16. Juni 2017, Franz Josef Glacier
Beflügelt durch all eure netten Kommentare wollen wir doch mal weiter erzählen von unserem Road Trip durch das winterliche Neuseeland.
Irgendwann wurde es leider doch mal Zeit, unserem Lieblingskater Cheeto Lebewohl zu sagen und weiter auf der Southern Scenic Route zu fahren, wo wir sie schon einmal gefunden hatten. Schon kurz hinter Riverton sahen wir die ersten hohen, schneebedeckten Berge in der Ferne aufragen und ab da wurde die Landschaft einfach großartig. Wir machten uns auf den Weg ins Fiordland und schafften es in ein paar Stunden bis nach Te Anau, dem Ausgangspunkt zum Milford Sound. Da wir gut vorangekommen waren und noch Zeit hatten, besuchten wir eine Vogelauffangstation am Ufer des Lake Te Anau, wo wir einige einheimische und zum Teil von Natur aus flugunfähige Vögel sehen konnten. Dann tankten wir noch einmal voll, bevor wir unsere Fahrt zum Milford Sound fortsetzten, denn von Te Anau aus sind es 120km Fahrt pro Richtung und es kommt danach keinerlei Infrastruktur mehr.
Trotz Wolken war die Landschaft traumhaft schön und wir mussten immer wieder anhalten, um zu fotografieren. So schafften wir es im letzten Tageslicht auf den Campingplatz Gunn’s Camp, der nur 20km vom Fjord entfernt in einem grünen Tal mit steilen Wänden liegt. Dort schien die Zeit ein bisschen stehen geblieben zu sein. Handynetz oder Internet gab es dort natürlich nicht, aber es gab auch kein Festnetztelefon, mit dem wir eine Kreuzfahrt auf dem Fjord hätten buchen können, also mussten wir am nächsten Morgen auf gut Glück hinfahren. Das warme Wasser kam aus einem mit Feuer beheizten Boiler und der Strom von einem Generator, der sich abends halb zehn abschaltete, sodass man danach im Dunkeln saß. Es war aber tatsächlich viel schöner als es klingt, denn das Feuer im Kamin brannte ja weiter, sodass es weiterhin warm und gemütlich im Aufenthaltsraum war, und draußen sah man, wenn man den Kopf in den Nacken legte, die schneebedeckten Berggipfel im Lichte des Fast-Vollmondes schimmern, und zu alledem rauschte im Tal ein klarer Fluss. Es war sehr romantisch.
Am nächsten Morgen fuhren wir rechtzeitig los, um die Kreuzfahrt, die wir uns ausgesucht hatten, noch vor Ort buchen zu können. Rechtzeitig hieß, für die letzten 20 km eine Stunde einzuplanen. Erstens war die Straße stellenweise überfroren, und es war ja auch nicht gerade eine Autobahn, sondern eher eine Hochalpenstraße, durch deren Serpentinen man auch im Sommer höchstens mit Tempo 30 fahren kann. Zweitens brauchten wir wieder einige Fotostopps, wobei wir zumindest beim ersten nicht lange verweilten, denn schon bei der Einfahrt auf den Parkplatz sahen wir die gar nicht mal so kleinen Satansbraten lauern: Keas. Von diesen schlauen Bergpapageien haben bestimmt die meisten schon einmal gehört, und bei meiner letzten Neuseelandreise hatten sie innerhalb von Sekunden sauber die Antenne vom Autodach abgeschraubt (ja, geschraubt!). Ihr Anblick, wenn auch noch so niedlich, verhieß daher leider nichts gutes für unseren Capella, und wir hatten auch wirklich kaum angehalten, als schon zwei der Experten auf unserem Dach landeten und fachkundig anfingen, die Dichtungsgummis aus den Türen zu hacken. Also schnell ein paar Bilder geknipst, zurück ins Auto und wieder ab auf die Straße… nur, dass das leider nicht viel half. Die Biester blieben einfach dreist auf dem Dach sitzen und fuhren noch gute hundert Meter mit! Erst, als wir etwas schneller fuhren, hoben sie ab und suchten sich ein neues Opfer…
Am Milford Sound angekommen, parkten wir auf einem riesigen Parkplatz, dessen Größe erahnen ließ, welche Massen hier im Sommer abgefertigt werden müssen. Es waren jedoch nicht viel los, einer der Vorteile der Nebensaison, und im Besucherzentrum sahen wir nur eine Handvoll anderer Touristen. Es war kein Problem, die Schiffstour zu buchen, die wir uns ausgesucht hatten. Go Orange war mit Abstand der günstigste Anbieter und letztendlich sieht der Fjord ja von jedem Schiff gleich aus. Es sollte sogar noch ein kleines Frühstück bestehend aus Sandwich und einem Saft inklusive sein.
Halb elf ging die Fahrt los, es hatten sich tatsächlich noch ein paar weitere Passagiere eingefunden, insgesamt vielleicht 30 Leute. Wir waren überrascht, dass wir nicht das orangefarbene Schiff nahmen, sondern das des größten Anbieters vor Ort, dessen Touren sicher um einiges mehr gekostet haben. Vermutlich gehört „unsere“ Firma dazu und es lohnt sich im Winter einfach nicht, mit zwei Schiffen zu fahren, wenn kaum genug Gäste für eines zusammenkommen. Aber uns war es ja einerlei; wir standen ab da die meiste Zeit draußen an Deck, um die atemberaubende Landschaft so nah wie möglich zu sehen, auch wenn wir im Wind und Regen ganz schön bibberten. Als wir uns drin aufwärmten, waren wir allerdings doch sehr froh, dass wir mit dem schicken Schiff fahren durften. Es gab nämlich nicht nur Tee und Kaffee umsonst und soviel man wollte – wunderbar zum Aufwärmen der klammen Finger – sondern das versprochene Frühstück entpuppte sich als ein ganzer Karton voller Snacks, von einem Sandwich über Chips, Schokolade und Nüssen bis hin zu einem Apfel und einer Flasche Wasser. So ließ es sich aushalten.
Nebenbei erklärte der Skipper viel Wissenswertes zur Umgebung, die Namen der Berge, Täler und Wasserfälle. Wir erfuhren, dass Fjorde von Gletschern geformt werden und Sounds von Flüssen, und dass der Milford Sound daher eigentlich ein Fjord ist. Das wussten die ersten Europäer, die ihm diesen Namen gaben, allerdings noch nicht und später wollte man den Namen nicht mehr ändern. Ist vielleicht auch besser so, Milford Fjord klänge ja auch nicht so schön. Auf Maori, der Sprache der allerersten polynesischen Siedler heißt der Fjord übrigens Piopiotahi. Außerdem machte der Skipper uns auf verschiedene Tiere aufmerksam, unter anderem über uns segelnde Albatrosse und Robben, die verschlafen auf Felsen am Rande des Fjordes lagen. Trotz dem durchwachsenen Wetter war es eine sehr lohnenswerte Kreuzfahrt.
Danach fuhren wir den ganzen Weg wieder zurück nach Te Anau, und da wir dort nicht übernachten wollten, noch zu einem kleinen Ort namens Athol, der auf der Strecke nach Queenstown lag, unserem nächsten Ziel, das wir dann am nächsten Vormittag erreichten. Queenstown ist wunderschön an einem riesigen See namens Wakatipu gelegen und markiert auch das Ende (oder den Anfang) der Southern Scenic Route. Es ist so eine Art Mekka der Südinsel, es gibt wahrscheinlich keine Outdoor-Aktivität, der man dort nicht frönen könnte, und auch ansonsten richtet sich das Städtchen verstärkt an die zahlungskräftigen Reisenden – selbst einen Luis Vuitton-Laden gibt es hier!
Wir machten einen kleinen Spaziergang durch den Botanischen Garten und das Stadtzentrum, aber es war uns insgesamt zu hektisch und dicht gedrängt. Wir aßen einen sehr leckeren Burger bei Fergburger, was ein obligatorischer Stopp ist, wenn man schonmal in Queenstown ist (immerhin mussten wir nur eine Viertelstunde warten, bis unsere Bestellnummer aufgerufen wurde) und kauften dann noch Fudge im Remarkable Sweet Shop ein (der seinen Namen nicht nur der Qualität der Süßwaren sondern in erster Linie seiner Lage im Schatten der Remarkables, einer Bergkette, verdankt). Danach suchten wir das Weite und fuhren weiter am See entlang bis nach Glenorchy, wo ein paar Szenen aus Herr der Ringe gedreht wurden. Bis zu den Drehorten kommt man leider nur mit Geländewagen, aber die Landschaft war überall wunderschön und wir hatten allerbestes Wetter.
Die Nacht verbrachten wir in Arrowtown, einem kleinen Städtchen nicht allzuweit von Queenstown entfernt, da es dort etwas günstiger war. Dennoch endeten wir auch dort auf einem dieser nullachtfuffzehn Holiday Parks, die alle gleich aussehen und sich eher an große Wohnmobile richten. Wir bekamen einen Stellplatz am Ende des Parks, ziemlich weit von Küche und Sanis, zugeteilt obwohl viele Plätze noch frei waren. Immerhin gab es eine halbwegs warme Küche, die wir nur mit einer chinesischen Familie teilten, welche eine unglaubliche Menge Essen zubereitete. Die chinesischen Camper scheinen zu jeder Mahlzeit richtig groß zu kochen, das ist uns schon auf anderen Plätzen aufgefallen.
Gerade in Arrowtown gab es auffällig viele chinesische Touristen, was aber vermutlich mit dem chinesischen Erbe des Goldgräberstädtchens zu tun hat. Am nächsten Morgen besichtigten wir das chinesische Viertel, das ich mir als eine Art China Town vorgestellt hatte, aber weit gefehlt. Als Mitte des 19. Jahrhunderts Gold auf der neuseeländischen Südinsel gefunden wurde, kamen auch viele chinesische Einwanderer, die ihr Glück suchten. Sie fanden Gold, wo die Europäer schon längst aufgegeben hatten und wohnten in erbärmlichen, winzig kleinen Hütten, deren Überreste man in Arrowtown noch sehen konnte. Wenn sie genug Gold gefunden hatten, kehrten sie nach China zurück, um ihre Familien zu unterstützen, aber viele schafften es nicht oder blieben aus anderen Gründen in Neuseeland. Wir hatten großen Respekt für diese Siedler, die unter solch unvorstellbaren Bedingungen lebten und trotz all ihrer harten Arbeit von den Europäern verachtet und ausgegrenzt wurden.
Die ganze Umgebung war einst Goldgräberland, und auch im nicht weit entfernten Cardrona spürte man noch so richtig den Wild West-Charme des 19. Jahrhunderts. Der Ort besteht heute aus kaum mehr als dem legendären Hotel, das sich zumindest äußerlich seit 150 Jahren kaum verändert zu haben scheint. Die Fahrt über den Crown Range-Pass bot eine tolle Sicht auf Queenstown mehr als 500 Meter unter uns und wir sahen sogar aus der Vogelperspektive ein Flugzeug am internationalen Flughafen von Queenstown landen. Im Cardrona Hotel tranken wir einen Mochaccino und machten danach noch einen Abstecher zu etwas, das auf der Karte als bra fence (BH-Zaun) eingetragen war. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass es wirklich ist, wonach es klingt, aber es war genau das. Und es gab auch tatsächlich einen guten Grund für diese Kuriosität; der Zaun ist Teil einer Kampagne zur Brustkrebs-Aufklärung.
Wieder zurück im Tal hielten wir noch kurz an der Bungee-Brücke von AJ Hackett (von der ich mich vor drei Jahren auch mal gestürzt habe), um nur ganz harmlos den Kawarau River 43 Meter weiter unten fließen zu sehen, der dort auch ein Herr-der-Ringe-Drehort war.
Perspektivisch wollten wir weiter ins Inland zum Aoraki/Mt. Cook, dem höchsten Berg Neuseelands, aber die Wettervorhersage für die Gegend war alles andere als einladend: Unwetterwarnung wegen Starkregen und Sturm. Daher suchten wir uns einen günstigen Campingplatz mit Kamin, um die nächsten zwei Tage dort auszusitzen. In Bannockburn nahe Cromwell verbrachten wir zwei faule Tage bei durchwachsenem Wetter, erholten uns von der vielen Fahrerei und schauten zu, wie die Schneegrenze mit jedem Schauer weiter ins Tal sank.
Boaaah, klingt das alles toll. Und die Bilder werden gefühlt mit jedem Eintrag schöner und wirken teilweise wie gemalt. Einfach nur schön.
Diese Bergpapageien gefallen mir, aber wahrscheinlich sagen das viele aus der Ferne, da nicht deren Auto gerade auseinandergeschraubt wird.
Der BH-Zaun ist lustig, aber natürlich auch ein wichtiges Thema, aber irgendwie ne gute Idee auf die Problematik aufmerksam zu machen.
Kurz um: „Like“ und „Daumen hoch“ für diesen erneuten Blogeintrag
Die Landschaft ist wirklich etwas besonderes hier. 🙂
Hihi, das hast du sehr treffend formuliert; wenn es nicht das eigene Auto ist, sind die Keas sehr drollig anzuschauen 😉
Danke wie immer für deinen Kommentar, der nächste Beitrag kommt hoffentlich noch heute.
Is ja lustig – ich habe schon auf die Kea-Berichte gewartet :)) Dass sie nicht nur alles Erreichbare anknabbern und rauspulen, sondern sogar eine Antenne fachgerecht abschrauben, ist ja echt ein Ding. Da schwankt man wirklich zwischen Bleiben, um zu fotografieren und schnellstens das Weite suchen, um seine Habseligkeiten zu retten…
Was die Fotos betrifft, schließe mich dem I uneingeschränkt an – einfach toll.
Hoffentlich bleibt die Schneefallgrenze noch eine Weile über euren Köpfen…
Es war fast, als ob sie sich schon im Voraus abgesprochen hätten, wer wo anfängt…
Bisher hatten wir nach wie vor Glück mit dem Schnee bzw. Abwesenheit desselben und können die Landschaft und die freien Straßen weiterhin genießen. 🙂
Eure Bilder sind ja wieder traumhaft! Von der „Kühle“ und den kurzen Tagen mal abgesehen scheint der Neuseelandwinter touristenmäßig wesentlich ruhiger zu sein, als der Sommer. Aber das ist wohl überall so. Solange Ihr Plätze zum Aufwärmen findet und Euer Spaceship schnurrt ist ja alles prima.
Weiter viel Spaß und unfallfreie Fahrten.
Liebe Grüße von uns.
Hallo Mädels,
ich bewundere euren Mut, dem Winter die Stirn zu bieten, aber wie jeder sehen kann, entschädigen die Bilder und Eindrücke auf ein faszinierende Art und Weise, ich wünsche euch, sets einen guten Kamin und genügend Holz vorzufinden.
Grüße aus Bad Schandau
Danke für deinen Kommentar. Jetzt ist bei euch Sommer und wir frieren, vorher war es umgekehrt.
Oft haben wir Glück mit externen Wärmequellen, und wenn gar nichts hilft, dann gehen wir eben zeitig ins Bett, mit Wärmflasche.