Vietnam – von Kreuzfahrten, Bergwanderungen und Straßenverkehr

06. November 2016, im Bus von Sapa nach Hanoi

Hui, Vietnam hat uns die ersten Tage ganz schön die Sprache verschlagen. Das Tempo dieses Landes ist einfach atemberaubend. Wenn wir dachten, China wäre voll und hektisch, war das noch nichts gegen Vietnam. China kommt uns im Rückblick sehr geordnet dagegen vor.

Eine Woche sind wir nun schon hier und haben die ersten Tage in Hanoi buchstäblich damit verbracht, einfachste Dinge zu lernen. Vor allem wie man die Straße überquert.

Wie die Hostels sind, was es hier zu essen gibt, ob die Leute Englisch können oder nicht – alles zweitrangig. Erzähl ich euch nachher. Wirklich interessant ist, wie man den Straßenverkehr überlebt.

Ja, in China fuhren überall viele Mopeds. Und sie hielten auch nicht immer an den roten Ampeln. Und es wurde viel gehupt. Und ja, wir hatten schon gelesen und gehört, dass der Verkehr in Vietnam chaotisch und, sagen wir mal, herausfordernd sei. Aber nichts, wirklich gar nichts, konnte uns auf die Realität hier vorbereiten.

Mopeds, Autos, Busse, Fahrräder, Fußgänger, LKWs, Tuk-Tuks, Menschen mit Schubkarren und fahrende Straßenhändler drängen sich dicht an dicht auf den Straßen. Es gilt das Recht des Stärkeren. Straßenmarkierungen werden komplett ignoriert. Überholt wird unter lautem Hupen links und rechts. Tut sich irgendwo irgendeine Lücke auf, und sei sie auch noch so klein, wird sie sofort von irgendeinem Verkehrsteilnehmer gefüllt.

Und jetzt kommt der spannende Teil: Wie kommen wir hier über die Straße? Wer auf eine Lücke wartet, steht am nächsten Tag noch da… Die Antwort klingt wie das reinste Himmelfahrtskommando: Einfach langsam loslaufen und nicht stehen bleiben. Was in Deutschland unvorstellbar wäre, ist hier das einzige was funktioniert. Wenn man einfach langsam und beständig läuft, fließt der Verkehr auf wundersame Weise um einen herum. Man kann es sich eigentlich nicht vorstellen, wenn man es nicht erlebt hat. Wenn wir die Einheimischen beobachten, sehen wir sie seelenruhig mitten durch mehrspurige Kreisverkehre bummeln als wäre es eine Wiese im Park. Ausländer hingegen sehen wir manchmal hektisch laufen oder plötzlich stehen bleiben – da sind Zusammenstöße fast vorprogrammiert. Die Vietnamesen rechnen nämlich mit vielem, aber nicht damit, dass man plötzlich abrupt stehen bleibt oder losrennt. Daher nehmen wir uns am Straßenrand immer einen kurzen Moment zur Sammlung, atmen durch, schließen innerlich ein bisschen mit dem Leben ab und dann geht’s los. Einen Fuß vor den anderen setzen, dem Fluchtdrang widerstehen, keinen direkten Blickkontakt mit den anderen Verkehrsteilnehmern aufnehmen und nur aus den Augenwinkeln den Verkehrsfluss beobachten – bei Bedarf etwas schneller oder langsamer gehen, aber immer schön gleichmäßig, und niemals stehen bleiben bis man die rettende andere Straßenseite erreicht. Ich finde, dass wir mittlerweile schon ziemlich abgebrüht gut geworden sind. Ich habe jetzt jedenfalls schon nicht mehr so viele Hemmungen wie am Anfang, denn es funktioniert ja. Man muss nur ein bisschen Vertrauen haben. (Mir ist klar, wie das aus deutscher Sicht klingen muss, aber glaubt mir, wir tun nichts leichtsinniges und passen wirklich gut auf! Versprochen!!! Wir wollen schließlich auch heil wiederkommen!)

Hier ein kleiner Einblick:

Davon abgesehen (oder vielleicht genau deswegen) waren die ersten Tage in Hanoi ein bisschen gewöhnungsbedürftig – angefangen von unserem Hostel, das sehr seltsame Metall-Doppelstockbetten hat, mit einer Art Metallplatte anstelle eines Lattenrostes, die sich bei jeder Drehung geräuschvoll ein- und wieder ausdellt, über die Verkäufer auf der Straße, die uns hemmungslos Dinge zum zehnfachen Preis anzudrehen versuchen bis hin zum etwas eintönigen Essen, das uns bisher noch nicht allzu sehr vom Hocker reißt.

Am ersten Tag nach unserer Ankunft machten wir uns auf die Suche nach einem internationalen Geldautomaten. Dabei verliefen wir uns erst einmal gründlich und kamen statt am Hoan Kiem-See am Bahnhof heraus… Zumindest gab es dort einen ATM, der unsere Karte akzeptierte, und so waren wir erstmal wieder liquide. Nach einem längeren Spaziergang (und vielen Gelegenheiten, das Überqueren der Straße zu üben) fanden wir uns an der Oper wieder. An einem kleinen Kiosk wollten wir einen Stadtplan kaufen. Der Verkäufer bot ihn uns für umgerechnet 4 € an. Wir fragten nach Rabatt, und er ging auf 2 € herunter. Das fanden wir aber immer noch unangemessen, also gingen wir. Kurz darauf sahen wir dieselbe Karte in einem Buchgeschäft für umgerechnet 65 Cent…

Neben dem Buchgeschäft verkauften zwei Frauen frittiertes Gebäck und luden uns ein, zu kosten. Wir erkundigten uns nach dem Preis für ein Beutelchen mit vielleicht sechs Stück – 150.000 Dong (6€). Viel zu teuer!! Die Damen fragten, was wir bezahlen wollten – wir sagten, 15.000. Sie sagten: ok, 50.000 (klingt ja auf Englisch fast gleich, da kann man sich schonmal aus Versehen verhören…), also gingen wir weg, das war uns nichts. Eine Minute später tauchte plötzlich eine der beiden Frauen hinter uns auf, ein Beutelchen in der Hand (ein paar Teilchen hatte sie herausgenommen) und stimmte den 15.000 Dong zu… Dann haben wir es doch gekauft, es hat auch gut geschmeckt, aber das war schon alles ganz schön ungewohnt und anstrengend. Daher waren wir umso froher als wir nach einem Spaziergang um den See, den wir mittlerweile gefunden hatten, ein Restaurant mit festen Preisen fanden, das außerdem noch über eine englische Speisekarte verfügte – wie übrigens sehr viele hier. Auch mit den Straßenverkäufern konnten wir überall auf Englisch verhandeln, was für eine Erleichterung nach China!

Eine Portion Nudeln später verkrochen wir uns ziemlich erschöpft wieder ins Hostel, das waren genug Erlebnisse für den ersten Tag gewesen.

Am nächsten Tag spazierten wir wieder zum Hoan-Kiem-See (diesmal kannten wir ja den Weg) und besichtigten den kleinen Ngoc Son-Tempel, der auf einer Insel im See liegt und wo die Replik einer riesigen Schildkröte ausgestellt ist, die angeblich im See lebt.

Vermutlich aufgrund des Wochenendes war die gesamte Straße um den See herum für motorisierten Verkehr gesperrt und wir konnten wunderbar die Vietnamesen bei ihren Sonntagsspaziergängen beobachten. Auffällig waren vor allem die vielen Gefährte, mit denen die Leute sich um den See bewegten. Segways ohne Ständer, Go-carts, Inliner, Skateboards in allen Größen… Wir setzten uns auf den Balkon eines Cafés, von wo wir eine prima Aussicht auf das bunte Treiben hatten und außerdem den sehr leckeren vietnamesischen Kaffee genießen konnten.

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So kann man es sich gut gehen lassen – Schokoladensoufflé und Passionsfruchtsaft (mit einem Kännchen Zuckersirup zum Süßen), ein Kaffee und ein Baguette mit Salat…

Was mich gleich zum nächsten Punkt bringt: dem Kaffee. Das, was in Deutschland unter dieser Bezeichnung angeboten wird, hat nicht mal ansatzweise mit dem vietnamesischen Kaffee zu tun. Hier wird selbst der hartnäckigste Kaffeemuffel konvertiert. Der hiesige Kaffee ist dicker und sämiger als deutscher und schmeckt schon schwarz sehr aromatisch. Interessanterweise muss ich davon niesen wie von Alkohol. 😀 Bestellt man einen weißen Kaffee, ist unten in der Tasse noch eine fingerdicke Schicht süßer Kondensmilch, die man dann umrührt, sodass der Kaffee rehbraun, cremig und süß wird; dann schmeckt er fast wie eine sehr dunkle Schokolade – unbeschreiblich lecker und Kathrins neues Lieblingsgetränk. Mir schmeckt er auch, allerdings ist er so stark, dass ich nach einer halben Tasse meistens schon meinen Herzschlag spüre.

Nach unserer Kaffeepause schauten wir uns eine Vorstellung im Wasserpuppentheater an, was ein echtes Highlight war. Die Puppen sind aus lackiertem Holz gefertigt und werden von unten mit einer Stabkonstruktion bewegt. Die Bühne besteht aus einem ca. hüfthohen Wasserbecken, sodass die Wasseroberfläche das Parkett ersetzt und die Puppen aus dem Wasser auftauchen. Die Puppenspieler stehen hinter einem Vorhang im Wasser. Am Rande, auf einer Tribüne, sitzt eine kleine Kapelle mit traditionellen Instrumenten, die das Schauspiel begleitet. Zwei Frauen singen auch Lieder dazu oder „unterhalten“ sich mit den Puppen.

Die Puppen waren wahnsinnig farbenprächtig und vielseitig. Gezeigt wurden Szenen aus der Landwirtschaft – Reisanbau, Fischerei etc., Tänze aber auch Mythen. Neben Menschen gab es auch viele Tiere wie Fische, Enten, Schildkröten und Wasserbüffel, und auch Fabelwesen – Phönixe mit prächtigem Schwanz und sogar feuerspeiende Drachen! Die Szenen waren immer sehr kurz, sodass man ihnen auch ohne Vietnamesisch-Kenntnisse folgen konnte, und die Musik war wunderschön.

Montag unternahmen wir nichts weiter. Der Verkehr und das hektische Treiben auf der Straße schreckten uns ab; außerdem regnete es den ganzen Tag und darüber hinaus hatte ich mir am Vorabend den Magen in einem Restaurant verdorben und hatte eine schlaflose Nacht mit Magenkrämpfen hinter mir. Wir gingen lediglich zum Mittagessen hinaus und aßen belegte Baguette-Brötchen, banh my genannt – ein Relikt aus der französischen Kolonialzeit. Die Baguettes sind wirklich gut hier und preiswert, und mein Magen brauchte mal eine Pause von all der Nudelsuppe.

Dafür unternahmen wir dann von Dienstag bis Mittwoch einen Ausflug in die berühmte Halong-Bucht, bzw. um genau zu sein, in die benachbarte Bai Tu Long-Bucht. Das Buchen von Ausflügen ist in Vietnam wirklich sagenhaft einfach. Wir fragten das Personal an der Hostel-Rezeption, ob sie uns Tipps für die Bucht geben konnten, und eine halbe Stunde später hatten wir eine All-inclusive-Tour mit Transfer, Kreuzfahrt und Übernachtung mit Vollpension gebucht.

Dienstag morgen wurden wir von einem Kleinbus im Hostel abgeholt. Der Bus sammelte noch weitere Touristen ein und dann fuhren wir ca. vier Stunden (mit Pinkelpause an einem riesigen Souvenirshop) zum Pier in Halong, Ausgangspunkt der Kreuzfahrt. Von dort aus ging es mit einem kleinen Zubringer-Holzboot zu unserem Kreuzfahrtschiff, der Lemon Cruise: zwei Decks plus Sonnendeck, Platz für ca. 15 Passagiere. Unsere Gruppe bestand aus 13 Leuten, die fast alle in unserem Alter waren. An Bord wurden die Kabinen zugewiesen – wir bekamen eine Kabine auf dem oberen Deck, die sehr geräumig war, vor allem in Anbetracht der geringen Größe des Schiffes – wir hatten zwei sehr bequeme Betten, ein Fenster, das sogar zu öffnen ging, und ein riesiges Bad mit separater Dusche. Danach gab es Mittagessen: Reis, diverse Gemüse und Fleisch, zum Nachtisch Obst. Es war so viel, dass leider eine Menge übrig blieb, aber es schmeckte sehr gut.

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Während des Essens schipperte unser Boot durch die bizarren Karstfelsen der Bucht. Bai Tu Long und Halong haben die gleiche Landschaft, aber angeblich ist Halong mittlerweile viel zu touristisch und Bai Tu Long noch eher ein Insider-Tip mit weniger Besuchern und saubererem Wasser. Die Sonne schien zwischen Schäfchenwolken hindurch und es war nicht zu warm. Ich kam mir sehr vornehm und nobel vor, so beim leckeren Essen die Landschaft vorbeiziehen zu lassen. 😀

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Am Nachmittag brachte unser Zubringer-Boot uns auf eine kleine Insel mit Strand, wo wir baden, Kayak fahren oder Volleyball spielen konnten. Es war wie ein Privatstrand nur für unsere Gruppe und hatte etwas von Robinson Crusoes Insel. Wir beide entschieden uns fürs Baden; allerdings mussten wir feststellen, dass das Wasser leider nicht so sauber war wie erhofft. Es schwamm viel Plastik darin herum und an der Oberfläche des trüben Nass trieben kleine graue Schaumkrönchen. Daher verbrachten wir den Rest der Zeit dann lieber am Strand, sammelten Muscheln (die wir aber alle daließen…), beobachteten Krebse und unterhielten uns sehr nett mit einer Reisenden aus London, die Medizinkonferenzen organisiert, daher immer sehr viel arbeitet und eigentlich ziemlich unzufrieden damit ist. Sie war sehr fasziniert von unserer Reise und wer weiß, vielleicht schafft sie es ja, ihrem Hamsterrad zu entkommen. Als wir den Strand wieder verließen, kamen gut und gern noch drei weitere Gruppen an. Glück gehabt, dass wir so zeitig dran gewesen waren.

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Anschließen wurden wir alle mit dem Zubringer zu einer Perlenfarm gekarrt, wo wir einem ca. fünfminütigen Vortrag über die Perlenzucht lauschen durften bevor wir dann Zeit zum Shopping hatten… Gekauft hat allerdings niemand etwas.

Zurück auf dem Schiff fuhren wir noch eine Stunde bis es dunkel wurde und ankerten dann in einer kleinen Bucht – zusammen mit den anderen acht Kreuzfahrtschiffen, die ebenfalls unterwegs waren. Sie haben die Auflage, dass sie alle nur in dieser einen Bucht ankern dürfen, vermutlich aus Umweltschutzgründen (die Gegend ist ja immerhin auch Unesco-Weltnaturerbe…) und eigentlich sah es ja auch ganz hübsch aus, wie überall die Lichter funkelten. Ein anderer Reisender, der zuvor in der touristischen Halong-Bucht gewesen war, erzählte, dort hätten nachts an die 50 Schiffe in Sichtweite geankert…und dort sind die Schiffe ja teilweise auch richtige Kreuzer. Bei uns waren keine größer als drei Decks.

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Zum Abendbrot gab es wieder Unmengen an Essen, vor allem viel Fleisch und Meeresfrüchte, aber der vegetarische Anteil war zum Glück nicht allzu klein. Leider blieb wieder sehr viel übrig, was vermutlich einfach über Bord geht… Danach unterhielten wir uns eine Weile sehr gut mit einem französisch-österreichischen Paar, das in Berlin lebt, und mit einem Belgier. Mit der Österreicherin, Alexandra, verzog ich mich dann aufs Sonnendeck, um die Sterne zu beobachten, während Kathrin schon in die Kabine ging – beides weise Entscheidungen, denn kurz darauf warf die Crew die Karaoke-Maschine an und es war mit der Ruhe vorbei. Dank Ohrstöpseln konnten wir trotzdem gut schlafen und hatten am nächsten Morgen auch keine Rechnung in dreistelliger Euro-Höhe wie einige andere der Passagiere, was wohl auch der Sinn des Karaoke gewesen war.

Schon vor dem Frühstück fuhren wir weiter, bei strahlendem Sonnenschein, und besuchten am Vormittag eine Höhle auf einer Insel, die aber weder besonders groß noch sonstwie eindrucksvoll gewesen wäre. Anschließend konnten wir uns auf dem Schiff im Zubereiten von Frühlingsrollen versuchen, die dann zusammen mit sehr vielen anderen Leckereien zum Mittag serviert wurden. Danach ging es wieder zurück zum Pier, wo wir noch ca. eine halbe Stunde auf den Minibus zurück nach Hanoi warteten. Alles in allem war es ein sehr schöner Ausflug, aber nichts, was wir uns jeder Woche leisten können.

Wir übernachteten in unseren mittlerweile schon gewohnten Blechbetten in Hanoi und fuhren gleich am nächsten Morgen (Donnerstag) mit dem Bus nach Sapa im Norden des Landes. Wie schon der Bus in die Bai Tu Long-Bucht war auch dieser alles andere als pünktlich. Es ist zwar ein toller Service, vom Hostel abgeholt zu werden, aber bei dem Verkehr in Hanoi dauert es natürlich, bis alle Gäste an Bord sind, und so kam der Bus bei uns schon mit einer Stunde Verspätung an. Naja, so ist das in Vietnam. Wir haben ja Zeit. Zum Glück fuhren wir nicht mit dem Minibus nach Sapa – der war nämlich schon so voll, dass ich stehen musste – sondern stiegen nach einer halben Stunde in einen großen Reisebus um. Dort erwartete uns allerdings eine Überraschung: wir hatten einen Sleeperbus, einen Schlafbus, erwischt. Die Sitze dort lassen sich fast waagerecht zurückstellen, sodass man fast ausgestreckt liegen kann. Dafür sitzt man mit ausgestreckten Beinen quasi auf dem Boden (wenn man Glück hat; es gibt nämlich auch noch eine zweite Etage, deren Sitze nur über eine kleine Leiter zu erreichen sind). Jeder Sitz ist mit einer Vliesdecke ausgestattet, dafür ohne Platz, um irgendwo Gepäck zu verstauen. Die Kraxen packten wir in den Gepäckraum unten im Bus, aber das Handgepäck mussten wir irgendwie zwischen die Beine klemmen. Nun ja, am Ende war es doch ganz komfortabel, auch wenn mein Sitz nicht hochzustellen ging, sodass ich die ganze Zeit liegen oder ohne Lehne sitzen musste, aber es ging schon. Eigentlich sind diese Busse für Nachtfahrten gedacht.

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Die Fahrt nach Sapa dauerte etwa sechs Stunden, wovon wir die letzte halbe Stunde auf einer kurvigen Serpentinenstraße steil in einem riesigen Tal hinauf fuhren, an dessen Ende die kleine Stadt Sapa liegt. Dort lebt man vom Tourismus; der Ort erinnerte uns an ein Ski-Resort in den Alpen, vollgepackt mit Hotels, Restaurants, Massageshops und Outdoor-Läden.

Schon auf dem Weg zum Hostel sprachen uns ständig farbenfroh gekleidete Frauen der diversen ethnischen Minderheiten an, die in dieser Region leben, und versuchten uns Taschen, Armbänder und Tücher zu verkaufen oder sich uns als Wanderführerinnen anzubieten. Wir wimmelten erst einmal alle freundlich ab, indem wir sagten, wir hätten schon eine Tour gebucht.

Unser Hostel lag, wie so ziemlich jedes Gebäude in Sapa, am Hang, sodass wir von der Dachterrasse und sogar von unserem Schlafsaal aus eine grandiose Sicht über das grüne, von Reisterrassen gesäumte Tal und hinauf zum Fansipan, dem mit reichlich 3100m höchsten Gipfel Vietnams hatten. Eigentlich. In der Realität konnten wir im Nebel gerade so die andere Straßenseite erkennen…

Am Nachmittag machten wir uns im Ort auf die Suche nach einer geführten Wandertour. Wir hatten im Internet einen Anbieter gefunden, der direkt von Frauen der ethnischen Minderheiten geführt wurde, für die die Wanderleitung und der Verkauf selbstgenähter Produkte oft die einzige Einnahmequelle ist. Der Empfang der Sapa Sisters lag in einem Hotel auf unserer Straße, und die freundliche Dame erklärte uns sofort, wie die Touren ablaufen, wo wir übernachten würden, was es kostet usw. Noch während wir überlegten, telefonierte sie und sagte uns dann, dass alle Guides für den nächsten Tag schon ausgebucht wären. Wir könnten aber eine Gruppentour über das Hotel, in dem wir uns gerade befanden, buchen, die auch nur die Hälfte kostete. Dafür entschlossen wir uns dann auch, denn eigentlich hatten wir sowieso lieber in einer Gruppe gehen wollen, da das meistens sehr unterhaltsam ist, und außerdem sagte sie uns, dass die Gruppentour auch nicht ganz so anspruchsvoll wäre wie eine individuelle. Wir hatten zwar etwas Bauchschmerzen, ob das Geld hier wirklich bei der Wanderleiterin ankommen würde – hatten wir doch immer wieder gelesen, dass bei den Hoteltouren oft nur ein Bruchteil der Einnahmen an die Guides ausgezahlt würde – andererseits hofften wir, dass die Dame uns die Tour nicht empfehlen würde, wenn es totale Abzocke wäre, wo sie doch selbst in einem Unternehmen arbeitet, das genau diese Ausbeutung der Minderheiten abzuschaffen versucht.

Wir packten abends unsere kleinen Rucksäcke mit Wechselkleidung, Wasser und ein paar Hygieneprodukten und arrangierten mit dem Hostel, dass wir unsere Kraxen während der zweitägigen Wanderung dort aufbewahren könnten. In der Zwischenzeit war das Wetter aufgeklart; in der Dunkelheit konnten wir die Lichter der Seilbahnstation auf dem Fansipan sehen und hatten zarte Hoffnung, dass wir vielleicht endlich einmal eine Sehenswürdigkeit bei richtig schönem Wetter erleben könnten…

Morgens halb zehn in Vietnam… nein, aßen wir kein Knoppers, sondern trafen uns mit der Gruppe und unserem Guide am Hotel. Die Berggipfel lagen zwar im Nebel, aber immerhin konnte man auf einer Höhe bis zur gegenüberliegenden Talseite blicken. Die Gruppe bestand aus neun Leuten aus verschiedensten europäischen Ländern (Deutschland, Frankreich, Belgien, Portugal, Großbritannien und Finnland), von denen sieben ungefähr in unserem Alter waren; der achte war ein alleinreisender Herr von stolzen 76 Jahren.

Bao, unser Guide

Bao, unser Guide, mit Libelle (die sie hinterher wieder freigelassen hat)

Unser Guide Bao war eine junge Frau vom Volk der Schwarzen H’mong. In der Bergregion um Sapa leben ca. 50.000 Menschen, die verschiedenen ethnischen Minderheiten angehören. Die größte Gruppe bilden dabei die H’mong, gefolgt von den Roten Dao, den Giay und einigen weiteren. Die Angehörigen der Minderheiten leben in Dörfern an den Berghängen von Landwirtschaft. Die Vietnamesen verwehren ihnen den Zugang zu Arbeit in Sapa – alle Hotels, Restaurants und Geschäfte sind fest in vietnamesischer Hand. Wir fragten Bao, warum die Minderheiten nicht ihre eigenen Hotels eröffnen, und sie antwortete, dass sie nicht viel Land besitzen – wenn sie Hotels darauf bauen, haben sie nicht mehr genug Boden, um Nahrungsmittel anzubauen. Das leuchtete uns irgendwie auch ein.

Viele Frauen verdienen sich etwas Geld, indem sie stundenlang den wandernden Touristen folgen, ihnen über schwierige Wegpassagen hinweg helfen und sich mit ihnen unterhalten – viele von ihnen sprechen beeindruckend gutes Englisch, obwohl sie meist nur neun Jahre zur Schule gegangen sind – in der Hoffnung, am Ende des Tages ein paar Handarbeitsprodukte an sie verkaufen zu können.

Unsere Begleiterinnen

Einige unserer Begleiterinnen vom Volk der H’mong

Ich lief die meiste Zeit mit einem 17-jährigen H’mong-Mädchen namens Zuu, die mir ein paar Worte ihrer Sprache beibrachte (da lacht das Linguistenherz) und war für ihre stützende Hand auch sehr dankbar, denn die Pfade zwischen den Reisterrassen sind unsagbar schlammig und steil. Es dauerte nicht lange, bis der erste sich unfreiwillig in den Matsch setzte (wir schafften es wie durch ein Wunder aufrecht durch die zwei Tage) und schon nach einer Stunde, als Sapa noch gut in Sichtweite war, hatten wir alle unfassbar schlammige Schuhe und Hosenbeine. Man muss dazu sagen, dass die einheimischen Frauen, die uns auf diesen Wegen noch festhielten, teilweise nur barfuß in Gummischlappen liefen und selbst am Ende der Wanderung noch saubere Füße hatten…

Sapa

Sapa

Die Landschaft war einfach nur grandios. Links und rechts an den steilen Talwänden zogen sich die Reisterrassen hunderte Meter die Hänge hinauf. Zwar sind sie jetzt im November bereits abgeerntet, doch in einigen stand noch Wasser, während andere trocken waren. Darin grasten Wasserbüffel, schwammen Enten mit ihrer Kükenschar, wühlten schwarzbehaarte Schweine im Schlamm und krähten Hähne. Zwischen den Feldern lagen einfache kleine Holzhütten; hier und da spendete ein Bambuswäldchen Schatten und unten im Tal rauschte ein kühler Gebirgsfluss. Es war unglaublich friedlich und idyllisch.

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Gegen Mittag erreichten wir ein größeres Dorf namens Lao Chai, wo wir in einer unglaublich touristischen Massenabfertigung Mittag aßen. Wir waren nur eine von vielen Gruppen, und auch alle Individualtouristen, die sich einen einheimischen Guide in Sapa genommen hatten, liefen hier entlang. Hier verabschiedeten sich auch die meisten Frauen, die uns gefolgt waren, und da uns von Anfang an klar gewesen war, dass wir um das Shopping sowieso nicht herumkommen, war jetzt nur die Frage, was wir kaufen und für wieviel. Am Ende kaufte ich nach einigem Verhandeln einen zugegebenermaßen wirklich sehr schönen Kissenbezug von Zuu; Kathrin kaufte eine Tasche und die obligatorischen Freundschaftsarmbänder gab’s noch gratis dazu.

Unser Guide zeigte uns in einer Hütte, wie die H’mong ihre Kleider aus Hanffasern herstellen und färben; der Hanf blühte fröhlich im Vorgarten und man konnte ihn sogar getrocknet und abgepackt kaufen…

Nach drei weiteren Kilometern erreichten wir das Dorf Tavan, wo es zum Glück ruhiger zuging, denn hier sollten wir die Nacht in einem Homestay verbringen. Wer dabei an idyllische Übernachtung in der einfachen Hütte einer einheimischen Familie denkt, liegt leider falsch. Die Homestays sind lizensierte Pensionen, die zwar sehr viel einfacher sind als Hostels, aber trotzdem auch wieder von Vietnamesen betrieben werden – die Minderheiten arbeiten nur als Küchenpersonal.

Es war trotzdem ein Erlebnis. Das Haus war recht groß und bestand aus einem großen offenen Raum im Erdgeschoss, um den herum im ersten Stock noch eine zweite, in der Mitte offene Ebene lag. Dort lagen auf dem Dielenfußboden lauter Matratzen, auf denen wir alle nebeneinander schliefen. Es gab Kissen, eine dicke Decke und über jeder Matratze ein Moskitonetz.

Da wir schon nachmittags um drei angekommen waren, hatten wir den Rest des Tages Freizeit. Ich gönnte mir eine sehr notwendige Dusche – ja, sowas gibt es hier (sogar Wlan…) – und wir unterhielten uns sehr gut mit den anderen Gruppenmitgliedern. Der ältere Herr, der genauso schnell gewandert war, wie der Rest der Gruppe, hatte einst Sprachwissenschaften in Cambridge studiert und arbeitet noch heute als Englisch-Finnisch-Übersetzer, da er ursprünglich Ire ist, aber schon lange in Finnland lebt. Jack aus London hat mal ein Jahr in Tokyo gelebt und wir unterhielten uns eine Weile auf Japanisch. Eine spanische Familie aus Fuerteventura übernachtete im selben Homestay. Die Eltern haben ihre Arbeit gekündigt um die Welt zu bereisen; die beiden Kinder (ca. neun und zehn Jahre alt) sind so begeistert, dass die Eltern ihnen bei Bedarf nur drohen müssen, zurück nach Hause zu fahren, und schon ist wieder Ruhe. Der Vater erzählte uns, dass die Kinder unterwegs viel mehr lernten als in der Schule, weil sie alles direkt anwenden könnten. Sie waren schon fünf Monate in Asien unterwegs, und alle vier wirkten unglaublich glücklich und zufrieden.

Zum Abendbrot gab es Reis und diverses Gemüse, Fleisch und gebratene Frühlingsrollen, und danach holten die Gastgeber das „Happy Water“ raus, eine Art Schnaps der aus gott-weiß-was gemacht ist, in Mineralwasserflaschen serviert wird und von dem wir gratis bekamen, soviel wir wollten. Wir verbrachten einen unglaublich lustigen Abend mit der Gruppe; soviel Spaß hatten wir schon lange nicht mehr gehabt. Der Portugiese und der Belgier legten ein Slapstick-Programm auf als würden sie dafür bezahlt, und dann schlug Jack auch noch vor, Werwolf zu spielen (googelt mal wie das geht; die Erklärung würde hier den Rahmen sprengen). Am Ende des Abends hatten wir nicht nur Muskelkater in den Beinen vom Laufen, sondern auch im Bauch und Gesicht vom Lachen.

Im Endeffekt war der Tag für die meisten von uns aber spätestens um zehn zu Ende. Wir waren total platt von der Wanderung, obwohl es nur 15 km waren, und außerdem hatte es sich nach Sonnenuntergang empfindlich abgekühlt.

Wir schliefen überraschend gut. Kathrin hatte ein Bett ergattert, und auch die Matratzen auf dem Fußboden waren viel weicher als man es erwartet hätte. Die Decken waren mollig warm. Als einzige Geräusche hörte man das Bellen der Hunde und das Krähen der Hähne, aber für so etwas gibt es ja Ohrstöpsel.

Der nächste Morgen grüßte uns mit strahlendem Sonnenschein und wir frühstückten alle gemeinsam draußen im Hof an einem langen Tisch. Wir beginnen auch zu ahnen, was es mit dem Banana Pancake Trail auf sich hat, der inoffiziellen Bezeichnung für die Länder Südostasiens, in denen es von Backpackern nur so wimmelt. Ich dachte zuerst, der Name rührt daher, dass diese Länder so einfach zu bereisen sind, und vielleicht ist das auch Teil der Wahrheit. Im Großen und Ganzen ist es aber viel offensichtlicher: jedes Hostel, in dem wir bisher übernachtet haben, serviert Banana Pancakes (Crêpes mit Bananen und Honig) zum Frühstück. Manchmal gibt es auch noch French Toast oder Müsli zur Auswahl, und in einigen Hostels auch Nudelsuppe, aber die Banana Pancakes haben sie alle gemeinsam. Selbst unser Homestay war keine Ausnahme, aber ich beschwere mich (noch) nicht.

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Ausblick von unserem Homestay am nächsten Morgen

Ausblick von unserem Homestay am nächsten Morgen

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Die beste Wandergruppe der Welt

Die beste Wandergruppe der Welt

Am zweiten Tag liefen wir noch einmal 8 km durch Reisterrassen und kleine Siedlungen, einen Bambuswald und zu einem Wasserfall. Unten im Tal an der Straße angekommen gab es wieder Mittagessen in einer Touri-Kantine (Cupnoodles…) und ich spielte Modell für einen Kanadier, der seiner Schwester einen einheimischen Mantel kaufen wollte und jemanden mit ähnlicher Statur zum Anprobieren brauchte – die Frauen der Minderheiten sind ja alle sehr klein und zart. Kathrin machte ein paar Schnappschüsse, so eine Gelegenheit kommt ja nicht noch einmal.

Mit einem Kleinbus fuhren wir dann zurück nach Sapa und verabschiedeten uns, nicht ohne vorher E-Mail-Adressen mit allen ausgetauscht zu haben.

Leider war unser Hostel schon ausgebucht, weshalb wir uns für die nächste Nacht noch ein anderes hatten suchen müssen. Der Weg mit Kraxe durch den bergigen Ort gab unseren Oberschenkelmuskeln dann noch den Rest und so verbrachten wir den Abend im neuen Hostel, wiederum auf einer schönen Dachterrasse, doch der Fansipan hatte sich dem Sonnenschein zum Trotz schon wieder hinter eine Dunstschicht verzogen.

Sonntag haben wir dann noch einen verhältnismäßig kurzen Spaziergang (zwei Stunden) auf den Hausberg von Sapa unternommen, wo es einen Park und einen Aussichtspunkt gab, von dem aus man immerhin den Ort sah – sowohl das Tal als auch die Berggipfel waren schon wieder in dichten Nebel gehüllt. Wir hatten für unsere Trekkingtour schier unglaubliches Glück mit dem Wetter gehabt. Endlich einmal!

Nun fahren wir zurück nach Hanoi, wo wir die Nacht in unseren mittlerweile schon sehr vertrauten Metallbetten verbringen und dann morgen schauen werden, ob wir direkt weiter nach Hue in Zentralvietnam fahren können…

7 Gedanken zu „Vietnam – von Kreuzfahrten, Bergwanderungen und Straßenverkehr

  1. Look great on your face ,the traffic till Australian will getting better probably , but after cross south East Asia and (India) if possible, you two will be super girls

  2. Der Verkehr klingt ja seeehr abenteuerlich! Ich werde nie wieder über den Straßenverkehr in Dresden zur Rush-Hour meckern!
    Hab gerade mal gegoogelt – eure nächstes Reiseziel (Hue) sieht nach einer ziemlich langen Fahrt aus…
    Viel Spaß euch Beiden weiterhin und wieder ein großes Dankeschön für den interessanten Bericht :))))

    • Ja, das war schon ein ganz schöner Schock…
      Stimmt, es sind um die 700km nach Hue, etwa 13 Stunden Sleeperbus… Gleich werden wir abgeholt.
      Ganz liebe Grüße an alle!! 🙂

  3. Jetzt gab es sogar eine Kreuzfahrt. Ihr macht echt tolle Sachen.
    Und der Straßenverkehr, …. das Video sagt alles. Ist schon echt der Hammer. Aber auch das werdet ihr schaffen. 😉

    Viel Spaß weiterhin 🙂

    Lg euer I

    • Danke! Dabei war die Kreuzung in dem Video noch harmlos. 😉 Aber mittlerweile sind wir schon ziemliche Profis (und offensichtlich noch nicht überfahren worden).

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