Die wilde Westküste oder Gletscher im Regenwald

25. Juni 2017, Fähre von Picton nach Wellington

Das Blogschreiben ist mit dem Camping nicht so sonderlich gut vereinbar. Man hat – zumindest in so einem kleinen Van wie unserem Capella – nicht gerade viel Auswahl an Sitzmöglichkeiten, weshalb man auf Campingplatz-Küchen oder Cafés angewiesen ist. Erstere sind nicht immer vorhanden, oder nicht beheizt, und man muss spätestens 10:30 Uhr am Morgen abreisen. Letztere kosten Geld für den Kaffee. Daher hängen wir leider ganz schön hinterher. Während ich das schreibe, sitzen wir gerade auf der Fähre zur Nordinsel, und wir haben doch noch sooo viel gesehen im Süden…

Cromwell ist bekannt für Wein- und Obstanbau, wie diese wunderschöne Statue am Stadtrand verdeutlicht. 😉

Allen, die unsere Sorge bezüglich der Schneegrenze teilten, können wir sagen, dass sie zum Glück über Straßenniveau blieb und wir unsere Schneeketten nicht auspacken mussten (Winterreifen gibt es hier nicht). Nachdem sich das Wetter wieder besserte, verließen wir das schöne Cromwell und fuhren ins Hochland zum Mt. Cook, der auf Maori Aoraki genannt wird. Die Fahrt über den Lindis Pass bot leicht vereiste Straßen auf den obersten zwei Kilometern und eine gute Sicht auf die sich verändernde Landschaft des Mackenzie Country, Neuseelands größter Ebene, die östlich der Alpen liegt. Dort sieht es aus wie man sich die Prärie vorstellt, endloses Grasland, gelb und vertrocknet im Winter, ein paar Zäune für Kühe oder Schafe, und in der Ferne ragen die weißen Gipfel der Südalpen auf. Von der Hauptstraße biegt man ab auf die Zubringerstraße zum Mt. Cook, der man noch weitere 60 km folgt, die erste Hälfte davon entlang des Lake Pukaki, der aufgrund seines hohen Mineralgehaltes eine tolle, milchig-blaue Farbe hat. Danach erinnert die Landschaft eher an afrikanische Savanne, mit kleinen dornigen Sträuchern und man nähert sich immer weiter den steilen Bergwänden an.

Am Lindis Pass

Bei allerbestem Wetter unternahmen wir eine kleine Wanderung weiter hinter ins Tal in die Nähe des Gletschers. Dort lag eine dünne Schneedecke auf den Wegen und es war, sobald die Sonne gegen halb vier hinter den hohen Bergen verschwand, eisekalt, aber die Landschaft war beeindruckend. Sir Edmund Hillary trainierte hier für die Besteigung des Mt. Everest.

Im Vordergrund sieht man die Endmoräne des Gletschers und den Gletschersee; Mt. Cook ist der Berg hinten in der Mitte.

Blick über den Lake Pukaki zum Mt. Cook/Aoraki im Sonnenuntergang

Die Nacht verbrachten wir in Twizel auf einem hübschen, kleinen Campingplatz, der sogar einen kleinen Heizlüfter in der Küche hatte; draußen waren es nachts einige Grad unter Null. Den Temperaturen zum Trotz konnten wir am nächsten Morgen wieder eine neuseeländische Kuriosität beobachten: die Tankwartin, bei der wir unseren Sprit bezahlten, fand es zwar auch kalt, was sie aber nicht davon abhielt, kurzhosig zur Arbeit zu gehen. Egal wie kalt, nicht wenige Einheimische tragen kurze Hosen, kurzärmelige Oberteile oder man sieht Kinder barfuß gehen – und an einem warmen Tag sind hier vielleicht 12 Grad in der Sonne. Dafür läuft im Fernsehen Werbung dafür, Erkältung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, da sich daraus rheumatisches Fieber und Herzerkrankungen entwickeln könnten, und Innenausstatter preisen dicke Gardinen als Kälteschutz an – für die einfach verglasten Schiebefenster der nicht isolierten Häuser. Manchmal können wir über die Kiwis nur den Kopf schütteln.

Wir fuhren zurück über den Lindis Pass und weiter nach Wanaka am gleichnamigen See. Nachmittags streckten wir die Beine bei einer kleinen Wanderung zum Lake Diamond aus, einem stillen Weiher etwas außerhalb von Wanaka, wo es einen Aussichtspunkt mit fantastischer Sicht über den Lake Wanaka und die umgebenden Berge gab. Dies ist definitiv einer der allerschönsten Gegenden Neuseelands. Der nahe gelegene Campingplatz direkt am Seeufer war riesig und die Eigentümerin erzählte uns, dass dort im Sommer nicht ein freier Stellplatz zu bekommen ist. Wir waren aber im Winter mal wieder fast die einzigen, machten es uns abends am Kamin gemütlich und wachten früh zum Sonnenaufgang über dem See auf. 🙂

Aussicht über den Lake Wanaka

Von Wanaka aus führte uns die Fahrt über den Haast Pass, der im Wesentlichen eine schier endlose Straße durch dichten Wald ist; so richtig ins Gebirge kommt man gar nicht, sonder fährt mehr oder weniger im Tal am Fluss entlang auf die andere Seite. Und dort ist man auf einmal wieder in einer völlig anderen Welt: an der Westküste mit ihren steilen Berggipfeln, immergrünen Regenwäldern und rauen Stränden – selbst für neuseeländische Verhältnisse eine einsame Gegend. Dafür ist die Landschaft atemberaubend.

Wieder am Meer

Wir fuhren bis zum Franz Josef-Gletscher, tatsächlich benannt nach dem Kaiser, und übernachteten auf einem Campingplatz der etwas anderen Art. Im Rainforest Retreat war jeder Stellplatz von dichtem Grün umgeben, eine sehr friedliche Atmosphäre. In der Lounge gab es einen Kamin, der mit Gas betrieben wurde – die Flammen züngelten an Holzscheit-Imitaten hoch und wurden auf Knopfdruck gezündet, was wenig romantisch klingt, dafür aber viel mehr Wärme entwickelt – und obendrein konnte man einen kleinen Hotpool kostenlos nutzen (im Prinzip ein Whirlpool ohne Blubbern), was wir dann abends auch taten, um uns herum der Wald und über uns die Sterne. So kann man es sich gut gehen lassen – so gut, dass wir die nächste Nacht noch einmal hier verbrachten.

Capella im Rainforest Retreat

Tagsüber besuchten wir den nicht weit entfernten Fox-Gletscher, der leider kein besonders spektakulärer Anblick war. Dafür machten wir dann noch einen Ausflug zum Gillespies Beach, wohin eine 12km lange, holprige Schotterpiste führte – Fahrspaß pur, und das ist nicht ironisch gemeint. Und es lohnte sich auch wirklich. Wir waren die einzigen Menschen weit und breit und wanderten durch die Dünen zum Strand und weiter bis zur Lagune. Riesige Wellen rollten schaumgekrönt an den schwarzen Kieselstrand, wo wir eine ganze Weile damit verbrachten, nach besonders schönen Steinen zu suchen, von denen es unendlich viele gab. Nebenbei machten wir Bekanntschaft mit einer neuseeländischen Strandplage: Sandfliegen. Kaum größer als Eintagsfliegen sind diese blutrünstigen kleinen Monster sogar noch perfider als Mücken: sie kriechen auch in Ärmel und Hosenbeine und stechen gezielt in Adern – auf ein und derselben Stelle am Handrücken hatte ich im Nu fünf Stiche, während Kathrin mal wieder auf wundersame Weise verschont blieb.

Blick vom Gillespies Beach über die Lagune zum Mt. Cook und seine Nachbarn

Am nächsten Tag liefen wir durch das Tal des Franz Josef-Gletschers; aus Sicherheitsgründen durfte man aber nicht näher als 750 Meter an den Gletscher heran. Dennoch war der Gletscher viel schöner anzusehen als sein Nachbar Fox, die Spalten leuchteten eisblau in der Sonne und auf dem Weg sahen wir sogar ein Possum (auf Deutsch Fuchskusu, ein aus Australien eingeschlepptes Beuteltier), das sich an den Blättern eines Busches gütlich tat und nicht das kleinste bisschen Angst vor uns zeigte. Das war uns dann aber nicht ganz geheuer und wir hielten lieber etwas Abstand – normalerweise sind Possums scheu und nachtaktiv und sollten Menschen nicht so nahe kommen; vielleicht war es krank. Oder es hatte einfach Appetit auf einen „Mitternachtsimbiss“.

Gestatten, Franz Josef.

Danach fuhren wir weiter die Küste hoch, machten noch einen Abstecher an den treibgutübersäten Strand von Okarito, wo es aber leider anfing zu regnen, und erreichten schließlich Hokitika, die erste größere Ortschaft seit Wanaka. Nach Hokitika fährt sogar die Eisenbahn und man muss an den zahlreichen Bahnübergängen aufpassen. Natürlich muss man überall auf der Welt an Bahnübergängen aufpassen, aber die um Hokitika setzen dem ganzen noch die Krone auf: an einer Stelle führt die Bahnstrecke mitten durch einen Kreisverkehr und als ob das noch nicht genug wäre, teilt man an anderer Stelle eine einspurige Brücke mit dem Gleis und damit auch mit dem Zug. Wir haben keine Ahnung, wie das funktioniert und waren einfach heilfroh, dass gerade kein Zug kam, denn es ist dort die einzige Straße.

Unglaublich aber wahr…

Trotz Nieselregen unternahmen wir abends noch einen kurzen Ausflug zu einer Glühwürmchen-Grotte am Stadtrand. Man brauchte natürlich eine Taschenlampe für den Weg und am Ziel angekommen, als wir die Lampen ausschalteten und sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sahen wir hunderte leuchtende Punkte um uns herum an den Wänden wie Sterne. Es war weniger eine Grotte als viel mehr ein sehr enges, kleines Tal, und die Glühwürmchen waren auch eigentlich keine Glühwürmchen sondern die Larven, die leuchtende, klebrige Fäden spinnen, um damit Insekten als Beute anzulocken.

Am darauffolgenden Tag war das Wetter leider immer noch verregnet, sodass wir die Zeit in Hokitika verbrachten. Unser erster Stopp war dabei wieder einmal eine Autowerkstatt. Einige Tage zuvor war ein seitliches Stück der Plastikverkleidung, die um die Heckscheibe läuft und an der auch die dortigen Gardinen befestigt sind, abgefallen, soweit wir feststellen konnten ohne Grund. An sich war das nicht weiter schlimm, aber nun bemerkten wir, dass der oberer Teil der Verkleidung ebenfalls begann, sich zu lösen. Eine neue Schraube und zwei Minuten relativ grobes Einschlagen auf die losen Teile seitens des Reparateurs später war alles wieder fest und wir suchten uns im Zentrum einen Parkplatz und bummelten durch das Städtchen, das vor allem für seine Jadeindustrie berühmt ist. Eine Werkstatt und ein Laden am anderen verkaufen die wunderschönen, traditionellen Maori-Schmuckstücke. Kathrin wurde fündig und kaufte sich eine Kette, und wir gönnten uns dazu noch ein Mittagessen in einem der Cafés. Als es nachmittags etwas aufklarte, fuhren wir zur Hokitika Gorge, die für die intensiv-blaue Farbe ihres Wassers berühmt ist, aber aufgrund des vielen Regens war das Wasser leider eher braun.

Im Zentrum von Hokitika, für Südinsel-Verhältnisse schon eher eine größere Stadt

Im letzten Tageslicht fuhren wir noch bis nach Punakaiki zu einer kuriosen Felsformation an der Küste, die sich die Pancake Rocks nennt und ein bisschen aussieht wie die Felsen der Sächsischen Schweiz, nur eben aus pancakes (Eierkuchen, für die Sachsen unter euch, für den Rest Pfannkuchen). Es war schon zu dunkel, um die Form der Felsen noch zu bewundern, aber da gerade Flut war, wollten wir sehen, wie es die Gischt durch die Spalten nach oben drückte. Mit Taschenlampe ausgerüstet liefen wir bis zum Aussichtspunkt am Blowhole, wo das Meer mit unvorstellbarer Kraft in die felsige Öffnung brandete – teilweise donnerte es ohrenbetäubend und wir spürten sogar die Vibrationen im Felsen! Es war direkt ein bisschen unheimlich, so in der Fast-Dunkelheit. Hinter uns konnten wir gerade noch die Wolken am Horizont über dem Meer ausmachen und im letzten Abendlicht ließ sich nicht mehr unterscheiden, wo die Wolken aufhörten und das Meer anfing – es war, als ob man über ein endloses Wolkenmeer blickte, einfach magisch.

Eine Oase in der Wüste Marokkos? Nein, einheimische Nikau-Palmen im Dunst der Gischt.

Die Pancake Rocks

Am nächsten Morgen schauten wir uns die Pancake Rocks noch einmal bei Tageslicht an, wo sie nicht minder gewaltig wirkten. Soviel Gischt spritzte an den Felsen und den Klippen nach oben, dass die gesamte Küstenlinie im Dunst lag. Eigentlich hatten wir damit gesehen, was wir in Punakaiki sehen wollten, aber die freundliche Campingplatz-Betreiberin hatte uns am Vorabend noch eine Karte mit Ausflugstipps gegeben und Fotos in einem Bildband gezeigt. Die Orte sahen wirklich schön aus und hatten uns neugierig gemacht, und so wanderten wir zuerst ins Tal des Pororari River, der sich zwischen senkrechte Felswände gegraben hat und an dessen Ufer der urzeitlichste Regenwald wuchs, den wir je gesehen haben. Wäre uns dort ein Dinosaurier begegnet, hätte es uns nicht im geringsten gewundert. Die Landschaft war ein Traum und wir liefen viel weiter als wir eigentlich vorgehabt hatten, da wir uns einfach nicht satt sehen konnten. Während wir nach der Wanderung noch ein kurzes Mittagessen im Auto aßen, beobachteten wir einen Weka (eine bedrohte, flugunfähige Vogelart), der neugierig um unser Auto spazierte, vielleicht auf der Suche nach etwas glänzendem; Wekas sind in dieser Hinsicht wie Elstern.

Der Pororari River Track

Ein Weka

Danach folgten wir noch dem Truman Track bis an eine steile Klippe am Strand, die über die Jahrtausende hinweg vom Meer in einem weiten Bogen ausgewaschen worden war. Da gerade Ebbe war, konnten wir am Strand entlang gehen, sahen sogar einen Wasserfall von der Klippe stürzen und bestaunten die Seetangreste, die das Wasser angespült hatte. Auf einer Informationstafel hatten wir gelesen, dass der hiesige Seetang sich so fest am Gestein der Klippen verwächst, dass er in der Meeresbrandung binnen einer Sekunde von 0 auf 140 km/h beschleunigen kann, und wenn die Flut doch einmal zu stark zieht, dann reißt nicht der Seetang von den Felsen ab, sondern ein Teil des Gesteins bricht ab und wird mit weggerissen. Wer hätte gedacht, dass Seetang so beeindruckend sein kann…

An der Küste war es tatsächlich zu sonnig, um ein gutes Foto von den Klippen zu machen, daher hier als Entschädigung ein Foto vom Weg dorthin.

Danach ließen die Westküste hinter uns und machten wir uns auf den Weg zurück ins Inland…

3 Gedanken zu „Die wilde Westküste oder Gletscher im Regenwald

  1. Boah, schon wieder so tolle Sache erlebt. Ich muss die Beiträge immer mehrfach lesen, um überhaupt alles aufzunehmen. Wie muss das erst für euch beim Schreiben sein.
    Aber zum Schreiben überhaupt: Natürlich freue ich mich immer über neue Nachrichten, Fotos und Videos, aber wenn die örtlichen Begebenheiten ein bequemes und kostengünstiges Schreiben und Hochladen nicht hergeben, dann geben sie es nicht her. Ich freue mich über jeden Blogeintrag, jedes Video auf eurem Youtube-Kanal und jedes Foto, aber vorallem freue ich mich, wenn ihr die Zeit für Reisen, Entdecken und Erleben nutzt. Es ist eure Weltreise … 😉

    Die Bilder sind wieder toll. Ich musste natürlich oft lachen, vorallem bei pancake und der Übersetzung für Sachsen und Nicht-Sachsen. Ein ewiges Thema bei mir im Nicht-Sachsen-Land als Sachse…

    Das Possum ist süß, ich habe erst Opossum gelesen, aber das sind wieder andere Tiere. Irgendwie find es bemerkenswert, wie oft man im Zusammenhang mit Australien und Neuseeland von „eingeschleppten“ Tierarten hört. Aber sicher war es gut, einen gewissen Abstand zu eher scheuen Tierarten zu halten, wenn sie unerwartet vertraut wirken.

    Die Straßenverhältnisse vorallem mit dem Bahngleisen klingen sehr gruselig und die Brücke erst recht. Das wird mich echt mal interessieren, wie da die Begegnung Zug-Auto ausgeht.

    • Ihr habt ja echt wieder unglaublich viel erlebt und ich schließe mich dem I dahingehend an, dass wir Daheimgebliebenen uns über jeden Blogeintrag und jedes Foto freuen, euch aber natürlich genug Zeit für eigenes Genießen bleiben muss.
      Neuseeland ist tatsächlich mehrere Reisen wert.
      Das Blowhole ist beeindruckend, auch schon bei Ebbe.
      Gibts eine Theorie, wie die Pancake Rocks entstanden sind?
      Euch Beiden wünsche ich jetzt für die Nordinsel ebenso schöne Erlebnisse!!

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