19. Oktober 2016, Zug nach Zhangjiajie
Zugegeben, Chengdu lag nicht gerade auf unserer vorab avisierten Reiseroute. Eigentlich war es sogar ein riesengroßer Umweg, und bis vor zwei Wochen wussten wir nicht einmal, dass wir hier überhaupt hinwollten. Aber alle Backpacker, mit denen wir uns unterhielten, munkelten davon, und auch wenn wir nicht einfach das machen, was alle machen, gab es ein unschlagbares Argument, unsere Pläne zu ändern.
Pandas.
Genau genommen, Pandababies.
In Chengdu liegt die weltgrößte Pandazuchtstation, und der Herbst ist die beste Jahreszeit für einen Besuch, da sie dann Nachwuchs haben.
23 Pandababies.
Dafür sind wir nachts zwölf Stunden im Nicht-Liegewagen gefahren.
Davon abgesehen gibt es in Chengdu eigentlich nichts zu sehen; ein paar hübsche Tempel vielleicht, und eine riesige Buddhastatue, die mit einem Tagesausflug zu machen gewesen wäre, aber wir wollten in Chengdu vor allem mal ausspannen, denn die Stadt ist – neben den Pandas – in erster Linie bekannt für ihre entspannten, freundlichen Bewohner, die wissen, wie man es sich gut gehen lässt. Der liebste Zeitvertreib der lokalen Bevölkerung besteht in Teetrinken und Mahjong spielen; darüber hinaus essen sie gern und viel – Chengdu ist die Hauptstadt der Provinz Sichuan, aus der der berühmte Pfeffer stammt.
Unser Hostel (dank Kathrin wieder auf Anhieb gefunden und dank Birgit mutig in den richtigen, unbeschrifteten Eingang gelaufen) war eigentlich nur ein Apartment im fünften Stock eines Apartmentblocks mitten in der Stadt. Es gab drei kleine Schlafsäle und der Gemeinschaftsraum war eher ein Wohnzimmer. Unseren Schlafsaal teilte noch eine Engländerin, die aber am nächsten Tag abreiste und so hatten wir das Zimmer den Rest der Zeit für uns. Erst vor zwei Monaten eröffnet war alles noch niegelnagelneu. Die zwei jungen Eigentümer fragten uns, ob wir dünne oder dicke Bettdecken wollten, und als wir uns für dicke entschieden, wurden diese erst einmal aus ihrer Verpackung befreit, in der sie noch im Ikea-Beutel gestanden hatten. Es war alles sehr familiär; die Eigentümer versorgten uns mit Tee und Keksen, und zwei der chinesischen Gäste gingen abends mit uns essen. Es gab auch eine Waschmaschine, welch Glück, die wir gleich erstmal nutzten. Ich habe mich lange nicht mehr so über frisch gewaschene Wäsche gefreut!
Freitag Morgen ging es auch direkt zu den Pandas. Eigentlich könnten wir dazu einen separaten Eintrag nur mit Bildern verfassen…
Asiatische Zoos sind ja meistens eine Katastrophe mit engen Käfigen, fehlender Beschäftigung und einsamen Tieren, aber der Pandapark ist selbst für deutsche Verhältnisse wirklich schön und artgerecht. Die Pandas, sowohl die schwarz-weißen Riesenpandas als auch die Roten Pandas mit den buschigen Schwänzen, haben große Freigehege mit vielen Bäumen und Verstecken, und der gesamte Park ist wunderschön angelegt. Er ist sehr weitläufig, es gibt auch kleine Tümpel und einen See, und man konnte sich sogar mit einem Elektromobil von Gehege zu Gehege fahren lassen. Wir waren schon gegen acht Uhr morgens da, weil wir gelesen hatten, dass die Pandas vormittags am aktivsten sind, wenn sie gefüttert werden.
Aktiv scheint bei den meisten Pandas zu bedeuten, in uneleganter Pose in einem riesigen Haufen Bambushäcksel zu fläzen, zu grabschen, was in Reichweite liegt, und die ausgespuckten Schalen dann auf ihrem Bauch anzuhäufen. Danach wird sich erstmal ausgiebig gekratzt, besonders die Sitzpartie darf dabei nicht zu kurz kommen. 😉 Es gab aber auch ein paar ganz sportliche, die tatsächlich – man soll es nicht für möglich halten – auf Bäume klettern; ja, Pandas können wirklich klettern. Wir glaubten es zuerst nicht so richtig und vermuteten, dass die, die wir in den Bäumen sitzen sahen, morgens mit dem Kran dort abgeladen worden waren, aber dann beobachteten wir tatsächlich mehrere, wie sie aus ihrem Baum wieder herunter kletterten. Es war das Tollpatschigste, was man sich vorstellen kann und dauerte ewig, aber es ging. Wir erfuhren auch, dass Pandas nicht faul, sondern energieeffizient sind. Weil Bambus so geringen Nährwert hat, müssen sie sehr viel davon fressen und verbrauchen dann auch sehr viel Energie für die Verdauung, weshalb sie die meiste Zeit des Tages schlafen. Energieeffizient nennt man das. Nicht faul. 😉
An den Gehegen mit den Babies herrschte natürlich der größte Andrang. Ein paar Pfleger in blauer Schutzkleidung (vermutlich, um die empfindlichen Babies vor Keimen zu schützen) waren bei ihnen und fotografierten ihre unbeholfenen Fortbewegungsversuche, wobei die meisten gar keine Versuche unternahmen sondern einfach nur dalagen wie hingeklatscht, man kann es einfach nicht anders sagen. Sie sind so niedlich. Soooo niedlich. Aber nun genug der Worte, seht selbst:
Im Endeffekt waren wir sechs Stunden im Park. 🙂
Danach fuhren wir zum Bahnhof, um mal wieder Fahrkarten für die Weiterfahrt zu kaufen. Wir hatten am Vorabend lange recherchiert, wie wir von hier aus nach Zhanghjiajie kommen würden, denn es gab keine Direktverbindung, und die Buchungswebsite konnte keine Umstiegsverbindungen anzeigen. Nach langer Recherche fanden wir eine Streckennetzkarte und mussten dann selbst planen, wo wir am besten umsteigen. Wir hatten uns zwei Verbindungen herausgesucht, und stellten uns mit unserem Zettel und unseren Pässen an einem der zahlreichen Ticketschalter an, wo wieder überall lange Schlangen warteten.
Wir hatten es fast zum Schalter geschafft, als sich eine Gruppe alter Leute vordrängelte und irgendeinen Sonderwunsch hatte. Jedenfalls verschwand die Schalterdame und kam ewig nicht wieder. So lange, dass die Leute vor uns in der Schlange schon aufgaben und sich woanders anstellten, aber wir blieben, wo wir waren, denn uns war klar, dass sie nach Murphys Gesetz genau dann wiederkommen würde, wenn wir weggehen, und die anderen Schlangen waren ja auch alle so lang. Schließlich kam sie auch wieder, und wir kamen sogar dran, aber die alten Leute waren immer noch da und diskutierten lautstark mit ihr, während sie unsere Verbindung heraussuchte und uns am Ende mitteilte, dass die Liegewagen schon wieder ausgebucht wären…
Wir suchten noch einmal die andere Verbindung heraus (wozu wir aber den Schalter verlassen mussten), stellten uns dann noch einmal an einem anderen Schalter an, und bekamen schließlich, anderthalb Stunden später, Tickets dahin, wo wir hinwollten. Wir beschlossen, die weiteren Tickets gegen Gebühr über das Internet zu buchen.
Zurück im Hostel fragten wir die Eigentümer, ob sie uns mit der Internetbuchung helfen könnten, weil sie der Engländerin aus unserem Dorm auch geholfen hatten. Sie waren unglaublich hilfsbereit, aber die Buchungswebsite machte uns einen Strich durch die Rechnung. Unzählige Versuche und weitere anderthalb Stunden später mussten sie resigniert aufgeben, boten uns aber an, uns am nächsten Morgen zu einer Reiseagentur zu begleiten.
Abends besuchten wir Jon und Tasha in ihrem Hostel, aßen mit ihnen und tauschten Reiseeindrücke aus. Mal sehen, wo wir uns als nächstes wieder begegnen; sie fahren ja auch nach Vietnam weiter. Da wir uns erst Mitternacht verabschiedeten, war die letzte U-Bahn schon abgefahren und wir mussten mit dem Taxi zurück. Die Dame an der Hostelrezeption googelte unser Hostel (natürlich ohne Google, das funktioniert hier ja nicht) und schrieb uns freundlicherweise die Adresse auf Chinesisch auf, damit wir sie dem Taxifahrer zeigen konnten. Die 15-minütige Fahrt kostete nur etwa 2,50 €.
Am nächsten Morgen gingen wir mit den Eigentümern zu der Reiseagentur, nur einen Block vom Hostel entfernt, und erhielten auf Anhieb die Fahrkarten, die wir wollten. Damit war zumindest unsere Weiterfahrt bis Guilin gesichert, unserem letzten Aufenthaltsort vor der vietnamesichen Grenze.
Nachmittags gingen wir auf Empfehlung von Jon und Tasha in den Peoples‘ Park, sozusagen den Volkspark von Chengdu. Der Park an sich ist schon sehr hübsch, mit einem See, auf dem man Boot fahren kann, ein paar Brücken, viel Grün und mehreren Teehäusern. Das war aber nicht der Grund für unseren Besuch. Vielmehr hatten die Engländer erzählt, dass man dort wahnsinnig gut Leute beobachten könnte. Und wir sollten nicht enttäuscht werden.
Was soll man sagen, der Volkspark an einem Samstagnachmittag steckte voller Kuriositäten. Die Teehäuser waren voll, und man konnte dort nicht nur Tee trinken, sondern nebenbei auch noch die Dienste eines der zahlreichen Ohrputzer in Anspruch nehmen, der – Stirnlampe auf dem Kopf – die Ohren seiner Kunden mit kleinen Wattebäuschen an langen Metallstäben reinigte. Alte Männer spielten chinesisches Schach, umringt von zahlreichen Zuschauern, die alle ihre guten Ratschläge dazugaben. Andere alte Männer übten sich in Kalligraphie chinesischer Schriftzeichen auf dem Boden, mit riesigen Pinseln, die sie einfach mit Wasser tränkten, sodass die Kunstwerke nach einer Weile wieder verdunsteten. Mehrere Gruppen jüngerer Leute spielten so etwas wie Fuß-Federball, wobei ein riesiger Federball wie ein Fußball von Spieler zu Spieler gekickt wurde. An mehreren Stellen im Park plärrte Musik aus Lautsprechern, zu denen Leute sangen oder tanzten. Man hatte das Gefühl, dass mehrere Ü50-Partys stattfanden; viele Paare tanzten zusammen, andere Leute alleine, teilweise mit sehr viel Hingabe; es gab auch eine Art Zumbakurs im Freien; und damit die Lautstärke nicht überhand nahm, zeigte an jedem dieser Plätze eine elektronische Tafel den aktuellen dezibel-Wert an (alle waren so knapp unter 80….). Absolutes Highlight war aber ein unscheinbarer Weg abseits des Hauptpfades, wo unzählige bedruckte Din A4-Blätter auf dem Boden und den Bänken lagen. Darüber gebeugt standen zahlreiche Menschen mittleren Alters, lasen die Zettel oder diskutierten. Nein, hier lagen keine Knobelaufgaben zur allgemeinen Unterhaltung aus, sondern dies war tatsächlich ein Heiratsmarkt, auf dem Eltern ihre ledigen Kinder (ganz offensichtlich in deren Abwesenheit) anboten.
Sonntag wuschen wir noch einmal Wäsche und schauten uns nachmittags das Wenshu Monastery, ein sehr geschäftiges buddhistisches Kloster nahe unseres Hostels an. Das Gelände lag inmitten eines sehr touristischen, aber trotzdem sehr schönen Einkaufsviertels, und innerhalb der Klostermauern gab es ein großes Teehaus und ein vegetarisches Restaurant, wo wir sehr lecker (mit 13 € für drei Gerichte aber für hiesige Verhältnisse auch ganz schön teuer) aßen. Das ruhige, gediegene Ambiente und das gute Essen waren es aber wert. Abends schauten wir fern mit den Eigentümern und redeten über China und Deutschland, es war sehr gemütlich und erholsam.
Der Reiseführer hatte schon recht, es gibt in Chengdu eigentlich nichts zu tun, aber (oder vielleicht gerade deswegen) verlassen Gäste die Stadt zufrieden und erholt wie keine andere in China.
ohhhhhh sind die süß !!!! …. „schmelz dahin* *auch dahin will*
Mal einfach nichts zu tun zu haben und entspannt sein, hat auch was. Und den Luxus einer Waschmaschine, oh jaa, den kenn ich gut. Nach 3 Wochen auf Reisen (bei euch ist es ja bereits etwas länger) mal Wäsche zu waschen, vorallem wenn man gedacht hat, bereits nach 2 Wochen auf einen Waschsalon zu treffen, ist der pure Luxus.
An dieser Stelle ganz liebe Grüße von allen Mitlesenden aus München und Umgebung sowie aus meinem Dresdner-Hause.
Viel Spaß weiterhin. Und passt weiter gut aufeinander auf (ihr seid ein tolles Team und habt praktischerweise sich gut ergänzende Stärken – Orientierungssinn und Mut auf Menschen und Orte zuzugehen), bleibt gesund und genießt die Zeit.
LG
das I
Der Umweg für die Pandas hat sich sowas von gelohnt!! 🙂
Ha, danke für die Grüße! Grüße zurück. ^_^
Und: ja, machen wir. 😀 Wir sind ein super Team!!
Die Vorstellung, dass die Pandas morgens mit dem Kran auf den Bäumen abgeladen werden könnten, hat mich echt umgehauen. Ich hab mich fast nicht mehr eingekriegt vor Lachen …
Die Bilder sind übrigens echt toll!!
Und hoffentlich gibts noch mehr solcher entspannter Orte auf eurer Reise.
Zugegeben, wir haben keinen hochklettern sehen, also ganz aus der Welt ist die Theorie noch nicht. 😉
Die Bilder sind alle von Kathrin. ^^
Ja, das hoffe ich auch, mit den entspannten Orten…
Ni hao, ihr Weltenbummler!
Wenn ich das so lese, möchte ich auch am liebsten sofort wieder los!!! Lustig Eure Reiseroute deckt sich bisher mit der unseren! Die Pandazuchtstation war für uns auch ein Highlight, einfach göttlich diese Bären! Man möchte sie am liebsten knuddeln und man kann sich gar nicht satt sehen! Für uns steht fest, der einzige „Nutzen“ der Panda’s ist, uns Menschen zu beglücken! 😀
Wir waren auch nur wg. der Pana’s in Chengdu (nach 16h Nachtzufahrt/Liegewagen), am nächsten Tag Flug nach Guilin. ….die Umweltbilanz – grauenhaft, so viele Bäume kann ich gar nicht pflanzen. :-/ Ihr macht das besser mit dem Zug. Eine Flussfahrt in Guilin kann ich nur empfehlen…traumhaft schön, die Karstberge! Gute Reise weiterhin!
Lieben Gruß, Susa
Nihao liebe Susa, das mit der Reiseroute ist ja lustig. Und dabei hatten wir überhaupt nichts geplant. ^^;
Ja, diesen Nutzen der Pandas können wir auch nachvollziehen.
Gestern haben wir eine Flussfahrt in Guilin/auf dem River Li gemacht, die Landschaft ist wirklich traumhaft (auch wenn es schon wieder neblig war…).
Vielen Dank fürs Lesen und „Mitfahren“, und ganz liebe Grüße an Jörg. 🙂
Hallo ihr, ich verfolge mit Spannung eure Geschichten. die panda bilder sind toll. Gut dass ihr euch so gut ergänzt und ich lese mit Begeisterung und Hochachtung zugleich wie ihr euch doch in China von a nach b findet und wie gut man sich mit Händen und Füßen verständigen kann (ich habe vor kurzem von Guillaume gelernt dass es ein rein deutscher Ausdruck ist).
Viel Spaß euch weiterhin und schreibt fleißig weiter!
Lg
Danke für deinen Kommentar, liebe Krissi! Die Pandabilder gehen ganz auf Kathrins Konto. Ja, Hände und Füße sind schon sehr nützlich; lustig, dass man das auf Französisch so nicht sagen kann. Auf Englisch gibt es meines Erachtens auch keinen festen Ausdruck dafür. Manchmal ist Deutsch eben auch praktisch. Inzwischen haben wir es nach Vietnam geschafft, das ist eine Riesenumstellung – jetzt im Rückblick kommt China uns dagegen sehr organisiert vor… Danke fürs Lesen, und liebe Grüße nach Frankreich.