Willkommen in China

07. Oktober 2016, im Zug von Peking nach Pingyao

Eine Woche waren wir nun in Peking und haben viel erlebt.

Nach unserem Erkältungstag hat Kathrin noch einen zweiten Erkältungstag drangehängt; lieber jetzt auskurieren als es die nächsten drei Wochen mit sich herum zu schleppen. Da ich mich schon besser fühlte, bin ich zum Sommerpalast gefahren, der in einem riesigen Park mit großem See im Nordwesten der Stadt liegt. Die U-Bahn-Fahrt von unserem Hostel dauerte gut eine Dreiviertelstunde, hat aber nur ca. 60 Cent gekostet. Da der Sommerpalast eine der größten Sehenswürdigkeiten Pekings ist, und die ganze Woche Feiertage waren (die sogenannte Golden Week), herrschte entsprechend viel Andrang. Wobei Andrang noch zu mild klingt für die schätzungsweise mehreren 10.000 Besucher… Der Park rund um den Palast ist sehr schön und war bei den warmen Temperaturen auch angenehm kühl. Eigentlich wollte ich um den See herumlaufen aber die Menschenmenge hat sich so langsam vorangeschoben, dass es bestimmt länger als zwei Stunden gedauert hätte, und so fit fühlte ich mich noch nicht.

Der Sommerpalast

Der Sommerpalast

Zurück im Hostel meldeten wir uns für die dort angebotene Fahrt zur Großen Mauer am nächsten Tag an. Ein paar Stunden Busfahrt und raus aus dem Pekinger Smog klangen nicht zu anstrengend; außerdem hatten wir von anderen nur gutes über die Tour gehört.

Morgens 7:30 ging es los. Bei Regen. Statt Sonnencreme packten wir die Regenjacke ein. Die Fahrt dauerte ungefähr zweieinhalb Stunden. Wir passierten Badaling, die Hochburg des Mauertourismus, wo schon viel Betrieb herrschte, fuhren aber noch weiter hinauf in die Berge zur Badaling Ancient Wall. Dort sieht man noch Teile der unrestaurierten Mauer, die völlig verfallen und nicht begehbar ist. Ein Teilstück ist jedoch restauriert; an einem Wachturm steigt man hinauf und kann von dort sieben Türme weit die Mauer entlang und wieder zurück wandern, was insgesamt, wenn man halbwegs sportlich ist, etwa in drei Stunden zu schaffen ist. Die Stelle ist auch verhältnismäßig wenig von Touristen frequentiert; spätestens am dritten Turm ist man quasi allein auf der Mauer, da die meisten nicht so weit laufen. Allerdings müssen wir sagen, dass es wirklich anstrengend ist, auf der Mauer zu wandern. Die Treppenstufen sind alle unterschiedlich hoch und breit, und oft extrem steil. Stellenweise gibt es auch gar keine Stufen, sondern nur Schrägen, und aufgrund der Nässe war es auch etwas rutschig. Daher liefen wir nur ungefähr die Hälfte der Strecke und drehten dann um. Nicht zuletzt war das Wetter auch… nun, sagen wir mal, bei schönem Wetter kann ja jeder. Ihr kennt alle die Fotos von der Großen Mauer im Sonnenschein. Nichts besonderes. Kalter Kaffee. Schnee von vorgestern. Wir zeigen euch daher heute nie gesehene, extrem wertvolle Aufnahmen der Großen Mauer bei Regen, Nebel, Wind und ca. zehn Grad (wenn überhaupt). Seid ihr bereit?

Badaling Ancient Wall

Es war ja soooo schön! 😉

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Badaling Ancient Wall

Seid ehrlich: sind das nicht die beeindruckendsten Aufnahmen, die ihr je gesehen habt? Na? Wussten wir doch. Wir sind ja hier, um euch was besonderes zu zeigen. 😉

Wieder unten gab es noch Mittagessen in einem Restaurant mit dem Flair einer Provinzbahnhofshalle, aber das Essen war überraschend gut. Auf der Rückfahrt haben wir uns dann sehr gut mit einem schottischen Ehepaar sowie drei Deutschen unterhalten (eigentlich die ersten Deutschen, mit denen wir seit Reisebeginn so richtig gesprochen haben). Ein Blick aus dem Busfenster zur Badaling Great Wall (da wo alle hinfahren) überzeugte uns noch einmal, die bessere Tour gebucht zu haben; dort wälzten sich Ströme von Touristen die Mauer entlang.

Zurück im Hostel ließen wir uns über die Rezeption Karten für die Verbotene Stadt buchen; ein Ägypter auf der Tour hatte uns gesagt, dass das geht. Für Mittwoch gab es keine Karten mehr (80.000 Karten am Tag, ausverkauft…), aber für Donnerstag ging es noch. Kevin und Fiona, das Ehepaar aus Schottland, hängten sich gleich mit dran, was zur Folge hatte, dass wir zusammen gehen mussten, weil unser Ticket für vier Personen war.

Am Mittwoch erholten wir uns vormittags ein bisschen von unserem Mauerausflug und machten Haushaltskram, Wäsche waschen, Geld abheben,… Nachmittags trafen wir uns mit unserem chinesischen Freund Mak an der U-Bahn-Station und fuhren zum Westbahnhof, um Fahrkarten für unsere Weiterfahrt nach Pingyao zu holen. Wir hatten die Fahrkarten über das Internet gekauft, was ganz unkompliziert war, und mussten nur mit der Buchungsnummer und unseren Pässen zum Schalter.

Der Westbahnhof hat locker über dreißig Schalter, und wir stellten uns am erstbesten an. Die Beamtin prüfte die Nummer, unsere Pässe und sagte uns dann, dass wir zum Schalter Nr. 16 gehen müssten. Es stellte sich heraus, dass das der einzige englischsprachige Schalter war, aber die Schlange war zum Glück sehr kurz und wir bekamen tatsächlich was wir wollten. Daher kauften wir auch gleich noch Fahrkarten für die Weiterfahrt von Pingyao nach Xi’an. Aufgrund der Feiertage waren viele Züge schon ausgebucht und wir waren froh, überhaupt noch Fahrkarten zu erhalten.

Danach besuchten wir den Tempel des Himmels, auch eine Hauptsehenswürdigkeit in Peking, umgeben von einem wunderschönen Park, wo wir bei schönstem Sonnenschein herumspazierten. Eine Gruppe Frauen tanzte, ein alter Mann sammelte Walnüsse, jemand fütterte ein paar Katzen; es gab wirklich viel zu sehen.

Für den Abend waren wir mit Mouna und Rémy verabredet, dem französischen Paar, mit dem wir den ersten Teil der Transsib gefahren waren. Der Einfachheit halber hatten wir ihr Hostel als Treffpunkt vorgeschlagen. Erinnert ihr euch noch an das Foto aus dem letzten Blogeintrag mit dem Untertitel „Wenn China Urlaub hat“…? Es stellte sich leider heraus, dass das Hostel genau in der Mitte dieser Straße lag. Warum gerade diese Straße so voll ist, weiß niemand; es ist eine Einkaufsstraße von unzähligen, aber genau dort rennen alle hin. Herdentrieb. Da half nur noch im Karawanenstil die Hände auf die Schultern des Vordermannes bzw. der Vorderfrau und durchschieben…

Es war wirklich schön, Mouna und Rémy wiederzusehen und zu hören, wie es ihnen seid unserem Abschied in Irkutsk ergangen war. Sie hatten leider nicht so gute Erfahrungen in der Mongolei gemacht, da ihre dortige Tourleiterin die Tour anscheinend nur zum Urlaub mit ihrem Mann genutzt und sich kaum um ihre Gäste gekümmert hatte. Dafür hatten sie auf der weiteren Zugfahrt einige Leute getroffen, die wir auch in anderen Zügen getroffen hatten. Lustig, wie man hier immer wieder die gleichen Leute trifft!

Mak führte uns in ein kleines Restaurant hinter dem Drum Tower, in dem angeblich Angela Merkel mal gegessen haben soll, als sie in Peking war. Davon war aber nichts zu spüren; es hing kein Bild von ihr an der Wand, und es war auch nicht sonderlich teuer. Eigentlich war es extrem günstig, da nur Einheimische dort essen; null Flair, nicht besonders sauber (besser nicht auf den Fußboden schauen), völlig überfüllt, ein einziges Drängen und Schieben in den Schlangen – man bestellt an einer Theke, bezahlt, geht dann mit den Kassenzetteln zu verschiedenen Essensausgaben und sucht sich zum Schluss mit dem Tablett in der Menschenmenge einen Sitzplatz – aber das Essen war gut und ist uns auch bekommen. Mak hatte für uns bestellt, obwohl es sogar eine englische Speisekarte mit Bildern gegeben hätte (auf die Idee wäre man aber von außen nicht gekommen). Wir aßen eine Menge interessante Dinge – Seetangsalat mit ganz viel Knoblauch, schwarze Pilze, Teigbällchen mit Fleischfüllung, Glasnudelsalat, frittierte Fischstücke mit Gräte, Lotuswurzel mit einer Art Orangen-Pfefferminzsauce (hat zumindest so geschmeckt), und die Franzosen hatten sehr mutig noch eine geleeartige Suppe mit irgendwelchen Innereien bestellt, von der wir dankend die Finger ließen.

Rémy fliegt nun nach Frankreich zurück, aber Mouna reist noch eine Weile durch China, und wir wollen versuchen, sowohl sie als auch Mak nochmal in Xi’an zu treffen.

Am nächsten Morgen waren wir schon halb acht mit den beiden Schotten, Kevin und Fiona, verabredet, um in die Verbotene Stadt zu gehen. Die beiden sind Anfang 50, haben wie wir ihre Jobs gekündigt und sind seit einer Woche auf Weltreise. Sie sind auch die lustigsten und liebenswertesten Menschen, die man sich überhaupt vorstellen kann, und wir hatten einen Riesenspaß, obwohl schon der Weg bis in die Verbotene Stadt wieder eine echte Herausforderung war.

Erst einmal mussten wir wieder über den Platz des Himmlischen Friedens, d.h. durch die Unterführung, durch die Personen- und Gepäckkontrolle (wobei Ausländer so gut wie gar nicht kontrolliert werden) und dann am Palast angekommen die richtige Schlange finden. Wir waren etwa 20 Minuten vor Öffnung da, aber der Andrang vor den Ticketschaltern war überwältigend. Schätzungsweise mehrere Tausend Menschen warteten schon auf Einlass. Wir zeigten unsere SMS-Bestätigung einem der Ordner, der uns zu einer Schlange an der Ticketkontrolle schickte. Kurz darauf öffneten die Tore, aber als wir am Drehkreuz ankamen, machte man uns klar, dass wir zuerst ein Papierticket an einer anderen Stelle abholen sollten… Nach einigem Suchen fanden wir den Schalter (oder was wir dafür hielten, dort standen auch schon andere Ausländer mit einem Handy in der Hand) und warteten. Als wir drankamen, wurden wir wieder zu einem anderen Schalter geschickt, wo die Schlange natürlich schon viel länger war. Aber aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei, und diesmal erhielten wir gegen Passvorlage ein Ticket, mit dem wir dann endlich durchs Drehkreuz kamen. Danach gingen wir und die beiden Schotten getrennte Wege, da wir uns sowieso beizeiten aus den Augen verloren hätten.

Es war echt voll, aber trotz des Gedränges war es schon sehr beeindruckend, durch das erste Tor auf den Hauptplatz zu treten, den man so aus Filmen kennt. Die Verbotene Stadt besteht aus mehreren großen Palästen entlang einer Mittelachse, sowie weiteren kleineren Palästen im Osten und Westen. In einige der Paläste kann man von außen hineinschauen in Thronsäle und Schafgemächer, die aber größtenteils nicht sonderlich prunkvoll waren. Außerdem konzentrierte sich natürlich vor diesen Punkten das Gedränge und wenn man es erst einmal geschafft hatte, ganz vorne ein Foto zu machen, kam man kaum wieder hinaus aus dem Pulk. Wir liefen etwa vier Stunden durch das Areal, müssen aber sagen, dass irgendwann alles gleich aussieht – alle Gebäude haben rotgestrichene Mauern und gelb-blaue Ziegeldächer mit kleinen Figuren auf den Ecken. Im Zentrum gibt es noch einen Garten mit künstlichen Miniaturbergen, alten Bäumen und zwei Goldfischteichen.

Einzug in die Verbotene Stadt

Einzug in die Verbotene Stadt

Wenn man an den richtigen Stellen fotografiert, könnte man glatt behaupten, (fast) allein gewesen zu sein.

Wenn man an den richtigen Stellen fotografiert, könnte man glatt behaupten, (fast) allein gewesen zu sein.

Regenschirmparade

Regenschirmparade

Dachdetail

Dachdetail

B und Brunnen

B und Brunnen

dsc03596Danach waren wir so fußlahm, dass wir zurück zum Hostel liefen, die Beine hochlegten und eigentlich duschen und packen wollten. Da der Weg zur Dusche aber durch die Bar führte, kamen wir nicht weit; erst quatschte ich mich mit den Engländern aus dem Hostel in UB fest und wir tauschten Nummern aus, um uns in Xi’an zu treffen, und dann mit Kevin und Fiona, mit denen wir einen wundervollen und sehr unterhaltsamen Abend in der Bar verbrachten. Die beiden werden wir leider vermutlich auf unserer Reise nicht noch einmal treffen, da sie eine andere Route nehmen, aber wer weiß. Sie haben uns auf jeden Fall auch nach Schottland eingeladen.

Danach war es eine kurze Nacht, da wir schon 6:15 Uhr das Hostel verlassen mussten, um zum Bahnhof zu fahren. Bis zum Zug zu kommen war wieder einmal neu und spannend. Als erstes durften wir feststellen, dass die Züge nicht im selben Gebäude fahren, wo die Ticketschalter sind. Um in die eigentliche Abfahrtshalle zu kommen, muss man Tickets, Pass und Gepäck kontrollieren lassen wie am Flughafen, und dann gibt es oberhalb der Bahnsteige riesige Wartehallen. Englische Beschilderung suchten wir vergebens, aber mit Zugnummer und Abfahrtszeit fanden wir die richtige Halle (nochmal Ticketkontrolle am Einlass), wo schon unglaublich viele Leute saßen und noch viel mehr Schlange standen. Zum Glück waren wir schon eine halbe Stunde vor Abfahrt da. Dann gab es noch mal eine Ticketkontrolle vor der Rolltreppe zum Bahnsteig, und dann mussten wir uns irgendwie mit unserem Gepäck noch durch den schon sehr vollen Waggon schieben. Unser neues Motto in China wird wohl „Das Leben in vollen Zügen genießen“. Jetzt sitzen wir aber auf unseren Plätzen in einem schicken Schnellzug, der uns sehr an den japanischen Shinkansen erinnert, nur dass die Leute deutlich lauter sind und (mehr) Müll auf dem Boden liegt.

Unser nächstes Ziel ist die 50.000 Einwohner zählende Stadt Pingyao, Weltkulturerbe aufgrund ihrer historischen Architektur und komplett erhaltenen, 600 Jahre alten Stadtmauer. Wir haben auch Hoffnung, dass der Smog dort nicht so schlimm ist wie in Peking, wo die Luft zwar nicht unbedingt stinkt, aber ich einfach seit einigen Tagen ein leichtes Brennen im Hals habe, das nicht von der Erkältung kommt, da mehrere andere Reisende auch schon darüber geklagt haben. Allerdings wird in Pingyao viel mit Kohle geheizt, sagte Mak, daher kommen wir eventuell vom Regen (der heute früh auch tatsächlich fiel) in die Traufe…

9 Gedanken zu „Willkommen in China

  1. Juhu, neue B und K – Reiseberichte. Obwohl ich den englischen Teil gestern schon gelesen habe (ja, ich lese freiwillig und gerne auch eure englische Texte, es dauert nur länger 😉 ).

    Ich freu mich, dass es euch besser geht. Und ja, Bilder von der chinesischen Mauer in Sonne is wie der Zuckerhut im strahlenden Licht. Das kennt jeder! Aber im Regen und Nebel schaut das ganz anders und nicht minder schön aus.

    Lg das I

    • Das stimmt, mit dem Nebel und Regen. ^_^
      Aber ich find’s toll dass du unsere englischen Texte auch liest!:D Bist die Beste!! :-*

  2. Eigentlich wollte ich nur ein Schreiben fertig machen und dann meinen Haushaltskram, aber da ich den Laptop nie ausmache, ohne vorher bei eurem Blog vorbei zu gucken, war es das erst mal mit Hausarbeit. Man muss Prioritäten setzen und da steht euer Blog unangefochten auf Platz 1 :)))

    Weiterhin viele schöne Erlebnisse!!

    Liebe Grüße
    das M mit dem Rest der Familie

  3. …wie schööön von Euren China-Erlebnissen zu lesen und die Bilder zu sehen!! An all den Plätzen in Peking waren wir auch! 😀 Unsere China-Eindrücke sind natürlich noch sehr präsent und ja Bahn fahren haben wir GENAU SO erlebt wie Ihr. Abenteuer!! Birgit, ich wünsche mir von Xi’an ein Foto vom Trommelturm mit dir im Hikari-Shirt! 😉
    Liebe Grüße, Susa

    • Heute waren wir auf dem Trommelturm, liebe Susa, und ich habe gaaanz viele Fotos gemacht, die ich in die Hikari-Gruppe posten will, sobald das Internet mal ausreicht. Hatte leider mein Hikari-Shirt nicht dabei. 😉 Liebe Grüße auch an Jörg. ^^

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