Plötzlich in Russland

13.09.2016, Moskau

Zunächst einmal das Wichtigste: vielen Dank, ihr Lieben, für eure Kommentare! Wir freuen uns sehr, von euch zu lesen und kommen hoffentlich auch mal dazu, euch einzeln zu antworten (ihr dürft uns auch gern Dinge fragen, die nicht im Blog stehen). Aber es ist wirklich schön, zu wissen, dass ihr mitlest und dabei seid. 😀

Aber nun zur Sache.

Wir sind in Russland und hätten’s fast nicht gemerkt…

Die Zugfahrt verlief noch sehr angenehm bis auf die Grenzkontrolle zwischen Polen und Weißrussland – alles planmäßig, aber ein bisschen einschüchternd wirkte das Ganze schon, zumal der Beamte nur Russisch sprach und erstmal sämtliche Pässe einsammelte und damit verschwand. Gegen 17:00 waren wir an der Grenze und 17:45 ging es weiter; eine Dreiviertelstunde hat das Ganze also etwa gedauert. Wir mussten eine Ein- und Ausreisekarte ausfüllen, von denen die Einreisekarte einbehalten wurde. Wir behielten die Ausreisekarte für die Grenzkontrolle zur russischen Grenze. Dachten wir.

In Brest wurden dann die Fahrgestelle unter den Wagons gewechselt, da in Russland ja die Spurbreite anders ist. Der Zug fuhr in eine riesige Werkhalle und wurde in mehrere Abschnitte geteilt, die dann mehr oder weniger gleichzeitig bearbeitet wurden. Aussteigen konnte man nicht, die Wagons wurden ja ca. einen Meter hochgeschraubt und einen Bahnsteig gab es logischerweise nicht. Die Tür unseres Wagons war trotzdem offen (da der Zugbegleiter Alkohol kaufen musste) sodass wir zumindest mal zur Tür raus das Treiben beobachten konnten. Die Wagons wurden mit einer Art Wagenhebern angehoben, die alten Fahrgestelle wurden darunter hervor gezogen und die neuen dann drunter geschoben. Zum Schluss wurden die Abschnitte wieder aneinander gesetzt, wozu der Zug natürlich ein paar mal hin und her fahren musste. Alles in allem dauerte das ganze etwa anderthalb Stunden. Danach standen wir noch bis 21:25 Uhr am Bahnsteig in Brest bevor es weiter ging. Da wir dort ca. eine halbe Stunde Zeit hatten, spazierten wir den Bahnsteig entlang und wurden von Frauen, die Obst und Gemüse verkauften, förmlich überrannt. Himbeeren, Brombeeren, Äpfel und Gurken aus eigenem Anbau, dazu Wasser, Säfte, Kefir und Bier,… Wir gönnten uns einen Becher Himbeeren, die wunderbar schmeckten, und unterhielten uns mit einem Mitreisenden aus dem Nachbarabteil – Sofian aus Frankreich, der schon in Paris eingestiegen war und ebenfalls mit der Transsib nach China fährt. Auch er wird in Irkutsk und Ulan-Bator aussteigen, daher treffen wir ihn vielleicht noch einmal wieder.

Geschlafen haben wir dann sehr ruhig; ich habe nicht einmal mitbekommen, wie der Herr aus unserem Abteil in Minsk ausstieg. Der Morgen kam, aber was nicht kam, war die russische Grenze. Wir hatten uns ausgerechnet, dass noch zwei Kontrollen kommen müssten: bei der Ausreise aus Weißrussland und kurz darauf bei der Einreise in Russland. Doch der Zug fuhr und fuhr, es wurde Tag, und nichts passierte. Aus den Ortsnamen wurden wir auch nicht schlauer. Irgendwann hielt dann der Zug mal wieder (Durchsagen zu den Bahnhöfen gab es übrigens nicht) und stand lange an einem Bahnsteig. Da es schon kurz vor zehn war, rechneten wir uns gerade aus, wie viele Stunden Verspätung wir wohl hätten, als es an der Scheibe klopfte. Draußen stand Sofian, unserer französischer Nachbar, mit seinem Gepäck, und fragte uns, ob wir nicht auch ausstiegen; wir seien doch in Moskau…? Dann kam die Zugbegleiterin und drängelte uns, und auf einmal musste alles ganz schnell gehen: Umziehen, Sachen zusammenpacken, letzter Check, dass auch nichts vergessen wurde, und dann raus. Der Bahnsteig war ewig lang, aber es stand nicht ein einziges Schild da, welches den Ort genannt hätte. Nur in der Ferne, oben am Bahnhofsgebäude, stand MOSKVA. Das war also unsere Ankunft in Moskau. Ohne Sofian hätten wir wahrscheinlich noch sehr lange in dem Zug gesessen oder wären schon wieder auf der Rückfahrt nach Deutschland…

Nach einigem Suchen fanden wir die Metrostation und fuhren zu unserem Hotel. Es lag versteckt im 6. Stock eines leicht maroden Gebäudes in der Nähe des Kazansky-Bahnhofes. Die ältere Dame, die an der Rezeption saß, sprach nicht ein einziges Wort Englisch. Wir versuchten ihr klarzumachen, dass wir gerne unser Gepäck im Hotel lassen würden, aber sie war alles andere als freundlich und machte uns klar, dass das nicht geht und wir erst ab 14:00 einchecken könnten. Es war gerade halb zwölf… Während wir noch überlegten, ob wir nun mit unserem Gepäck zum Büro der Reiseagentur fahren sollten, um unsere Transsib-Tickets abzuholen, kam ein freundlicher Herr, der uns auf Englisch ansprach. Es stellte sich heraus, dass er Engländer war und seit anderthalb Jahren in Russland lebte. Er bot uns seine Hilfe an und fragte die Rezeptionistin noch einmal auf Russisch nach der Gepäckaufbewahrung, und siehe da, es gab einen Gepäckraum, wo wir unsere Kraxen unterstellen konnten…

Das Büro von Real Russia, wo wir die Tickets gebucht hatten, fanden wir auf Anhieb und nahmen unsere Fahrkarten nach Irkutsk und Ulan-Bator entgegen. Da das Wetter sehr schön warm und sonnig war, picknickten wir danach in einem nahe gelegenen Park auf einem Spielplatz und fuhren dann ins Zentrum für ein bisschen Sightseeing. Wir schlenderten durch den Park hinter dem Kreml, wo es wunderschöne Springbrunnen und Wasserspiele gab, und spazierten an der Kreml-Mauer entlang zum Kaufhaus Gum, wo wir kurz hinein gingen und uns an der Touristeninformation bei einer grimmig dreinblickenden jungen Dame, die nur widerwillig von ihrem Handy aufblickte, einen Stadtplan besorgten.

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Kreml

Danach liefen wir zur Basilika, was für mich ein echtes Highlight war, da mir das Gebäude mit seinen riesigen, bunten Zwiebeltürmen schon als Kind gefiel; weiter in Richtung Bolschoi-Theater und durch eine Fußgängerzone, wo wir auch Abendbrot aßen, zurück zum Roten Platz. Wir aßen in einem kleinen Café Borschtsch, Vareniki und Piroggen, und es war nicht mal teuer, 9 € zusammen. Allerdings war auch da das Personal nicht sonderlich freundlich und wir hatten eher das Gefühl, zu stören. Eine der (jungen) Kellnerinnen sprach gleich gar kein Englisch und holte leicht panisch ihre Kollegin, um uns zu bedienen. Das einzige, was schnell kam, war das Essen; auf Rechnung und Restgeld warteten wir jeweils lange.

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Basilika

Insgesamt hatten wir keinen besonders guten Eindruck von den Russen; alle, mit denen wir bis dahin zu tun hatten, waren mürrisch und überhaupt nicht hilfsbereit. Daher waren wir auch nicht böse, am nächsten Tag schon weiterfahren zu können. Eine Gruppe indonesischer Touristinnen, die uns vor dem Kreml anlächelten, als wir ihnen den Vortritt für ein Foto ließen, war ein echtes Highlight – die ersten freundlichen Menschen des Tages!

Im Hotel saß leider bei unserer Rückkehr abends immer noch die gleiche Dame am Empfang und war kein bisschen freundlicher geworden. Wir hatten das Gefühl, dass sie die Passkontrolle, die an der Grenze nicht stattgefunden hatte, nachholte; sie kontrollierte und kopierte die Visa für Weißrussland und Russland und wollte dann noch eine Migrationskarte von uns; wir hatten nur leider keine Ahnung, was das sein sollte. Ich zeigte ihr meinen Voucher (die Einladungskarte, die wir für das Visum gekauft hatten) aber damit konnte sie nichts anfangen. Sie redete weiter auf Russisch auf uns ein und wir kamen keinen Schritt weiter. Schließlich zeigte sie uns die Unterlagen anderer Gäste und wir verstanden, dass sie die Ausreisekarte sehen wollten, die wir in Weißrussland ausgefüllt hatten. Diese wurde auch noch kopiert, und dann griff sie zum Telefon und rief irgendjemanden an, wovon wir natürlich nichts verstanden. Mein Name fiel mehrmals, und uns wurde langsam mulmig. Am Ende legte sie auf und schrieb den Preis für die Übernachtung auf einen Zettel. Wir bezahlten, sie zeigte uns das Zimmer, und das war’s. Wofür all die Aufregung war, wissen wir nicht. Vielleicht konnte sie einfach nichts mit dem Voucher anfangen und hat die Hotelleitung angerufen, ob wir schon bezahlt haben. In jedem Fall hatten wir dann ein Bett für die Nacht, aber mehr war es auch wirklich nicht. Wir wussten schon bei der Buchung, dass es ein Zimmer ohne Fenster war. Es war aber leider auch ein Zimmer ohne Platz. Auf einer Seite des Doppelbettes war noch ca. ein halber Meter Platz, ebenso am Fuß des Bettes, was aber nicht mal reichte, um die Tür vollständig zu öffnen. Ein Hocker und ein Mini-Regal mit Flachbildfernseher waren die einzige Einrichtung. Eine Decke gab es auch nicht, nur einen leeren Deckenbezug, aber was will man für 20 € in Moskau schon erwarten. Da die Belüftung nur mäßig funktionierte, war es ohnehin nicht sehr kalt.

Dienstag morgen liefen wir zu einer nahe gelegenen Kirche. Kathrin wollte lieber draußen warten, aber ich ging hinein. Von außen war sie ja schon sehr schön anzusehen, aber das Innere verschlug mir wirklich die Sprache. Bis auf den Fußboden war alles aus Gold, aber auch wirklich alles – Die Wände, die Leuchter, die Bilderrahmen,… Drei Priester hielten Andachten ab, sangen und schwenkten Weihrauchgefäße; der Duft war überwältigend. Ihnen folgten mehrere Frauen, die alle Kopftücher trugen (ich hatte leider keines, aber niemand schien sich daran zu stören) und mehrstimmig sangen, und viele Gläubige zündeten Kerzen an, küssten die Ikonenmalereien an den Wänden, die hinter Glas waren. Insgesamt war die Atmosphäre sehr düster und ehrfürchtig. Besucher kamen und gingen, viele junge Leute unter ihnen, Männer mit Aktentaschen, die aussahen, als wären sie auf dem Weg zur Arbeit.

Danach deckten wir uns im Supermarkt gegenüber des Hotels mit Lebensmitteln für die kommenden vier Tage Zugfahrt ein. Instant-Kartoffelbrei, Kekse, Brot und Käse, und jede Menge Wasser.

Beim Check-Out saß immer noch oder schon wieder die selbe Dame an der Rezeption, aber diesmal war sie schon gefühlte 2 Grad freundlicher und lächelte sogar kurz.

Zum Yaroslavsky-Bahnhof war es nicht weit zu laufen und so waren wir schon gute anderthalb Stunden vor Abfahrt des Zuges da. Wir hoben Rubel am Geldautomaten ab und setzen uns dann in eine der riesigen Wartehallen. Der ganze Bahnhof schien nur aus Wartehallen und ein paar kleinen Läden zu bestehen. Ein Mann aus der Ukraine redete eine Weile auf uns ein und schenkte uns eine ukrainische Münze, aber da er Russisch mit nur einigen deutschen Wörtern dazwischen sprach, verstanden wir ihn kaum.

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Yaroslavsky Bahnhof

Dann wurde das Gleis unseres Zuges angezeigt und das Abenteuer Transsibirische Eisenbahn begann…

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B vor der Transsib 

2 Gedanken zu „Plötzlich in Russland

  1. Herrlich – wirklich einfach nur herrlich!!! Ihr habt einen so genialen Schreibstil, dass ich hier vor lachen fast vom Stuhl falle!!! Ich glaube, ich wäre schon beim ersten Problem mit der Dame im Hotel ausgeflippt… 😉 Viel Spaß weiterhin!

    • *g* Schön, dass wir für Unterhaltung sorgen können, hihi.
      Danke fürs Mitlesen und ganz liebe Grüße an dich und die Mädels, ich hoffe sehr, dass es es euch allen gut geht!!!
      Kathrin

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