tho aus war es noch eine dreistündige Busfahrt nach Chau Doc, der letzten Stadt vor der kambodschanischen Grenze. Dort verbrachten wir nur eine Nacht; in der Stadt gab es nicht wirklich etwas interessantes zu sehen. Am Sonntagmorgen wurden wir abgeholt – wir hatten uns ein Minibus-Shuttle vorgestellt, aber was kam, war genau eine Fahrradrikscha. Wir waren zu beschäftigt damit, uns und unser Gepäck festzuhalten, daher gibt es leider keine Fotodokumentation dieser denkwürdigen Fahrt, aber zumindest wissen wir jetzt, dass eine Fahrradrikscha tatsächlich zwei Personen, zwei Kraxen und zwei Handgepäcksrucksäcke transportieren kann. 😉

Mit der Rikscha sind wir natürlich nicht über die Grenze gefahren, sondern nur bis zum Bootspier. Der Hotelbesitzer hatte uns Tickets für das Expressboot nach Phnom Penh reserviert, und 7:30 Uhr ging es los über den Mekong zur Grenze.

Wir hatten Plätze außen ergattert, wo es zwar aufgrund des Motorenlärms unglaublich laut war (ich überstand die Fahrt nur mit Ohropax), wir uns aber den Wind um die Nase wehen lassen konnten und freie Sicht auf das interessante Leben entlang des Flusses hatten. Der Mekong ist hier so breit wie ein riesiger See und es sind Boote und Schiffe in allen Größen unterwegs: Hausboote, deren Bewohner uns lachend zuwinkten, Frachtkutter beladen mit Ananas und Bananen, winzige Nussschalen von Fischern, die im Fahrwasser unseres Schnellbootes gefährlich ins Wanken kamen. Am Ufer wechselten kleine Siedlungen, deren windschiefe Wellblechhütten auf Stelzen bis ins Wasser gebaut waren, mit Maisfeldern und Wiesen, auf denen hier und da ein Rind weidete.

Leben am Fluss

Leben am Fluss

Bye-bye, Vietnam

Bye-bye, Vietnam

Nach etwa einer Stunde erreichten wir die Grenze. Der Bootsbegleiter hatte gleich nach der Abfahrt Zollerklärungen und Visumsanträge ausgeteilt, die er nun ausgefüllt zusammen mit unseren Pässen wieder einsammelte. Wir wussten, dass das Visum 30 Dollar kosten und die Bootsgesellschaft eine relativ sinnlose „Bearbeitungsgebühr“ erheben würde. Wir bezahlten die 4 Dollar extra, auch wenn wir die ganzen Formalitäten selber hätten erledigen können, da uns das Boot sonst vermutlich nicht von der vietnamesischen zur kambodschanischen Grenze befördert hätte. An der Ausreisestation mussten wir nur eine reichliche Viertelstunde warten bevor wir weiter zur Einreisestation des Nachbarlandes fuhren. Dort verbrachten wir über eine Stunde – wir erhielten unsere Pässe schon mit eingeklebtem kambodschanischem Visum vom Bootsbegleiter zurück, mussten dann aber damit noch zu einem Schalterbeamten, der die Aufenthaltsdaten in den Pass stempelte. Insgesamt lief aber alles wesentlich reibungsloser als erwartet.

In der Ferne grüßt die Hauptstadt Kambodschas

In der Ferne grüßt die Hauptstadt Kambodschas

Gegen Mittag erreichten wir Phnom Penh. Am Pier warteten natürlich schon eine große Schar von Tuktuk-Fahrern, aber da wir ja gelesen hatten, dass man dort sehr wahrscheinlich übers Ohr gehauen wird, liefen wir erst einmal bis zur nächsten Querstraße in der Absicht, uns dort ein Tuktuk heranzuwinken. Diese stellte sich aber direkt schon als die Straße heraus, auf der auch unser vorab gebuchtes Hostel lag, also liefen wir in die Richtung, die wir für die richtige hielten. Mit den Hausnummern ist es in Kambodscha so eine Sache; sie folgen überhaupt keinem System, daher konnten wir nicht sicher sein. Nach zehn Minuten fanden wir aber tatsächlich unser Ziel; ohne Taxi-Nepp, ohne Stadtplan und ohne genau zu wissen, wo wir überhaupt angelegt hatten. Guter Start ins Land, würde ich sagen. Willkommen in Kambodscha. 🙂

P.S. Werft mal einen Blick auf die Seitenübersicht auf der Startseite (der scharze Querbalken unter dem Titelbild)  😉