15. September 2017, Beaver/Utah
Auch wenn Hawaii als 50. Bundesstaat Teil der USA ist, empfinden wir die Inseln doch eher als eine eigenständige Region (eine Meinung, der sich viele Hawaiianer anschließen würden), und so ist für mich die Busfahrt nach Seattle unsere eigentliche Einreise in die USA.
Der Grenzübertritt auf dem Landweg war eine sehr unbürokratische Sache; keiner wollte noch einmal unsere zehn Fingerabdrücke nehmen oder irgendwelche Formulare sehen; in drei Minuten war alles erledigt, während der Bus draußen wartete. Der Greyhound-Bus war auch nichts besonderes, zumal er keines seiner Werbeversprechen hielt. Das Internet funktionierte nicht, aus der Steckdose kam kein Strom und die versprochene Beinfreiheit suchten wir vergebens, wobei die größere von uns beiden gerade einmal 1,65m misst, also will das schon etwas heißen. Aber die Ansprüche wachsen eben mit dem Angebot – in Südostasien waren wir schon froh, wenn es überhaupt einen Bus gab und dieser dann auch noch fahrtüchtig war. Man gewöhnt sich so schnell wieder an den Luxus…
Seattle ist die größte Stadt im Nordwesten der USA und wirklich auch die einzig nennenswerte Stadt im Bundesstaat Washington, eine Metropole mit spiegelnden Glaskästen und historischen Wolkenkratzern, schmuddelig-alt und hypermodern, verstreut auf unzählige Hügel zwischen großen Gewässern, eine Stadt, die uns als charmant und angenehm in Erinnerung bleiben wird.
Wir wohnten in allerbester Lage direkt im Zentrum, wo es ein erstaunlich gemütliches Hostel, das Green Tortoise gab, das rustikale Doppelstockbetten, jede Menge Ausflugstipps und am Abend unserer Ankunft sogar ein kostenloses Abendessen bot, damit man mit den anderen Gästen ins Gespräch kommen konnte.
Direkt gegenüber begann die Marktgegend, in deren Zentrum sich der Pike Place Market befand, eine historische Markthalle, in der seit über 100 Jahren lokal erzeugte Lebensmittel verkauft werden. Mittlerweile findet man dort auch jede Menge Kunsthandwerk und Schnickschnack, aber der Charme ist erhalten geblieben und so verbrachten wir einen halben Tag nur damit, durch die Arkaden zu schlendern und die Auslagen der teilweise sehr kuriosen Geschäfte zu bestaunen.
Für den Nachmittag hatten wir uns mit einem alten Bekannten verabredet: Jonathan hatten wir in Siem Reap/Kambodscha kennengelernt und dort zwei Nächte im Hostel durchgequatscht über Gott und die Welt. Dank Facebook (war es tatsächlich mal zu etwas gut) hatten wir gesehen, dass er gerade in Seattle lebt und ein Treffen vereinbart. So nahmen wir nachmittags den Zug in den Stadtteil Beacon Hill, ein ruhiges, etwas alternativ wirkendes Viertel voll bunter, hölzerner Einfamilienhäuschen mit bunten Gärten, wo Jonathan uns vom Bahnhof abholte und zu dem Haus brachte, in dem er gerade lebte. Es war das Haus von Freunden, die verreist waren, und er passte darauf auf. Wir begrüßten den alten Kater im Garten und Jonathan, der Fotograf ist, zeigte uns atemberaubende Bilder, die er während seiner Zeit in Nepal aufgenommen hatte. Dann ernteten wir zwei Schüsseln reife Pflaumen vom Baum als Proviant und fuhren zum nahe gelegenen Lake Washington zum Baden. Zwei Freunde von Jon waren schon da, fast die einzigen Badegäste an dem kleinen Strand, der aus einer Picknickwiese und einem kieseligen Ufer bestand. Es war wunderbar ruhig, das Wasser war klar und hatte genau die richtige Temperatur, die Sonne schien und es war einfach nur herrlich. Anschließend gingen wir noch etwas durch den Wald im Seward Park spazieren, einer Halbinsel, die in den riesigen See hineinragt, und abends nahm Jon uns noch mit zu einer Bekannten, die eine Grillparty in ihrem Garten veranstaltete und nichts gegen zwei zusätzliche Gäste hatte. Sie war Spanischlehrerin an der Universität und hatte ihre Kursteilnehmer eingeladen, mit denen sie demnächst zu einer Sprachreise nach Spanien aufbrechen würde. Wir unterhielten uns sehr nett mit einem Japaner, der ein Freund ihres Sohnes war, und mit einem Herrn, der zur Untermiete in ihrem Haus wohnte. Alle hatten etwas zu essen mitgebracht und es war ein richtig schöner Abend. Wir hatten übrigens Glück, Jonathan in Seattle zu erwischen: zwei Tage später verließ er die Stadt, um seine Familie in Kalifornien zu besuchen, eine Hochzeitsfeier von Freunden in New York zu fotografieren und anschließend zu seinem neuen Job in Christchurch/Neuseeland aufzubrechen, wofür wir ihm noch ein paar Reisetipps geben konnten. Wer weiß, wo wir uns wiedersehen…
Am nächsten Tag besuchten wir ein nepalesisches Restaurant, das Jon uns empfohlen hatte und liefen danach zum Park an der Space Needle, dem Wahrzeichen der Stadt. Im Park gab es alle möglichen Museen, wonach uns aber nicht der Sinn stand, und einen großen Springbrunnen, der Wasserstrahlen aus einer Halbkugel in alle Richtungen schoss, sehr zur Freude dutzender Kinder, die darum herumsprangen und erfolglos versuchten, nicht nass zu werden. Danach gingen wir getrennter Wege; ich spazierte noch an den Piers der Uferpromenade entlang und warf einen Blick in die Stadtbibliothek, in der ein spiralförmiger Gang über vier Etagen an Bücherregalen entlang führte, was eine witzige Idee war.
Danach war es vorbei mit Großstadt und mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir wollten Nationalparks sehen, und getreu dem Motto „Zurück zur Natur – aber ja nicht zu Fuß“ ist der einzig machbare Weg in den USA leider ein Roadtrip mit dem Auto (oder man fährt monatelang Fahrrad wie einige Hartgesottene, die wir immer mal wieder sehen, aber es sei uns verziehen, dass wir das nicht wollten). Wir holten also unseren Mietwagen in Seattle ab, einen Toyota Corolla, und ab ging es nach Nordwesten. Unser erstes Ziel: der Glacier National Park, empfohlen von dem kanadischen Vater mit seiner Tochter, die wir am Lake Louise getroffen hatte. Der Weg dorthin: der Highway 20, nicht die schnellste Strecke, aber von Jonathan empfohlen wegen der schönen Landschaft. Und beide sollten Recht behalten. Aber dazu später.
Jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, sind wir schon reichlich zwei Wochen mit dem Auto unterwegs und haben festgestellt, dass die Dimensionen hier eine andere Größenordnung haben. Nicht nur buchstäblich – die Entfernungen werden in Meilen angegeben, die Höhenmeter in Fuß, die Temperatur in Fahrenheit, die Tankfüllung in Gallonen und die Wassermenge für das Fertigessen, das es jetzt oft zum Abendbrot gibt, in Tassen. Auch generell merkt man, wenn man einmal versucht, von einem Ort zum nächsten zu kommen, wie unfassbar groß die USA sind.
In Europa amüsieren wir uns gern über die geografisch ungebildeten US-Amerikaner, von denen viele nie ihr Land, nicht einmal ihren Bundesstaat je verlassen. Aber dabei vergessen wir, dass im Prinzip jeder Bundesstaat ein eigenes Land ist, auch wenn alle die gleiche Sprache sprechen und mit der gleichen Währung zahlen. Wer kann schon aus der Kalten alle 50 US-Bundesstaaten mit Hauptstädten aufzählen und weiß, welcher wo liegt? Und wenn man in einem Kaff wohnt, das buchstäblich aus zwei Straßen und einer Tankstelle besteht, wo der nächste größere Ort (mit vielleicht 5.000 Einwohnern) schon eine mehrstündige Autofahrt entfernt ist, denkt man dann wirklich darüber nach, auf einen anderen Kontinent zu reisen? Wie viele Europäer haben ihr Land oder ihren Kontinent noch nie verlassen? Jetzt wo wir hier sind und wirklich hautnah erleben, wie unglaublich weit alles ist und wie dünn besiedelt viele Gegenden sind, können wir die Weltfremdheit der hiesigen Bevölkerung auf jeden Fall schon etwas besser nachvollziehen (auch wenn das Bildungssystem hier trotzdem noch nachhelfen könnte).
Während in den vergangenen Tagen der Hurrikan Irma über Florida zog, fragten einige von euch, ob wir davon etwas mitbekämen, und ich sagte, nein, das wäre so als ob es in Griechenland Unwetter gibt, während man sich in Dresden aufhält. Vorhin haben wir mal auf der Karte geguckt und festgestellt, dass der Vergleich immer noch lächerlich weit hinterher hinkt. Gibt GoogleMaps von Athen nach Dresden eine Fahrzeit von reichlich 21 Stunden an, sind es von Miami in Florida nach Beaver in Utah, wo wir uns gerade befinden, 38 Stunden auf der schnellsten Strecke. Bis nach Seattle wären es sogar 48 Stunden reine Fahrzeit. Zum Glück sind wir im Mietvertrag beide als Fahrerinnen eingetragen und können uns daher die Fahrerei teilen, Tagesstrecken von mehreren Hundert Kilometern sind mittlerweile der ganz normale Wahnsinn für uns geworden; dabei wollen wir noch nicht einmal ansatzweise bis nach Florida.
Übernachten können wir überwiegend in Motels, die sich alle irgendwie mehr oder weniger ähneln. Meist sind es einstöckige Gebäude, wo man das Auto direkt vor der Zimmertür parkt, und wir müssen nur noch selten das Bett teilen, da es meist zwei Betten gibt. Das sind dann auch gleich zwei Queensize-Betten, etwa 140 cm breit, mit je zwei bis vier Kopfkissen, kleinere Betten haben wir hier noch nicht gesehen (außer die Doppelstockbetten in den seltenen Hostels). Wenn wir doch einmal nur ein Bett zur Verfügung haben, ist es hin und wieder ein Kingsize-Bett mit einer Breite von 180 cm. Hier ist alles XXL, Vorurteil bestätigt. Nicht so die Menschen, entgegen dem in Deutschland gängigen Vorurteil der fettleibigen US-Bürger; man sieht zwar übergewichtige Personen, aber meiner Meinung nach nicht mehr als in Deutschland. Oder vielleicht haben wir uns da in Europa auch allmählich angeglichen, würde mich nicht wundern.
Die Leute sind größtenteils sehr freundlich und gesprächig; man merkt schon, dass hier viel mehr Small Talk gehalten wird. Jede Kassiererin, jeder Kellner begrüßt einen nicht nur mit ‚Hallo‘, sondern auch immer noch ‚Wie geht’s?‘, worauf man dann antwortet ‚Gut, danke‘ und dann ganz normal seine Bestellung aufgibt oder was auch immer. Manchmal entwickelt sich noch ein Gespräch daraus, woher wir kommen, Tipps was wir uns anschauen sollen, oder wir bekommen die ganze Lebensgeschichte unseres Gegenübers erzählt (und es ist wirklich erstaunlich, was manche Leute zu erzählen haben), und am Ende geht jeder wieder seiner Wege. Ich finde das ziemlich angenehm. Es heißt ja oft, die US-Amerikaner seien so oberflächlich, und so kann man das auch interpretieren, aber diese Art kommt vermutlich davon, dass die Privatsphäre hier viel mehr respektiert wird und man anderen Leuten einfach nicht zu sehr auf die Pelle rücken will (das ist zumindest meine Theorie). Als wir einen Morgen etwas länger im Bett lagen, kam der Reinigungsmann vorbei und schaute ins Fenster, um zu sehen, ob wir schon ausgecheckt hätten. Unsere Blicke trafen sich, er ging hastig weiter und rief kurze Zeit später auf unserem Zimmertelefon an, um sich zu entschuldigen.
Ein anderes Stereotyp ist natürlich das Essen. Wir sind jetzt mit unserem knapp kalkulierten Budget nicht in der besten Verfassung, eine objektive Einschätzung dazu abzugeben – wenn man in Deutschland mit kleinem Geldbeutel essen geht, darf man auch keine Vollwertkost erwarten. Aber was wir hier so sehen, scheint das Vorurteil schon zu bestätigen. Wir frühstücken normalerweise im Motel – entweder unsere mitgebrachten Bagel mit Nutella (beides Lebensmitel, die sich gut ohne Kühlung halten, wir haben ja im Auto keinen Kühlschrank) – oder manchmal wird Frühstück angeboten. Letzteres besteht dann zumeist aus Toast mit Konfitüre oder Erdnussbutter, manchmal Muffins oder anderes kleines Süßgebäck, und Cornflakes mit Milch. Wenn man Glück hat, gibt es etwas Obst, Pancakes oder Waffeln mit Sirup. Tee sucht man meist vergebens, und zum Kaffee gibt es eigentlich immer nur Kaffeeweißer, dieses Pulver, dessen Zutatenliste wir heute früh mal gelesen haben und feststellen mussten, dass man einen Abschluss in Lebensmittelchemie braucht, um sie zu verstehen (da fühlt sich jetzt bestimmt jemand angesprochen 😉 ). Mittags essen wir unterwegs, oft in einem Diner, so einem einfachen Restaurant, wo man sich auf gepolsterten Bänken gegenüber sitzt, und wo sich die Auswahl meist auf Burger oder Sandwiches mit Pommes und eine Suppe oder ein Chili beschränkt. Die günstige und vermutlich auch relativ gesunde Alternative ist Subway (wer das nicht kennt: eine Fast Food-Kette, die Sandwiches mit sehr viel Gemüse macht) – jedes Kuhdorf hat hier ein Subway, meistens direkt an der Tankstelle, und abgesehen von dem Obst, das wir kaufen (die Pfirsiche haben gerade Saison in Utah und schmecken köstlich), ist das vermutlich unsere einzige Vitaminquelle. Oder nein, das stimmt nicht ganz, denn es gibt ja noch das Abendessen, das wir uns meist im Motel zubereiten, wo es eigentlich immer einen Kühlschrank und eine Mikrowelle gibt. Also kaufen wir uns so leckere Dinge wie Knorr-Pasta in Kräutersauce (ein Gedicht), oder Reis mit Bohnen aus der Dose (himmlisch) oder Cupnoodles (eine wahre Gaumenfreude), die wir dann nur mit heißem Wasser aufgießen oder aufwärmen oder in der Mikrowelle kochen müssen (geht ziemlich gut), und diese sind unglaublich gesund, zumindest wenn man der Zutatenliste Glauben schenkt. Da sind nämlich nicht einfach Reis oder Nudeln drin; nein, das Zauberwort heißt ‚angereichert‚ und so ist jedes Tütenessen eine wahre Vitamin- und Nährstoffquelle. Man kann wirklich nur staunen, wie gesund hier alles ist (ja, das war jetzt ironisch gemeint). Wir haben ein Päckchen Reis gekauft, das unter anderem mit 0% Fett warb. Eine Zutat, die ich in Reis von vornherein nicht vermutet hätte, aber gut zu wissen.
Aber man kann über die USA sagen, was man will, die Landschaft ist oft so überwältigend schön, dass es uns die Sprache verschlägt und auch nach all den Orten, die wir auf unserer Reise schon gesehen haben, noch beeindruckt. Nicht nur in den Nationalparks, auch einfach auf den Strecken dazwischen. Der von Jonathan empfohlene Highway 20 durch Washington war eine Fahrt durch hohe Berge, prärie-artiges Grasland bis zum Horizont und kleine Städtchen, die als Kulisse für Wildwestfilme dienen könnten.
Mit einer Zwischenübernachtung erreichten den Ort Kalispell an den westlichen Ausläufern des Glacier-Nationalparks in Montana, einem Ort mit mehr als 20 Kirchen bei rund 20.000 Einwohnern. Wir hatten dort ein AirBnB gebucht, das wir leider bei unserer Ankunft verschlossen vorfanden, und da wir keine amerikanische Simkarte im Handy haben, konnten wir den Vermieter auch nicht kontaktieren. An einer nahe gelegenen Tankstelle ließ man uns das Telefon benutzen, aber die Mailbox des Gastgebers war voll, also blieb uns nicht viel anderes übrig, als vor dem Haus zu warten, was nach der langen Fahrt nicht so toll war. Zum Glück warteten wir dann nicht einmal eine Stunde, und das Haus war sehr komfortabel, sodass wir uns gut erholen konnten (es gab sogar einen Hotpool im Garten), wenn auch die Dekoration aus unzähligen präparierten Tierköpfen an der Wand und Fellen auf dem Fußboden etwas gewöhnungsbedürftig war. Der Gastgeber war Hobby-Jäger. Zumindest konnte er uns einige gute Tipps für den Nationalpark geben und so fuhren wir am nächsten Tag einmal quer hindurch. Die einzige Straße durch den Park trug den klangvollen Namen „Going-to-the-sun Road“, was nicht ganz unpassend war, da sie mehr als 1.000 Höhenmeter hinauf zum Logan Pass kletterte. Dort überwand sie die Continental Divide, die auf Deutsch etwas holprig ‚Nordamerikanische kontinentale Wasserscheide‘ heißt, was vereinfacht bedeutet, dass die Flüsse auf der Westseite in den Pazifik und auf der Ostseite in den Atlantik fließen. Im Großen und Ganzen bilden die Rocky Mountains diese Trennlinie, in denen wir uns auch hier befanden, und die Bergmassive um uns herum waren so beeindruckend, dass wir uns leicht vorstellen konnten, wie sie einen ganzen Kontinent teilen. Oben auf dem Pass sahen wir Bergziegen und Murmeltiere (oder etwas, das so ähnlich aussah) und wanderten bei schönstem Wetter zum Aussichtspunkt über den Hidden Lake. Einzig der Dunst weiterer Waldbrände, die auch hier in Montana wüteten, trübte die Sicht.
Die nächsten zwei Nächte verbrachten wir in East Glacier, einem Dorf auf der Ostseite des Nationalparks, wo es tatsächlich eine Internationale Jugendherberge gab, in der unsere Mitgliedschaft anerkannt wurde. Wir hatten zwar ein Zimmer für uns, nutzten aber die Gemeinschaftsküche und kamen so mit anderen Gästen ins Gespräch. Einen Abend unterhielten wir uns lange mit einem Deutschen aus Berlin, der oft in die Sächsische Schweiz zum Wandern fährt, und einem Iraner, der in den USA arbeitet, und hatten alle viel Spaß, die kulturellen Unterschiede zwischen unseren Ländern zu vergleichen.
Wir folgten der Empfehlung unseres schießwütigen Gastgebers aus dem vorigen Ort und machten im Nationalpark eine Tageswanderung zum Iceberg Lake. In der Jugendherberge gab es ein Café mit Bäckerei, wo wir uns früh mit Sandwiches für die Rast ausstatteten und gleich noch eine Dose Bärenspray mitnahmen, letzteres nichts zu essen sondern Notwehr im Falle einer Begegnung mit Meister Petz. Überall liest man in diesen Gegenden Ratschläge, wie man sich im Bärenland verhalten soll: beim Wandern Lärm machen, um die Tiere von vornherein abzuschrecken; falls man doch einen Grizzly oder Schwarzbär sieht, wenn möglich, mindestens hundert Meter Abstand halten und das Tier vorbeiziehen lassen. Sollte man sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen plötzlich direkt gegenüberstehen, kommt das Bärenspray zum Einsatz, bei dem es sich anscheinend um eine Art Pfefferspray handelt, die den Bär tatsächlich nicht noch aggressiver machen sondern abschrecken soll. Angeblich funktioniert das; wir hofften aber, es nicht ausprobieren zu müssen.
Die einzigen Tiere, die wir am Straßenrand auf der Fahrt zum Wanderparkplatz sahen, waren jede Menge Kühe, die ohne Zaun weideten, und einige Pferde, diese hinter Zäunen, und als wir erst einmal auf dem Wanderweg waren, machten wir uns in Anbetracht der vielen anderen Wanderer nicht allzu viele Sorgen, zumal die Mehrheit ein Bärenspray am Gürtel trug. Trotz der Menschenmassen war es eine schöne und auch ruhige Wanderung, die stetig sanft bergauf führte, erst durch einen Wald bis zu einem Wasserfall, dann durch heideähnliche Landschaft immer näher an die gewaltigen, senkrechten Felswände der Continental Divide heran, bis sie in einem Kessel am Iceberg Lake endete. Von den Namensgebern des Sees sahen wir leider nicht viel; die „Eisberge“, die eigentlich abgebrochene Stücke eines Gletschers sind, waren in der Sommerhitze alle geschmolzen bis auf einen, der einsam im Wasser trieb. Zurück ging es dann auf dem selben Weg, insgesamt etwa 15 Kilometer. Auf der Rückfahrt sahen wir, dass der Waldbrand-Smog noch dichter geworden war; in unserem Tal hatten wir davon zum Glück nichts mitbekommen.
Von Glaciers fuhren wir zwei Tage mit Übernachtung in Helena nach Yellowstone, sozusagen dem Großvater aller Nationalparks, der sich größtenteils im Bundesstaat Wyoming befindet. Yellowstone ist ein Park der Superlative: schon 1872 gegründet, ist er nicht nur der älteste Nationalpark in den USA sondern weltweit. Allein im vergangenen Jahr wurden mehr als vier Millionen Besucher gezählt. Gelegen über der 80 km langen Caldera eines aktiven Vulkans, dem größten Vulkan auf dem amerikanischen Kontinent, befinden sich mehr als die Hälfte aller heißen Quellen auf der Welt in Yellowstone, darunter allein mehr als 300 Geysire. Die Ringstraße, die einmal durch den Park führt, ist über 220 km lang und angeblich gibt es an die 2.000 km markierte Wanderwege. In Yellowstone könnte man Wochen verbringen wenn man viel Geld hat und sich die teuren Unterkünfte in den selbst noch 100 km entfernten Ortschaften leisten kann doch fairerweise muss man auch sagen, dass ein Großteil des Parks einfach nur aus Nadelwald besteht, der nicht sonderlich eindrucksvoll ist.
Die größten Highlights sind definitiv die geothermalen Gebiete und die Tierwelt. Zum einen abgrundtiefe, blaue Quellen, elfenbeinfarbene Sinterterrassen, gluckernde Schlammtöpfe, Geysire, das Farbenspiel der extremophilen Bakterien, die den Boden in den feurigsten Rottönen leuchten lassen. Farbenfrohe Quellen haben wir so viele gesehen, dass es schwerfällt, Favoriten zu nennen, aber die Grand Prismatic Spring war definitiv ein Höhepunkt, und ja, sie ist tatsächlich so bunt wie auf den Bildern. Der berühmteste aller Geysire, der Old Faithful, spuckt etwa einmal pro Stunde Wasser bis zu fünfzig Meter in die Höhe. Und die mineralischen Ablagerungen, welche die Sinterterrassen von Mammoth Hot Springs bilden, wirken wie aus einer anderen Welt.
Zum anderen sind da die Bisonherden, Hirsche, Wolfsrudel, Adler, Bären, Otter und Hörnchen, von denen man durchaus einige sieht. Bisons haben wir täglich irgendwo am Straßenrand gesehen, einmal ein Reh, auch Otter am Ufer eines Baches, und bei dem einen Wolf sind wir uns nicht ganz sicher, ob es nicht doch vielleicht ein Kojote war, er war zu weit entfernt.
Auch wenn wir nur wenige Tage im Yellowstone-Nationalpark verbrachten, sahen wir unglaublich viel und können seine Anziehungskraft vollkommen verstehen. Einziger Wermutstropfen war unser mittlerweile schon dauerhafter Begleiter, der Dunst der eigentlich ziemlich weit entfernten Waldbrände, die dieses Jahr wirklich extrem gewesen sein müssen. Er begleitete uns auch noch auf unserer Fahrt durch den direkt im Süden angrenzenden Grand Teton-Nationalpark, der im Vergleich zu seinem Rekordnachbarn im Norden gerade zu ruhig und gelassen wirkte. Wir unternahmen dort nicht viel, fuhren nur zu ein paar Aussichtspunkten, bevor wir unsere Fahrt nach Süden fortsetzen und im Bundesstaat Utah einen völlig neuen Maßstab für den Begriff atemberaubend entdecken würden. Wenn wir Glaciers und Yellowstone schon überwältigend fanden, haben wir für die Nationalparks in Utah nur geübt. Ihr dürft gespannt sein…
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