Nihao aus Pingyao

9. Oktober 2016, wieder mal im Zug

Was soll man sagen, die anderthalb Tage in Pingyao waren wirklich schön und erholsam, nachdem wir es erst einmal in die pittoreske Altstadt geschafft hatten.

Der Zug hielt nämlich an einem Fernbahnhof außerhalb der Stadt, wo noch nichts von Stadtmauer und historischer Altstadt kündete. Stattdessen grüßten uns eine qualmende Fabrik und ein im Bau begriffenes Hochhausviertel in der dunstigen Ferne, sowie jede Menge Taxifahrer, die uns klar machen wollten, dass überhaupt gar kein Bus in die Stadt fährt. Zum Glück waren wir aber dank Wikitravel schon etwas schlauer und wussten, dass es sehr wohl zwei Busse gab, einen zum Nord- und einem zum Südtor der Altstadt. Es standen auch tatsächlich zwei Busse vor dem Bahnhof, nur sahen sie beide genau gleich aus, es stand nichts dran, und wir wussten nicht mal, was Nordtor auf Chinesisch heißt, also sind wir, um dem Heer der Taxifahrer zu entkommen, in den erstbesten Bus eingestiegen.

Der moderne Teil von Pingyao sieht aus wie jede andere chinesische Stadt – riesige Apartmentblocks, große dreckige Straßen, ziemlich chaotisch. Irgendwann erblickten wir die Stadtmauer (laut Kompass waren wir irgendwo im Norden) und da der Bus tatsächlich mal an einer Haltestelle hielt (zuvor hatte er – zumindest kam es uns so vor – immer gehalten, wenn jemand etwas gerufen hat), sprangen wir kurz entschlossen raus, da wir ohnehin zum Nordtor mussten. Wir liefen noch etwa zehn Minuten an der Mauer entlang, bis wir das Nordtor erreichten und fanden dann auch tatsächlich auf Anhieb die richtige Straße nahe der Mauer. Leider hatte es wohl am Vormittag ziemlich stark geregnet und die Rückseite der Stadtmauer wurde an dieser Stelle gerade repariert, so dass es unglaublich schlammig war und unsere Schuhe und Hosenbeine entsprechend aussahen.

An unserem Hostel sind wir erst einmal vorbeigelaufen, da es von außen überhaupt nicht als solches zu erkennen war, und es gab auch kein Schild, nichtmal auf Chinesisch. Ein Mann, der gerade Nudelsuppe schlürfend im Nachbarhof saß, brachte uns freundlicherweise zum richtigen Eingang, Suppenschale in der Hand.

Wer hätte hinter dieser Ruine ein so schönes Hostel vermutet?

Wer hätte hinter dieser Ruine ein so schönes Hostel vermutet?

Das Hostel war ein traditionelles Wohnhaus, bzw. vielmehr ein Hof, um den mehrere einstöckige Häuser standen. Jedes Zimmer war quasi eine Haushälfte. Wir hatten ein Doppelzimmer mit eigenem Bad (Luxus!!). Im Zimmer gab es ein Bett, einen Ofen, der aber nicht befeuert war und daher als Ablage diente, ein Schränkchen mit Fernseher und zwei Bildrollen an den Wänden. Das Bett war quasi eine erhöhte Holzplatform, und die Bezeichnung Doppelbett würde ihm nicht gerecht. Vier bis sechs Leute hätten ganz bequem darin schlafen können. Dafür hatte es nur eine sehr dünne Matratze, dünn im Sinne von ca. 3cm, was echt hart war, aber alles war sauber und die Decke mollig warm – was will man mehr. Im Zimmer gegenüber hatten sich zwei Norweger einquartiert, die wir im Zug von UB nach Peking getroffen hatten. 😀

Der Innenhof des Hostels

Der Innenhof des Hostels

Nachmittags liefen wir durch die Altstadt von Pingyao, die wie gesagt Weltkulturerbe ist und unglaublich viel Charme hat. So stellen wir uns das alte China vor. Die Häuser waren ein- bis zweistöckig, aus grauen Ziegeln gebaut, mit farbenfrohen Dachbalken und Fassaden; viele waren mit roten Lampions und chinesischen Flaggen geschmückt. Die schmalen Gassen waren gesäumt mit Straßenständen, an denen man alle möglichen Spielzeuge, Klamotten und Snacks kaufen konnte.

Altstadt von Pingyao

Altstadt von Pingyao

Es war natürlich sehr touristisch aber trotzdem viel entspannter als in Peking und als westliche Ausländer waren wir echte Exoten. Irgendwann haben wir aufgehört zu zählen, wie viele Leute uns um ein Foto baten, und wie viele einfach eins gemacht haben (wobei die Chinesen da auch ganz unbefangen einfach mit der Spiegelreflexkamera draufhalten), und wie viele Leute uns mit „hello“ gegrüßt haben, vor allem Kinder. Highlights waren ein ganz kleiner Junge, vielleicht drei Jahre alt, der uns sogar noch die Hand geben wollte, und zwei Schulmädchen, die uns (vermutlich für ein Schulprojekt) in sehr gebrochenem Englisch interviewten und das Ganze mit dem Handy filmten, begleitet von viel verschämtem Gekicher, wobei sie sich immer wieder gegenseitig nach vorn schubsten.

Außerdem wurden wir ständig vom Verkehr aufgehalten. Die Altstadt ist zwar teilweise autofrei aber es sind unglaublich viele Elektroräder unterwegs, und außerhalb der Fußgängerzone fahren statt Bussen Heerscharen kleiner Elektromobile, die sich allesamt laut hupend durch die Fußgängermasse drängeln.

Um auf die Stadtmauer zu gelangen, musste man ein Dreitagesticket für fast 20 € kaufen, was gleichzeitig als Eintrittskarte für sämtliche Museen und Tempel der Altstadt galt, aber dafür waren wir zu geizig und wollten uns auch den Stress nicht antun, dann auf Krampf alle Sehenswürdigkeiten anschauen zu müssen, um das Ticket auszunutzen. Stattdessen bummelten wir einfach durch die Straßen und futterten uns durch die Straßenstände, um möglichst viele lokale Snacks zu probieren. Das hat uns am Ende für einen Nachmittag satt essen nur 3 € gekostet; dann haben wir noch in einem kleinen Restaurant nahe unseres Hostels gebratene Nudeln für 2 € pro Portion gegessen, und dann ist Birgit nochmal alleine los, um die bunten Lichter der Stadt bei Nacht einzufangen.

Pingyao bei Nacht

Pingyao bei Nacht

Am nächsten Morgen schliefen wir erst einmal aus und machten uns dann auf die Suche nach dem Busbahnhof, der auf dem Stadtplan außerhalb der Stadtmauer eingezeichnet war, damit wir am darauffolgenden Tag bei der Weiterreise frühmorgens nicht danach suchen müssten. Schon das Überqueren der Straße war ein Abenteuer; zwei oder drei Spuren pro Richtung (so genau sah man das nicht, da jeder fährt wo er will), Stau wegen Baustelle und die Ampel schien wieder nur so eine Art Empfehlung zu sein. Es gab zwar einen Zebrastreifen an der Ampel, und sogar einen Verkehrspolizisten, aber der scherte sich um uns Fußgänger herzlich wenig, und so mussten wir am Ende im chinesischen Stil über die Straße – langsam loslaufen, Lücken im Verkehr finden und das Beste hoffen. Der Busbahnhof entpuppte sich am Ende auch nur als ein Haltestellenhäuschen, vor dem drei Busse standen, aber das kam uns immer noch verlässlicher vor, als sich einfach irgendwo an die Straße zu stellen und den Bus rauszuwinken.

Danach wanderten wir einmal außen um die Stadtmauer herum, was insgesamt ca. 6,5 km sind. Um die gesamte Mauer herum ist ein wunderschöner Park mit gepflegten Wegen, Sitzbänken und kleinen Pfaden angelegt, auf dem fast niemand geht. Auf dem gesamten Spaziergang sind uns insgesamt weniger als zehn Leute begegnet, und das obwohl schönstes Wetter war. Umso besser für uns.

Stadtmauer mit Südtor...

Stadtmauer mit Südtor…

...und schönem Park

…und schönem Park

Mittags aßen wir an einer Garküche außerhalb der Mauer, gebratene Nudeln für 1€ pro Portion. Die Schalen waren nochmal in Folien eingewickelt, welche nach dem Essen einfach entsorgt wurden – schwupp, war die Schale wieder sauber. Nicht gerade umweltfreundlich, aber vermutlich hygienischer als sie in der Garküche ohne fließendes Wasser abzuwaschen… Das Essen war jedenfalls richtig lecker! Zwei Stände weiter trafen wir einen Italiener, der auch mit uns im Zug von UB nach Peking gesessen hatte. Die Welt ist klein.

Nach einem kurzen Nachmittagsschläfchen schauten wir uns abends den Ostteil der Altstadt an, den wir am Vortag noch nicht besichtigt hatten und der viel eleganter (und teurer) aussah als unsere Ecke, und aßen dann nochmal im selben Restaurant wie am Vortag.

Heute früh mussten wir dann schon wieder relativ zeitig los, da unser Zug nach Xi’an schon kurz vor neun fuhr und wir ja noch mit dem Bus zum Fernbahnhof fahren mussten.

Auf unseren Fahrkarten stand keine Sitzplatznummer…uns schwahnte Übles.  Wir sahen einen Chinesen, der mit einem Ausländer sprach und vermuteten, dass er Englisch kann, also zeigten wir ihm das Ticket und er sagte uns, dass wir leider Stehkarten erwischt hätten…

Da der Zug sehr leer war, setzen wir uns erst einmal auf die mit schwarzen Mülltüten ausgelegten Sitzplätze (der Sinn der Mülltüten hat sich uns nicht so richtig erschlossen) und unterhielten uns eine Weile mit einer Kolumbianerin, die auch gerade durch China und SO-Asien reist wie wir. Ein paar Bahnhöfe später wurde es aber leider voll, und jetzt ziehen wir nach jedem Bahnhof von einem Sitz zum anderen bis wir wieder jemandem mit Sitzplatzreservierung weichen müssen…

7 Gedanken zu „Nihao aus Pingyao

  1. Strahlender Sonnenschein, eine heiße Schoki, ein Cafè-Tisch im Freien und… ein neuer Eintrag im Blog. Was braucht es mehr für einen perfekten Start ins Wochenende?
    Jaja, das Leben in vollen Zügen genießen. 😉 aber ich vermute mal, auch das habt ihr mit Bravour überstanden. Ich bin gespannt, was als nächstes kommt.
    LG euer I

  2. Hallo ihr zwei Weltenbummler,
    natürlich haben wir wieder euren Eintrag mit viel Freude gelesen. Manchmal beneide ich (Nadine) euch, immer dann, wenn ihr wieder das typische alltägliche Leben dort einfangen könnt, fernab vom Massentourismus. Und wenn es etwas tricky wird, z.B. Hostel finden oder welcher Bus fährt wohin o.ä., dann bin ich froh, auf meiner Couch zu sitzen und nur lesen zu müssen, wie ihr das wieder gemeistert habt.
    Ich kann nur sagen: Bravo und weiter so.
    Ganz liebe Grüße
    Matthias und Nadine (MD)

  3. Hallo ihr Weltenbummler, mit viel Freude und Spaß hab ich eure nächsten Berichte gelesen. Dake für die interassanten und amüsanten Schreibereien. Auf jeden Fall ist der Suchtfaktor, den ihr damit erreicht ganz schön hoch. Ich kann es immer kaum erwarten, bis es wieder Neuigkeiten von B und K zu lesen gibt.
    Nun möchte ich noch das Rätsel um unsere gemeisame Freundin lösen. Da ich mich jeden zweiten Winter, dem hässlichen Wetter entfliehend, auf Reisen begebe und liebe Mitmenschen mit einigen Berichten daran teilhaben lasse, war unsere gemeinsame Freundin Jeannine der Ansicht, dass mir eure Weltumrundung mit den tollen Berichten die Wartezeit bis zum nächsten Trip auf eine angenehme Weise versüßen könnte und glaubt mir, die liebe Jeannine hat Recht behalten. Leider muss ich dieses Jahr in Deutschland überwintern, war aber schon Jan. Feb. und März 2016 auf Achse. So ihr Lieben, in freudiger Erwartung der nächsten Abenteuer grüßt euch Jenser aus Bad Schandau

    • Lieber Jenser, danke dir für deinen Kommentar und die Auflösung des „Rätsels“. Ich kann das total nachvollziehen, der Suchtfaktor steigt und steigt, je mehr man reist. 😉 Wo treibst du dich denn üblicherweise herum wenn du nicht in Deutschland überwinterst?
      Liebe Grüße aus Chengdu und bis bald!
      B

  4. Hallo ihr,
    vermutlich ist unser Anfänger-Kommentar gestern nicht angekommen. Macht nichts. Der nächste kommt bald. Unser Name wird sofort da CK sein.Wir lernen viel von euch, geografisch und überhaupt!
    CK

    • Hallo ihr beiden, doch doch, euer erster Kommentar ist auch angekommen. Wir lernen hier auch sehr viel, in jeder Hinsicht. Reisen bildet ja schließlich. 🙂

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