Well, well, Wellington

10. Juli 2017, Opotiki

Da waren wir nun also Sonntag Nachmittag in Neuseelands Hauptstadt und es regnete und der Wind pfiff. Nicht gerade ideal für einen Stadtbummel, dafür aber für’s Museum. Da wir schon einmal im Auto saßen, fuhren wir nach Miramar, dem Stadtteil hinter dem Flughafen, wo es auf den ersten Blick nicht viel zu sehen gibt, aber in der Filmindustrie ist der Ort eine Legende. Hier liegen die Weta Studios, berühmt vor allem (aber nicht nur) durch Herr der Ringe und die Hobbit-Trilogie. Wir schlossen uns spontan einer Führung durch die Werkstatt an, wo Modelle aller Art für Filme aller Art gebaut werden – von außerirdischen Maschinengewehren über mittelalterliche Rüstungen bis hin zu lebensgroßen Referenzmodellen von Fabelwesen oder Robotern, alles bis ins kleinste Detail authentisch. Komplizierte Formen wie Zwerge, Trolle oder Drachen werden von Hand modelliert und dienen dann dem Regisseur sowie der Animationsabteilung bei Weta Digital als Vorlage. Für einfachere Gegenstände wie Gewehre hat man früher meist ein Modell von Hand entwickelt (wobei alle möglichen Teile verwendet wurden, die irgendwie cool aussahen, und wenn es eine Sprungfeder aus einem alten Kugelschreiber war), eine Silikonform davon angefertigt und dann das im Film benötigte Gewehr aus Harz gegossen und angemalt. Heute übernehmen oft 3D-Drucker diese Aufgabe (bis auf das Anmalen). Dieser Aufwand wird betrieben, da man Schauspielern weder echte Waffen noch Originalmodelle in die Hand geben kann – ersteres ist offensichtlich zu gefährlich und letzteres resultiert angeblich meist darin, dass sie die Modelle kaputt machen. Zuweilen fertigt Weta auch Modelle auf Wunsch für Privatkunden. Ein russischer Oligarch hat wohl mal ein Modell von King Kong für seinen Garten bestellt – in Originalgröße, das sind etwa sechs Meter. Er hält dort jetzt den Grill. Ein Neuseeländer, der auf der Nordinsel eine Art Meerschweinchen-Park besitzt (leider nicht der Öffentlichkeit zugänglich), hat eine Reihe Herr-der-Ringe-Figuren bestellt – als Meerschweinchen. Die Werkstatt hat ein paar Kopien behalten, die wir bei der Führung sehen konnten – lauter in etwa lebensgroße Meerschweinchenfiguren in Elbenmänteln, mit Pfeil und Bogen oder kleinen Schwertern, einfach goldig. 😀 Und apropos Schwerter: eine Sammlung von Herr-der-Ringe-Schwertern (natürlich Nachbauten) befindet sich im Besitz der Queen, die anscheinend ein Fan der Filme ist. Die Führung war super spannend, und danach stöberten wir noch lange durch den Shop und schauten uns im zugehörigen Kino eine Dokumentation über die Geschichte von Weta und seine zahlreichen Projekte an, von Xena über Teile der Marvel-Filme bis hin zu Avatar, und das alles im kleinen Neuseeland.

B vor dem Eingang der Weta Cave

Danach verließen wir Wellington erst einmal, da der nächstgelegene Campingplatz schon außerhalb der Stadt lag. Dort sagte man uns gleich, dass wir nur maximal zwei Nächte bleiben könnten, da der Platz danach wegen der Lions Tour ausgebucht sei. Die Lions sind ein Rugby-Team aus Großbritannien, das alle vier Jahre nach Neuseeland kommt, um drei Wochen lang gegen die hiesigen Mannschaften Freundschaftsspiele zu spielen. Dabei bringen sie jede Menge Fans aus dem Empire mit, die natürlich alle irgendwo übernachten wollen. Das bedeutete für uns, dass wir am darauffolgenden Tag alles, was wir uns in Wellington anschauen wollten, im Schnelldurchlauf machen oder in eine sehr viel teurere Unterkunft investieren mussten (die Hostels waren natürlich auch schon gut ausgebucht). Wir entschieden uns für Variante eins und fuhren am nächsten Tag mit dem öffentlichen Bus ins Stadtzentrum.

Als erstes erklommen wir den Mount Victoria, einen Berg inmitten eines Parks direkt in der Stadt, von wo man eine gute Sicht über die Stadt samt Hafen und Flughafen hatte. Das Wetter war uns hold und so spazierten wir danach noch durch den Park auf der Suche nach einem Herr-der-Ringe-Drehort. Leider war er auf unserer Karte an zwei verschiedenen Punkten eingetragen und die Beschilderung im Park war sehr dürftig (und es war ein sehr großer Park). Da wir uns uneins waren, trennten wir uns, was rückblickend eine dämliche Entscheidung war, denn wir fanden uns nicht wieder und hatten natürlich unsere neuseeländischen Handynummern auch nicht getauscht, sodass wir uns nicht einmal anrufen konnten. Nach einer halben Stunde des Umherirrens begegneten wir uns schließlich am Ausgangspunkt, dem Eingang zum Park, wieder und beschlossen, so etwas nicht wieder zu tun. (Ob wir den Drehort gefunden haben, sind wir uns übrigens nicht einmal sicher; wenn ja, gab es nicht mehr viel zu sehen, wie das meistens so ist.)

Wellington vom Mt Victoria

Zurück in der Zivilisation erlagen wir der Versuchung eines der zahllosen Restaurants (japanisch) und statteten dann dem Nationalmuseum einen Besuch ab. Das Museum ist sehr modern und riesengroß; auf fünf Etagen gibt es alle möglichen Ausstellungen von Erdgeschichte, Flora und Fauna Neuseelands, über Maori bis hin zu moderner Einwanderungspolitik des Landes, und das alles bei kostenlosem Eintritt. Dazu kann man noch einen Blick unter das Gebäude werfen, wo es als Erdbebenschutz auf hunderten Gummifüßen steht, die jeweils einen Kern aus Blei haben, welcher sich unter Druck verformt. Damit schwankt das Bauwerk im Falle eines Bebens nicht so stark.

Am späten Nachmittag fuhren wir noch mit der Cable Car, einer Art historischen Hang-Straßenbahn, hinauf zum Botanischen Garten, wo einheimische Papageien (Kakas) frei herumflogen und der Kräutergarten mit einer Überwachungskamera vor hungrigen Langfingern geschützt wurde (zugegeben, bei den Preisen im Supermarkt hätten wir auch gern mal in die Petersilie gegriffen…). Ziemlich erschöpft fuhren wir abends mit dem Bus zurück zum mittlerweile schon sehr gut gefüllten Campingplatz, wo es von enthusiastischen Rugby-Fans inzwischen nur so wimmelte.

Im Botanischen Garten

Und so verließen wir Wellington nach nur zwei Nächten schon wieder, was auch nicht schlimm war, da wir Städte immer ziemlich anstrengend finden, auch wenn es in diesem Fall eine sehr charmante und bunte Stadt war. Nur dem Campingplatz trauerten wir nicht nach; es war so ziemlich der teuerste und gleichzeitig am schlechtesten ausgestattete, der uns bisher untergekommen war.

Unsere Fahrt führte uns als erstes in den Kaitoke Regional Park, der für Herr-der-Ringe-Fans auch gleich noch als Rivendell auf der Karte eingetragen war. Wir unternahmen einen Spaziergang durch den wunderschönen Regenwald entlang eines Flusses, wo einer der Hauptdrehorte der Filmtrilogie lag. Informationstafeln zeigten Fotos aus den Filmen und von den Gebäuden, die dort im Wald errichtet und nach den Dreharbeiten leider vollständig wieder entfernt worden waren. Einzig ein paar Bäume konnte man mit etwas Fantasie noch zuordnen, und für die zahlreichen pilgernden Fans wurde zudem später die Replik eines elbischen Torbogens angefertigt.

Rivendell – Nachbildung eines Torbogens

Am Nachmittag fuhren wir noch weiter zu einem anderen Drehort, den Putangirua Pinnacles, wo Aragorn im dritten Teil das Heer der Toten herbeiruft. Doch auch ohne Herr-der-Ringe-Hintergrund war das eine echt tolle Attraktion. Die Wanderung führte uns stetig bergauf durch einen immergrünen Wald; zwischendurch sahen wir die schneebedeckten Gipfel der Südinsel jenseits des Meeres aufragen. Als wir schließlich den Aussichtspunkt erreichten, wurden wir mit einem Blick über kuriose Felsnadeln belohnt, die Wind und Wasser langsam aber stetig vom dahinter liegenden Plateau abtragen. Der Weg zurück führte zunächst steil hinab bis ganz ins Tal und von dort musste man sich seinen eigenen Weg durch das geröllige Flussbett suchen. Der Fluss führte nur sehr wenig Wasser, sodass es kein Problem war, aber wir hatten einen Riesenspaß, immer wieder das Ufer zu wechseln und von Stein zu Stein zu springen, sogar fast völlig ohne nasse Füße zu bekommen.

Die Putangirua Pinnacles

Durch Geröll und Flußbett

Eigentlich wollten wir noch weiter an der Küste entlang bis zum Cape Palliser, dem südlichsten Punkt der Nordinsel fahren. Die Straße wurde allerdings immer schlechter; erst war sie wegen einiger spektakulärer Hangrutsche verengt, dann endete der Asphalt, dann konnten wir vor lauter Schlaglöchern und Waschbrettrillen nur noch Schritttempo fahren während der gesamte Inhalt unseres Autos neu durchmischt wurde, und schließlich mussten wir vor einem Fluss umdrehen, der mitten über die Fahrbahn floss – zum Furten ist Capella einfach nicht geeignet. Dafür bot sich uns auf der Rückfahrt ein spektakulärer Sonnenuntergang, und wir fanden danach ein sehr gemütliches Nachtquartier auf einem winzigen Campingplatz in einem Dorf namens Pirinoa, dessen Betreiberin uns fast wie Familienmitglieder willkommen hieß und wo es in der Küche sogar Couches und kostenlosen Tee und Kaffee gab.

Gut ausgeruht fuhren wir am nächsten Tag weiter nach Norden. Ich weiß nicht mehr, was unser eigentliches Ziel war, aber da wir ja den Leuchtturm am Cape Palliser nicht hatten sehen können, hatte uns die freundliche Campingplatz-Betreiberin einen anderen empfohlen, der zwar eine gute Stunde abseits unserer Strecke lag, aber wir haben ja Zeit. Und das war eine echt gute Entscheidung, denn die Bucht am Castle Point war wohl das beeindruckendste Stück Küste, das wir in Neuseeland bisher gesehen haben. Aus einem kurzen Besuch wurde ein ganzer Nachmittag; statt nur mal kurz zum Leuchtturm zu gehen, unternahmen wir eine Wanderung einmal um die ganze Bucht bis hinauf zum Gipfel des Berges, der hoch über der Buch thronte und verbrachten dann noch eine gute Stunde am Strand und an den Klippen, über die das Wasser immer wieder mit Macht auf den Strand brandete.

Castle Point

Da hat sich der Aufstieg gelohnt

Man hätte ewig zusehen können, wie das Meer über die Felsen in die Bucht brandet – gewaltig.

Danach schafften wir es nur noch bis in den nächsten größeren Ort Masterton, dessen Campingplatz einen beheizten Aufenthaltsraum und die ordentlichste Küche bot, die wir je auf einem Campingplatz gesehen haben – sogar Kochbücher gab es – und die Besitzer kamen am nächsten Morgen sogar noch auf einen Plausch zu uns. Die Nordinsel war wirklich nicht so schlecht wie wir erwartet hatten…

5 Gedanken zu „Well, well, Wellington

  1. Das ist schön, dass die Nordinsel doch noch ein paar schöne Eindrücke geboten hat, aber für euch hätte es sich sicher schon wegen der Herr der Ringe / Hobbit Drehorte gelohnt. Die Bucht am Castle Point sieht echt malerisch aus…

  2. Die Bilder und Erlebnisse sprechen wieder für sich. Da wart ihr also auf den Spuren vom Herr der Ringe und Hobbit.

    Nun seid ihr schon über ein dreiviertel Jahr unterwegs, was mir aufgrund der stetigen Lieferung an neuen Erzählungen gar nicht so vorkommt. Langweilig ist euch und uns hier nie geworden. Dafür mal vielen Dank.

    Ich habe neulich eure BucketListe mal angeschaut und staune, da sind doch die meisten Ziele erreicht worden….
    – mit der Transsibirischen Eisenbahn fahren .. erledigt
    – Reiten in der Mongolei .. erledigt
    – Surfen lernen und Kochkurs in Südostasien… kann ich mich aktuell nicht daran erinnern
    – Thaimassage lernen (Birgit) … erledigt *grins*
    – Delfinschwimmen in Neuseeland .. glaube ich auch gelesen zu haben, …
    – Hobbiton besuchen (Kathrin) … erledigt
    der Rest steht von der Reiseroute her noch aus… Aber da kann ich wirklich nur sagen: herzlichen Glückwunsch!!! Macht weiter so.

    Ihr seid die allerbesten! Liebe Grüße

    • Nein nein, du bist die allerbeste!! Dass du immer so toll mitliest und es dich interessiert und du uns schreibst, das ist ganz, ganz toll, und wir freuen uns immer, von dir zu hören oder zu lesen!! Mir kommt es auch nicht wie ein Dreivierteljahr vor. Wenn wir in den Kalender gucken und feststellen, dass schon August ist, können wir auch kaum glauben, dass wir dieses Jahr bisher nur auf Reise waren und so viel gesehen haben. Es ist großartig. 😀 Und von der Liste haben wir wirklich schon viel abgearbeitet.
      Ganz liebe Grüße aus Hawaii!! <3

  3. Hallo ihr,
    Danke wieder für die tollen bilder und erlebnisse! Ich stelle fest, dass es insgesamt weniger abenteuerlich bei euch zugeht, seitdem ihr in Neuseeland seid. Keine Geschichten von abenteuerlichen bus- oder Zugfahrten und wegbeschreibungen mit Händen und Füßen bei englisch braucht ihr das ja nicht. Viel freude und gute Weiterreise! Was ist das nächste ziel?
    Lg

    • Hallo Krissi, ja das stimmt, es reist sich wesentlich einfacher, wenn man sich so leicht verständlich machen kann. Noch dazu haben wir ja nun unser eigenes Gefährt und sind nicht mehr auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, und unser eigenes Essen zubereiten können wir auch wieder. Wir genießen den Komfort, aber das Reisen in Südostasien hatte definitiv mehr „Abenteuer“-Element. Das nächste Ziel ist Hawaii, da sind wir schon und genießen die Wärme. 😉 Fährst du irgendwohin diesen Sommer?
      Liebe Grüße zurück, B+K

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